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Boris Palmer: Wie er die Menschen immer wieder auf die Palme brachte

Boris Palmer hat sich in seinen 15 Jahren als Chef im Rathaus nicht nur Freunde gemacht. In den letzten Jahren scheinen sich Vorfälle rund um den Oberbürgermeister von Tübingen zu häufen, die dazu führen, dass sich immer mehr Menschen von ihm abwanden. Hier einige Beispiele, die viel Wirbel verursacht haben.

Boris Palmer
Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister der Stadt Tübingen. Foto: Gollnow/dpa
Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister der Stadt Tübingen.
Foto: Gollnow/dpa

TÜBINGEN. Seit Jahren fällt Boris Palmer immer wieder durch provokante Äußerungen auf. Maßgeblich auch durch seine Kommentare bei Facebook. Immer wieder wurde er deshalb von vielen Seiten kritisiert und auch als Rassist bezeichnet. Erst im vergangenen Mai gab es eine Protestaktion vor dem Tübinger Rathaus. Die Demonstrierenden warfen Palmer erneut Rassismus und eine Spaltung der Tübinger Stadtgesellschaft vor. Sie forderten seinen Rücktritt als Oberbürgermeister. Er selbst hat den Rassismusvorwurf stets zurückgewiesen.

Im Zuge der vielen Debatten um seine Äußerungen verlor Palmer Stück für Stück an Rückhalt bei den Grünen in Tübingen, im Land und auch im Bund. Das ist auch ein Grund, weshalb sich nun viele dafür aussprechen, dass die Tübinger Grünen einen anderen Kandidaten oder eine andere Kandidatin beim OB-Wahlkampf unterstützen sollten. 

Hier nur einige Beispiele, die in der Öffentlichkeit für besonderes Aufsehen gesorgt haben:

Der Wirbel um Ex-Fußballnationalspieler Dennis Aogo und das N-Wort

Der Fall ist gleichzeitig der komplizierteste: Im Mai 2021 schreibt Palmer über Fußballstar Aogo bei einer Diskussion auf Facebook wörtlich: »Der Aogo ist ein schlimmer Rassist, hat Frauen seinen Negerschwanz angeboten.«* Später sagt Palmer zunächst, dass sei ironisch gemeint gewesen. Einige Zeit darauf entschuldigt er sich. In dem Moment, in dem sein Posting mit seinem Oberbürgermeisteramt in Verbindung gebracht werde, sei der Kommentar würdelos. »Da hätte ich das Handy in der Tat besser weggelegt als die 65 Zeichen eingetippt«. Zwischenzeitlich hatte es heftige Kritik am Verhalten Palmers gegeben. Ministerpräsident Winfried Kretschmann meinte: »Solche Äußerungen kann man einfach nicht machen. Das geht einfach nicht.« Kurz darauf leiten die Grünen ein Parteiausschlussverfahren ein.

Palmers umstrittene Äußerungen zu älteren Corona-Patienten

Seine Worte im Sat.1-Frühstücksfernsehen im Mai 2020 begleiten danach wochenlang die Diskussionen um die Corona-Pandemie. Dort hatte Boris Palmer mit Blick auf die Behandlung älterer Covid 19-Patienten gesagt: »Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen.« Dafür wird er auch Monate später immer wieder kritisiert. Danach entzieht die Grünen-Spitze ihrem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer die Unterstützung. Die Partei werde Palmer bei einer erneuten Kandidatur in Tübingen und bei weiteren politischen Tätigkeiten nicht mehr unterstützen, sagt Grünen-Chefin Annalena Baerbock in Berlin.

Boris Palmer kritisiert eine Werbekampagne der Deutschen Bahn

Im April 2019 muss sich Tübingens OB den Vorwurf gefallen lassen, seine Aussagen zielten wiederholt auf Menschen mit dunkler Hausfarbe oder Migrationshintergrund. Sie seien deshalb rechtspopulistisch und rassistisch. Er hatte eine Werbekampagne der Bahn kritisiert, bei der Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe und Herkunft zu sehen waren - darunter Fernsehkoch Nelson Müller, die TV-Moderatorin Nazan Eckes und Ex-Formel 1-Star Nico Rosberg. Palmer schrieb auf Facebook: »Ich finde es nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die Deutsche Bahn die Personen ... ausgewählt hat. Welche Gesellschaft soll das darstellen?« Die Bahn konterte: »Palmer hat offenbar Probleme mit einer offenen und bunten Gesellschaft.« Noch weiter geht Palmers Tübinger Parteifreun und Landtagsabgeordnete Daniel Lede Abal: »Schade, dass der Tübinger Oberbürgermeister ein Problem mit einer Gesellschaft hat, in der ein Migrationshintergrund immer normaler wird. In den kommenden Jahren wird der Anteil noch größer werden – das sind einfach Tatsachen. Wenn er als Oberbürgermeister mit so einer Stadtgesellschaft nicht zurechtkommt, sollte er sich jetzt überlegen, ob er Oberbürgermeister bleiben kann.«

Auf einem Spielplatz schreitet Palmer ein, weil Eltern ihr Kind schreien lassen

Ebenfalls im April 2019 kommt es zu einem Vorfall auf einem Tübinger Spielplatz, wo offenbar ein Vater seinen etwa zweijährigen Sohn immer weiter Schwung auf einer sogenannten Vogelnest-Schaukel gibt, obwohl das Kind laut heult. Die Mutter mit Kopftuch schaut nur zu. Palmer schreibt auf Facebook, das sei schwarze Pädagogik, die mit Gewalt und Einschüchterung arbeite. Die Nazis hätten das auch so gemacht und in Afghanistan und Saudi-Arabien hätten sie auch noch eine andere Vorstellung von Pädagogik und Männlichkeit, schreibt Palmer. Sein Posting wird mehr als 700-mal kommentiert. Manche geben ihm Recht, andere kritisieren ihn. Die Kritik folgte prompt: »Dem Typen ist echt nicht mehr zu helfen. Hätte Angst um unsere Kinder, wenn Leute wie Palmer sie erzögen«, twitterte die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD).

Boris Palmer gerät mit einem Studenten aneinander

Im November 2018 soll er einen Studenten auf der Straße angebrüllt haben. Eine Begleiterin des Studenten hatte Palmer wenig später wegen Nötigung angezeigt. Was war passiert? Unstrittig scheint zu sein: Ein Student hatte auf dem Tübinger Holzmarkt eine abfällige Bemerkung über Palmer gemacht, als dieser vorbeiging. Der OB wollte ihn offenbar zur Rede stellen und zückte im weiteren Verlauf seinen Dienstausweis und verlangte die Personalien, da er als Leiter der Ortspolizeibehörde dazu berechtigt sei. Ein halbes Jahr später sollte der Student ein Ordnungsgeld wegen Ruhestörung zahlen. Vor Gericht unterlag Palmer allerdings. Palmers Mentor, Ministerpräsident Kretschmann, reagierte genervt.

Boris Palmer und der dunkelhäutige Radfahrer

Der OB wettert im April 2018 gegen einen dunkelhäutigen Fahrradfahrer wegen dessen Fahrstils: »Weil der Typ mit nacktem Oberkörper, Kopfhörer und einer unglaublichen Dreistigkeit um die Leute rum gekurvt ist. Sowas gehört sich nicht und für einen Asylbewerber schon dreimal nicht.« Ihm wird daraufhin vorgeworfen, er wisse doch nicht, ob es sich tatsächlich um einen Asylbewerber gehandelt habe. Daraufhin Palmer: »...ich wette, dass es ein Asylbewerber war. So benimmt sich niemand, der hier aufgewachsen ist mit schwarzer Hautfarbe. Das wäre völlig missglückte Integration.« Das ruft weitere Kritik hervor. Es sei abenteuerlich zu behaupten, ein »hier Aufgewachsener« würde sich nicht so verhalten. Die Grünen im Landkreis und in der Stadt Tübingen kritieren Palmers Aussagen als rassistisch. Er entschuldigt sich später.

Palmers schräger Auftritt in der Ausflugsgaststätte Nägelehaus auf dem Raichberg 

Im August 2014 gerät Boris Palmer mit einer Kellnerin und anschließend dem Wirt des Nägelehauses bei Albstadt-Onstmettingen aneinander, weil er gerne sein Vesper auf der Terrasse einnehmen will. Diese ist aber geschlossen. Er soll angeboten haben, sein Vesper selbst hinaus- und auch wieder hineinzutragen. Es soll zu einem Wortwechsel gekommen sein, in dessen Verlauf Palmer unter anderem gesagt haben soll, wenn er so arbeiten würde, wie die Wirtsleute, stünden bald die Menschen mit Mistgabeln vor dem Rathaus. (»Wenn mr aufm Rathaus so schafft dät wie hier, dann dätet ihr mit der Mistgabel nauf ganga.«) Später macht Palmer seinem Ärger auf Facebook Luft und spricht von einer »Premium-Service-Wüste Alb«.

Nach knapp zwei Amtsperioden als Oberbürgermeister ist weiter offen, ob Boris Palmer bei der anstehenden OB-Wahl im kommenden Jahr wieder antritt. Er selbst hat sich noch nicht festgelegt. (GEA)

* Obszöne Begriffe gehören nicht zum Sprachgebrauch des Reutlinger General-Anzeigers. Wir haben uns aber dennoch entschieden, den Facebook-Post von Boris Palmer im Wortlaut zu nennen, um die strittigen Passagen dokumentieren zu können.