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Aktuell Großübung

Das geordnete Chaos bei der Großübung im Schönbuch

TÜBINGEN/REUTLINGEN. Klimawandel und Kommunikationsprobleme. Ersterer bildete die Ausgangslage zur größten Katastrophenschutz-Übung der vergangenen Jahrzehnte in der Region. Letzteres war die nach zwei Tagen gewonnene Erkenntnis der mit viel Mensch und Material geprobten Szenarien.

An der Straße von Tübingen nach Bebenhausen proben Rettungs- und Hilfskräfte vom DRK und THW den Ernstfall, versorgen viele Verl
An der Straße von Tübingen nach Bebenhausen proben Rettungs- und Hilfskräfte vom DRK und THW den Ernstfall, versorgen viele Verletzte an der Unglücksstelle. Foto: Jürgen Meyer
An der Straße von Tübingen nach Bebenhausen proben Rettungs- und Hilfskräfte vom DRK und THW den Ernstfall, versorgen viele Verletzte an der Unglücksstelle.
Foto: Jürgen Meyer
Im Planspiel »Heißer Süden« kamen am Wochenende über 2 300 zumeist ehrenamtliche Helfer aus ganz Baden-Württemberg rund um den Schönbuch zusammen. Mit über 350 Fahrzeugen zu Land, Luft und Wasser wurde das Zusammenwirken der Hilfsorganisationen und Behörden getestet. Vor allem Feuerwehren, DRK-Einheiten, das THW, die DLRG und die Bundeswehr waren in das fiktive Geschehen eingebunden.

Unwetter tobt im Schönbuch

Angenommen wurden die Folgen einer lang anhaltenden Trockenperiode: An sechs verschiedenen Bereichen in den vier angrenzenden Landkreisen des viel frequentierten Naturparks kommt es zeitgleich zu größeren Unglücksfällen. Mit einem realen Großfeuer in der Waldlichtung Moosplatte nördlich des Einsiedels probten die Feuerwehren - die aktuellen Bilder aus Kalifornien vor Augen - die Bekämpfung eines ausgedehnten Waldbrands. Man will künftig die Erfahrungen der US-Kollegen übernehmen: Leichtere Kleidung, Wasservorräte und Schaufeln.

Die Einsatzstelle auf Markung Rübgarten war so weit abgelegen, dass trotz Großaufgebots an Fahrzeugen keiner der vielen Freizeitbesucher an diesem goldenen Oktobersamstag dort auftauchte.

»Im Wald gibt's keine Hydranten«, stellte Abschnittsleiter Hartmut Holder trocken fest. Deswegen mussten die Pliezhäuser Wehren eine 2,6 Kilometer lange Löschleitung zu einer Anzapfstelle der Bodenseewasserversorgung legen. Parallel dazu fuhren fünf Tanklöschfahrzeuge im Pendelverkehr von Rübgarten zur matschigen Einsatzstelle.

»Die haben nachher das meiste G'schäft mit dem Putzen«, stellte Reutlingens Kommandant Harald Herrmann bedauernd fest. Zusammen mit mehreren Dutzend Übungsbeobachtern machte er sich ein Bild von den Lagen.

So gut wie keine Schaulustigen auch am Baggersee in Kirchentellinsfurt, obwohl hier am späten Vormittag die mithin außergewöhnlichsten Einsätze der gesamten Groß-Übung abliefen. Die DLRG Wasserrettungszüge Neckar-Alb/Ulm probten mit den Bootsführern der Kirchentellinsfurter Wehr die Rettung zweier Opfer einer Grillexplosion von der Seeinsel und gekenterten Bootsinsassen an der Echazmündung.

Für den Transport zu den in die Übung eingebundenen Tübinger Kliniken ließ der Stab, der bereits am Freitag die kreisübergreifenden Planspiele probte, einen Rettungshubschrauber der Bundeswehr einfliegen. Die SAR Bell UH-1D ist eine von zwölf Maschinen des Transporthubschrauberregiments 30 im fünfzig Flugminuten entfernten Niederstetten.

Bei der Rettungsübung kam es zu einem Zwischenfall: Einer der Mimen erlitt einen Kollaps und musste vom regulären Notarztdienst versorgt werden. Laut Stuttgarts Regierungspräsident Wolfgang Reimer, dessen Behörde die Gesamtleitung zusammen mit dem Innenministerium hatte, war dies der einzige tatsächliche Verletzte während der Übungen.

Löschwasser vom Hubschrauber

Spektakulär der Einsatz des schweren Transporthubschraubers Sikorsky CH 53: Das Bundeswehr-Geschwader 64 aus Laupheim schickte die Maschine zur Unterstützung der Waldbrandbekämpfung, die noch bei Ammerbuch und am Betzenberg bei Aichtal geübt wurde.

Mit seinem 5 000 Liter fassenden Außenbehälter tankte der Hubschrauber mehrfach im Flug das Wasser aus dem Baggersee. »Da werden jetzt einige Forellen einen kleinen Rundflug machen«, merkte ein Feuerwehrmann süffisant an.

Ein durch die schlechte Funkverbindung im Wald bedingtes Kommunikations-Missverständnis hatte bei Waldenbuch fatale Folgen. Weil der Pilot nicht korrekt eingewiesen werden konnte, ergoss sich die fünf Tonnen schwere Wasserfracht auf ein Feuerwehr-Fahrzeug und beschädigte es erheblich.

»Es hapert noch bei der Verständigung zwischen den einzelnen Organisationen«, musste Tübingens Vize-Regierungspräsident Utz Remmlinger eingestehen. »Die Helfer vor Ort trifft keine Schuld. Die haben ihr Handwerk tadellos beherrscht«.

Oberst Christian Walking, Kommandant des Landeskommandos, bemängelte bei der Manöverkritik die Strukturen: »Bei so einem Szenario braucht es eine klare Ansage: Wer ist wer? Wer ist wo? Wer kann was? Hier geht es nicht um Leitung. Hier wird Führung gebraucht.«

1 100 Gulaschportionen

Das hätten sich die DRK-Ehrenamtlichen gewünscht. An der Landesstraße bei Bebenhausen übten mehrere Hundert Helfer die professionelle Bewältigung eines Massenanfalls an Schwerverletzten. Um die über vierzig Mimen erstzuversorgen, in Sichtungszelten zu registrieren und ins Klinikum abzutransportieren, wurden Sanitätseinheiten aus dem ganzen Land zusammengerufen. Zwei Einsatzeinheiten mit mehreren Rettungswagen aus Aalen waren nach zweistündiger Fahrt um 7 Uhr eingetroffen, mussten aber wegen Kommunikationsmängel fünf Stunden auf ihren Einsatz waren. Immerhin versorgte die nur neunköpfige Kochgruppe des DRK-Kreisverbands Reutlingen die Aktiven mit 870 Lunchpaketen und 1 100 Gulaschportionen nach Abschluss der Übung um 15 Uhr. (GEA)