Die Vorpremiere am Dienstagabend in den Mössinger Lichtspielen mit gut 100 Gästen, darunter viele am Theaterprojekt Beteiligte, führte zu großer Begeisterung und starken Worten der Anerkennung. Nach der Vorführung des 80-minütigen Films gibt es stürmischen Applaus, dazu Bravo- und Zugabe-Rufe. Die studierte Historikerin Katharina Thoms nähert sich dem außergewöhnlichen Theaterprojekt und dem historischen Hintergrund angenehm gefühlvoll personifiziert über eine Protagonistin, die in gut gewählten Zusammenhängen bei ihrer Mitwirkung beobachtet wird: In der Laientruppe ist Andrea Ayen dabei, die Tochter von Paul Ayen, einer der Organisatoren des Generalstreiks.
Von der Truppe wird viel verlangt
Für Andrea Ayen war es wichtig, bei dem Projekt mitzumachen, hat der Generalstreik doch für sie auch eine familiäre Komponente. Sie schildert im Film ihre Motivation, spricht über eine besondere Form der Verpflichtung. Und sie spricht auch darüber, wie persönlich belastend sie die in Bezug auf den Generalstreik in der Stadt geführte Debatte empfand.Was von ihr und den Laien-Schauspielern um sie herum abverlangt wird, ist enorm. Das wiederum hat etwas mit dem zweiten Protagonisten des Films zu tun, Philipp Becker. Er inszeniert fürs Lindenhof-Theater das Stück. Der Regisseur führt die Schauspielertruppe, startet einen Prozess des Theater-Lernens.
Mit wuchtigen Worten und großer Erwartung treibt Becker das Projekt voran, schlägt Brücken von der Welt der Profis ins Lager der Laien, fungiert als Lehrer und Motivator. Viele Proben in einer Industriehalle, in der die Luft im Winter nur wenige Plusgrade warm ist. Komplexe Tanzchoreografien, ausgefeiltes dramaturgisches Konzept, sagenhafte Szenen. Der Film zeigt, wie die Theatertruppe zusammenwächst, wie das Mega-Projekt mit viel Zeitdruck gestemmt wird.
Rundgang zu Ortsschauplätzen
In einer geschickt in den Film integrierten zweiten Ebene setzen sich Andrea Ayen und Martin Rottach, der im Theaterstück ihren Vater Paul verkörpert und im Film dritter Protagonist ist, mit den historischen Hintergründen des Stücks auseinander. Sie spazieren durch Mössingen, sehen sich Originalschauplätze an. So erfahren Zuschauer, denen das Vorwissen fehlt, die Details und den Ablauf des echten Generalstreiks. Immer wieder werden von den Schauplätzen aus direkt Bezüge ins Stück geschaffen, etwa wo es um den Unternehmer Otto Merz geht, der dem Ansinnen des Aufstands kritisch gegenüberstand.Richtig starke Momente sind da, wo es um den Abgleich des historischen Vorbilds und seiner Bedeutungs-Dimension mit der Theater-Aufarbeitung geht. Im Stück agiert Martin Rottach als Paul Ayen auch aggressiv, wird handgreiflich. Andrea Ayen setzt sich mit ihrem Vater auseinander. Er sei viel schmächtiger als dieser große, starke Mann gewesen, der ihn verkörpert. Und er sei nicht so ein Rohling gewesen. Da war aber auch die ganz besondere Situation als Rahmen.
Der Film gewinnt an Tempo, macht das druckvolle Streben hin zur Erstaufführung richtig spürbar. Er endet bildgewaltig mit der Premiere. Und hier glänzt nicht nur die überragend agierende Laientruppe. Auch Profi Bernhard Hurm explodiert in seiner Rolle als »Klein Karle« regelrecht nach schmerzhaften Gesundheits-Problemen im Vorfeld. (GEA)