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Ammertalbahn: Keine Besserung bei Zugausfällen in Sicht

Die Zugausfälle auf der Strecke Tübingen - Herrenberg sind gewaltig. Selbst der von der DB Regio als Notprogramm angekündigte Stundentakt funktioniert nicht. »Wenn es kein Streik gäbe, könnten wir auch nicht mehr Züge fahren lassen«, sagt der Tübinger Landrat Joachim Walter bitter. In einem Pressegespräch erklärt er die Hintergründe des Desasters und wie es mit der Ammertalbahn weiter gehen wird.

Kein Zug auf der Strecke zwischen Tübingen und Herrenberg. Nicht nur zu Streikzeiten ist das ein alltäglicher Anblick auf der Am
Kein Zug auf der Strecke zwischen Tübingen und Herrenberg. An drei Tagen muss dort am Lärmschutz gebaut werden. Foto: Stanislav Schitz
Kein Zug auf der Strecke zwischen Tübingen und Herrenberg. An drei Tagen muss dort am Lärmschutz gebaut werden.
Foto: Stanislav Schitz

TÜBINGEN. Der Zugverkehr zwischen der Unistadt und Herrenberg mit Anbindung an die S-Bahn nach Stuttgart ist seit Monaten ein Problem. Reihenweise fallen Züge aus. Fahrgäste stehen umsonst am Bahnsteig, warten auf Züge und Busse, die nicht kommen. Von »Desaster« und »Bankrotterklärung« spricht der Landrat. In seinen finstersten Stunden habe er sich schon gedacht, »jetzt teeren wir die Strecke zu und lassen Elektrobusse fahren«. Das ist allerdings kein ernstgemeinter Vorschlag, sondern der Ausdruck eines tief sitzenden Frustes. Schließlich hat der Zweckverband Ammertalbahn und das Land mit der DB Regio einen Vertrag über den Betrieb der Strecke geschlossen, der alle möglichen Probleme ausschließen sollte.

»Die Qualität war uns wichtig«, betont Walter. Und deshalb haben sich Zweckverband und Land die Strecke einiges kosten lassen. Die Verkehrsleistung auf dem Netz 18, der Strecke zwischen Herrenberg und Bad Urach, sei eine der teuersten im ganzen Land, bestätigt Volker Michael Heepen, Geschäftsführer der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW). Den Zuschlag bekam 2022 die DB Regio als einziger Anbieter. »Mit der DB Regio wird ein erfahrenes und in der Region ansässiges Verkehrsunternehmen die Regionalbahn Herrenberg – Bad Urach künftig emissionsfrei bedienen. Die Fahrgäste dürfen sich auf moderne, barrierefreie Fahrzeuge, dichtere Takte und neue Haltepunkte freuen«, zitierte die Zeitschrift Lokreport Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Nichts davon ist eingetreten. Im Gegenteil. »Wir haben uns auf den Betrieb nach der Elektrifizierung gefreut«, sagt Walter. Jetzt sei das Angebot schlechter als zuvor.

»Das ist, wie wenn man eine Straße neu baut und sie anschließend für den Verkehr sperrt«

Dabei hat man versucht, im Vertrag alle mögliche Sicherheitsnetze aufzuspannen. Zuerst 17 später 14 Fahrzeuge wurden vertraglich festgelegt, obwohl für den regulären Betrieb nur sechs Züge benötigt werden. Der dicke Puffer sollten garantieren, dass bei Problemen Ersatzfahrzeuge zur Verfügung stehen. Auch eine sogenannte »heiße Reserve« hatten die Vertragspartner ausgehandelt: ein Zug, der fahrbereit am Tübinger Hauptbahnhof für den Notfall bereitsteht. Sarah Wüstenhöfer, Geschäftsführerin des Zweckverbandes Ammertalbahn, hat von ihrem Arbeitsplatz im Landratsamt einen direkten Blick auf die Schienen. In diesem Jahr habe sie die heiße Reserve noch nicht gesehen, sagt Wüstenhöfer. Dafür wird sie derzeit überschüttet mit Beschwerden. Kein Wunder, von den zugesicherten 14 Zügen sind derzeit nur zwei im Einsatz.

Viel Hoffnung, dass sich die Lage verbessert, hat weder der Landrat noch die Geschäftsführerin. Die DB Regio bekomme zwar nur gefahrene Kilometer bezahlt und muss außerdem mit Vertragsstrafen rechnen, aber die seien »eingepreist«, sagt Wüstenhöfer nüchtern. Man habe es hier mit einem Monopolisten zu tun, fügt der Landrat hinzu. »Wir haben versucht, kleinere Verkehrsunternehmen zu gewinnen«, so Walter. Aber niemand habe sich auf die Ausschreibung beworben.

»Auch ohne Streik: 20 bis 30 Prozent der Fahrzeuge im Land fahren nicht«

Es fehlt nicht nur auf dieser Strecke an Fahrzeugen, sondern im ganzen Land. In der Werkstatt in Ulm warten rund hundert Züge darauf, repariert zu werden, berichtet Heepen. Auch ohne Streik: »20 bis 30 Prozent der Fahrzeuge im Land fahren nicht.« Dringend gesucht werden Werkstattpersonal, Lokführer und Fahrdienstleiter. So kann die Enag, die das Stellwerk in Dettingen für die Ammer- und Ermstalbahn betreibt, nur noch in drei anstelle von zwei Schichten arbeiten. Das hat zur Folge, dass im Ammertal nachts keine Züge mehr verkehren.

Immerhin ein kleines Trostpflästerchen im ganzen Desaster hat Wüstenhöfer nun aufgetan: Die Geschäftsführerin hat zwei Gelenkbusse organisiert, die ab Donnerstag, 25. Januar, die Schüler im Ammertal rechtzeitig zur Schule nach Tübingen bringen sollen. Sie fahren stündlich zwischen Ammerbuch-Entringen und der Unistadt von 7 Uhr morgen bis 13.30 Uhr nachmittags. Der genaue Fahrplan steht auf der Homepage des Zweckverbandes. Bis 22. März ist das Angebot gedacht. NVBW und der Zweckverband wollen der DB Regio den Busverkehr in Rechnung stellen.

Ansonsten setzt der Landrat seine letzte Hoffnung auf Spitzengespräche, die das Land mit der Bahn führen will. Er sei in seinem ganzen beruflichen Leben noch nie derart hilflos vor einem Problem gestanden, gibt Walter zu. »Ich will auf keinen Fall irgendetwas in Aussicht stellen.« Der Zweckverband habe jedenfalls seine Aufgaben gemacht und für viel Geld die Infrastruktur bereit gestellt. »Das ist, wie wenn man eine Straße neu baut und sie anschließend absperrt.« Und was empfehlen Heepen und Walter den Fahrgästen? Auf jeden Fall sich bei der NVBW beschweren und die Probleme detailliert schildern, sagt Heepen. Nur so könne Druck aufgebaut werden. (GEA)