OFTERDINGEN. »Ich weiß, dass ich attraktiv bin, aber ich muss gehen und eine Aufgabe lösen«, die Stimme des Roboters lässt keine Zweifel aufkommen, dass er seine Mission ernst nimmt und nicht länger besichtigt werden möchte. Er bewegt sich und wer zufällig im Weg steht, löst weitere Reaktionen bei ihm aus. »Ups, ich kann nicht vorwärts fahren, bitte lassen Sie mich vorbei«, sagt er dann zum Beispiel. Am Ziel scharen sich junge Museumsbesucher um den Roboter, der jetzt seine Aufgabe erfüllt: Die Kinder können sich auf einem Tablett an Süßigkeiten bedienen. Je nach Programmierung ist er unterschiedlich als Transporthilfe einsetzbar.
Der Roboter der Ofterdinger Firma Aicobot und die Hightech-Vorführung war am Sonntag eine der Attraktionen der neuen Sonderausstellung, die der Arbeitskreis Sattlergasse bis September in der 2023 als vorbildlich ausgezeichneten Museumsscheuer präsentiert. Zur Eröffnung strömten zahlreiche Besucher aus mehreren Generationen in das Heimatmuseum. »Von Wirtschaftswundern zum Smart Home«, lautet der Titel der Ausstellung.
»Während der Vorbereitung wurde ich emotional zurückgebeamt«, erzählt Arbeitskreis-Mitglied Werner Gimmel, der in Ofterdingen in den Kindergarten und zur Schule ging. »In den 50er-Jahren standen auch hier im Ort die Leute Schlange vor dem Metzger, aber nur samstags«, erinnert er sich an der Station, die sich der Ernährung von damals widmet. »Das Bedürfnis nach gutem und reichlichem Essen in den Jahren des Aufschwungs war auch bei uns groß.«
Chip im Ohr öffnet Katzenklappe
Bei seiner Begrüßung bedankte sich Bürgermeister Joseph Reichert beim Arbeitskreis-Team für das Engagement über die Jahre hinweg. »Ich habe heute die Ehre, das letzte Mal eine Ausstellung in der Sattlergasse zu eröffnen. Sie haben das Museum zu einem Aushängeschild der Gemeinde gemacht und waren auch für diese Ausstellung wieder kreativ unterwegs.« Ganz in diesem Sinn wurde mit verschiedenen Exponaten auch der technische Wandel sichtbar gemacht. Zum Beispiel mit einer Bernina 790, einem Nähcomputer, der WLAN-fähig ist. Oder mit einer Katzenklappe, die sich öffnet, wenn die Katze ins Haus will. Das funktioniert mittels eines Chips im Ohr des Tieres.
Zu sehen ist auch, wie die Digitalisierung alles kleiner und bequemer macht. Dazu präsentierte Oliver Wiens vom Arbeitskreis Sattlergasse bei der Ausstellungseröffnung ein Kästchen. »Es enthält die komplette Haussicherung, einen Bewegungsmelder, Schließkontakte und einen kleinen USB-Stick, der als Zentrale fungiert und ans heimische WLAN angeschlossen werden kann.« Auch Nostalgiker kommen in der Museumsscheuer wieder voll auf ihre Kosten. Für Filmfans ist ein Kino der 50er-Jahre aufgebaut, mit Originalsitzen und Filmplakaten der damaligen Zeit. Dazu werden die passenden Trailer gezeigt.
Auf alten Fotos von Ofterdingen, etwa von Kinderfesten, können bekannte Gesichter entdeckt werden. Werner Gimmel erinnert sich noch genau an den Umzug 1953, bei dem er als Kaminfeger verkleidet war, auch dieses Bild ist zu sehen. »Ganz vorne, das bin ich«, sagt er beim Betrachten. Ein Plakat, das in der Ausstellung hängt, hat es ihm besonders angetan. Es zeigt eine Familienszene aus den 50er-Jahren. Mutter, Tochter und Sohn sitzen am Esstisch und schauen dem Vater zu, wie er den Braten aufschneidet. Dazu trägt er Krawatte. »Das ist die klassische Familie, wie man sie sich damals vorgestellt hat«, so Gimmel. Dieses Plakat zeige sehr anschaulich den Zeitgeist.
Der Beginn des Campings, Werbetrailer aus den 50er-Jahren, Staubsauger aus dieser Zeit oder ein Wohnzimmer mit Nierentisch und raumgreifendem Fernsehapparat, ein Gang durch die Ausstellung ist spannend und kurzweilig.
Rasen war reiner Luxus
Wie sich die Zeiten geändert haben, erzählt Gimmel vor einem automatischen Rasenmäher, der heute in vielen Gärten zum Einsatz kommt. »Damals war der Rasen noch nicht so heilig. Wenn man zum Beispiel hier in Ofterdingen ein Haus gebaut hat, hat man im Vorgarten Gemüse und Kartoffeln angebaut, das Leben war sparsamer und Rasen war reiner Luxus«, so Gimmel. »Den konnten sich nur sehr reiche Leute leisten, nicht der normale Bauherr, der Schulden hatte.«
Ein Thema ist der Klimawandel und wie Firmen mit moderner Klimatechnik darauf reagieren. Der digitalen Währung Bitcoin werden in einer Vitrine Mark und Euro gegenübergestellt. Gimmel erinnert dabei an den individuellen Service von Emma Mohl, Mitarbeiterin der Kreissparkasse in der Bezirksgemeinde Ofterdingen in den 50er-Jahren. »Zu ihr konnte man am Sonntagmorgen mit dem Sparbuch gehen und Geld abheben oder einzahlen. Das lief dann in ihrer Stube über die Bühne. Sie hat jeden persönlich gekannt.« War früher alles besser? Auch dieser Frage geht die Ausstellung nach. Ein Fazit nach dem Besuch des Museums könnte sein: es war weder besser noch schlechter, es war anders. (GEA)
ÖFFNUNGSZEITEN
Die aktuelle Sonderausstellung in der Museumsscheuer Ofterdingen, Sattlergasse 12, kann mittwochs (außer an Feiertagen) von 16 bis 18 Uhr besichtigt werden oder nach Vereinbarung. Ein Besuch der Schau ist auch beim Tag der offenen Tür am Sonntag, 21. Juli, möglich sowie beim Jahresabschluss am Sonntag, 15. September, jeweils von 11 bis 17.30 Uhr. (GEA) museumsscheuer. sattlergasse@gmail.com 0172 1408008