ROTTENBURG. Auf Gälisch heißen sie Uilleann Pipes, Andreas Rogge baut sie seit 42 Jahren: irische Dudelsäcke. Sie sind schwierig zu spielen und noch viel schwieriger zu bauen, gelten als Rolls Royce unter den Sackpfeifen. Bevor er seinen Traumberuf fand, war der heute 68-Jährige Krankenpfleger und hat einige Semester Psychologie studiert. Sein Handwerk hat er in Dublin bei einem alten Meister gelernt. »Als ich in den 70er-Jahren zum ersten Mal einen irischen Dudelsack gehört habe, war ich gleich fasziniert«, erzählt der Rogge. War die Tradition bis vor Kurzem noch am Aussterben, erlebt das Instrument in den letzten Jahren eine Renaissance.
Rogges Dudelsäcke werden in alle Welt für 6.000 bis 15.000 Euro pro Stück verkauft – von handgerollten Silberröhren bis zum Schlangenholz ist alles möglich.
Kunden sind Männer wie Frauen, »vom Bäcker bis zum Banker«, wie Rogge sagt. Nach einer kleinen Delle während der Corona-Zeit zieht der Absatz wieder an. Und die Kunden kommen aus aller Welt.
Von Tübingen nach Wendelsheim
Im Gegensatz zum weitverbreiteten schottischen Dudelsack wird der irische nicht mit dem Mund mit Luft befüllt, sondern mit einem Blasebalg, der mit dem Ellenbogen bedient wird. »Der Klang kommt der menschlichen Stimme nahe«, erklärt Rogge. Das Instrument soll sanft und einzigartig sein und den Spieler wie eine zweite Stimme umhüllen. »Man muss gut spielen können, um die Instrumente zu bauen.«
Seit 2011 befinden sich Rogges Wohnhaus und die Werkstatt im früheren Gasthaus Adler in Wendelsheim. »Wir haben das Haus gekauft, selbst renoviert und sind von Tübingen hergezogen«, erzählt Rogge. Im Dorf fühle er sich sehr wohl. »Ich schätze die Nähe zur Natur und die ruhige Umgebung.« Auch seine Ehefrau Antje Klinghammer arbeitet mit. Sie fertigt Blasebalg und Sack an und achtet darauf, dass alles dicht ist, damit so wenig wie möglich gepumpt werden muss. Im früheren Adler-Gastraum richtet sie ab und zu Konzerte aus. In einer Heimwerkstatt in Thüringen arbeitet Heike Horstmann mit.
Mit ihr kommuniziert er über Telefon und Mail, Material und Teile werden per Post verschickt. Mit Stefan Schwarz (39) hat Rogge einen festen Angestellten, der in Wendelsheim mitarbeitet.
Gelernten Schlossermeister
Der Arbeitstag beginnt für beide mit einem gemeinsamen Frühstück, bei dem sie die Aufgaben des Tages besprechen. »Ich habe beim Feuerwehrfest in Heilbronn in einer Bierlaune mit einer billigen, pakistanischen Tröte angefangen«, sagt Schwarz. Das faszinierte den gelernten Schlossermeister so, dass er mit 30 noch einmal eine Lehre zum Holzblasinstrumenten-Macher anfing.
Inzwischen kann er nicht nur gut spielen, sondern ist auch ein wahrer Künstler an der Drechselbank. Schwarz fertigt die meisten Pfeifen an. Die Zierringe entstehen aus Buchsbaum. Schwarz behandelt die Oberfläche so, dass sie später aussieht wie altes Elfenbein, nur ohne Tierquälerei.
Mit 80 Jahren noch fit
Er lebt in Haigerloch und engagiert sich in der Freiwilligen Feuerwehr Wendelsheim – das Feuerwehrhaus ist gerade einmal 30 Meter von der Werkstatt entfernt. »Gerade für die Tagesverfügbarkeit ist es wichtig, Leute vor Ort zu haben«, sagt Schwarz. Er soll den Betrieb in einigen Jahren auch übernehmen. Das geht schrittweise. Während Schwarz das Handwerk schon nahezu perfektioniert hat, erwirbt er nach und nach Kenntnisse in der Betriebswirtschaft und im Umgang mit Kunden. »Gerade die Schotten haben oft einen heftigen Dialekt«, sagt Schwarz schmunzelnd.
Und Rogge geht in Rente? »Aber in diesem Beruf hört man nie ganz auf. Das ist nicht nur Lebenserwerb, sondern auch Passion«, sagt er. Sein irischer Lehrer habe mit 80 Jahren noch gearbeitet. (GEA)