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Über 4.000 Besucher beim CSD in Tübingen: Bunte Vielfalt unterm Regenbogen

Beim CSD in Tübingen wurde die Diversität gefeiert.
Beim CSD in Tübingen wurde die Diversität gefeiert. Foto: Jürgen Meyer
Beim CSD in Tübingen wurde die Diversität gefeiert.
Foto: Jürgen Meyer

TÜBINGEN. Vielfältig und bunt ist die Menschheit. Das haben am Samstag über 4.000 in erster Linie junge Teilnehmer am Christopher-Street-Day (CSD) in Tübingen wieder sehr anschaulich gezeigt. Die Aktion hat aber trotz Festival-Stimmung auch ein ernstes Anliegen: Nach wie vor sind queere Menschen oft Opfer von Hass und Gewalt durch homo- und transfeindliche Gruppierungen.

Dem will die queere Community aufklärend entgegenwirken, ein Netzwerk von Menschen, die lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, transgender, intersexuell oder queer sind. Bereits in ersten Feedbacks über soziale Medien lobten die Teilnehmer die friedliche und entspannte Atmosphäre bis weit in die Nacht in Tübingen, Gegendemonstranten gab es keine.

CSD widmet sich einem »superwichtigen Thema« 

Neben Herzen, Fahnen, Aufklebern und Fächer in den Farben des Regenbogens gab es auch etliche Plakate mit Solidaritätsbekundungen wie »You can’t pray away the gay« oder »Gender ist eine Verschwörung, um mehr Klos zu verkaufen«. »Ich will für Freunde und Geschwister, die divers sind, ›proud‹ sein«, begründet Dominic seine Teilnahme an der Parade. Der CSD widme sich einem »superwichtigen Thema«, ergänzt Alina. »Jeder sollte sich ausleben können, ohne Angst oder Ablehnung zu erfahren«, sagt die 24-Jährige. Man müsse queeren Menschen eine Stimme geben, sie sichtbar machen und der strukturellen Diskriminierung entgegenwirken, der sie immer noch ausgesetzt sind.

Die Atmosphäre war den ganzen Tag über friedlich und entspannt. FOTOS: MEYER
Die Atmosphäre war den ganzen Tag über friedlich und entspannt. FOTOS: MEYER
Die Atmosphäre war den ganzen Tag über friedlich und entspannt. FOTOS: MEYER

Noemi ist aus der Nähe von Bruchsaal zum CSD nach Tübingen gereist. Sie trägt ein kunstvolles Augen-Make-up in Regenbogenfarben mit viel Glitzer und Sternen. Die 25-Jährige ist zur Unterstützung da, sagt sie. »Die queere Community gehört zu mir.« Und auch wenn der Tag einem großen Fest gleichkam, habe die Aktion doch einen ernsten Hintergrund, betont sie. Dass es sich auch um eine Demonstration für die Gleichbehandlung aller Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung handelt, gerate oft in den Hintergrund. Man müsse »den Blick auch in Richtung Transrechte lenken, auf das Recht zur Selbstbestimmung, auch bei Kindern«, ergänzt Samuel, der sich selbst als quer bezeichnet.

Als Welpe vom Alltag abschalten

So sieht sich auch Vera, die in Tübingen studiert hat, und deren Eltern sie während ihres Besuchs in der Unistadt auf den CSD begleiten. Die 22-Jährige hält die Aktion für eine gelungene Art der Aufklärung, ohne Mitmenschen zu verschrecken oder als Feindbild wahrgenommen zu werden. Ihr Wunsch ist es, sich selbst verwirklichen zu können. Ihre Mutter Judith meint, das Thema Diversität sollte eigentlich gar nicht mehr erwähnenswert sein. »Es gibt aber noch viel konservatives Denken, da ist es gut, laut zu sein«, sagt die 53-Jährige aus Dortmund.

Foto: Jürgen Meyer
Foto: Jürgen Meyer

Eine besondere Gruppe auf der Parade sind die Puppys. Sie tragen Hundemasken und schlüpfen in die Rolle eines Welpen, »um den Ernst des Lebens eine Weile zu vergessen, die Kontrolle abzugeben und zu spielen«, erklärt Seburius, der seit zwei Jahren dabei ist und in Menschenjahren über 30 zählt. Die Human Pupplay-Gemeinschaft zählt in Baden-Württemberg mittlerweile rund 300 Mitglieder.

Bessere Aufklärung an Schulen

Beim Bühnenprogramm nach der Parade mit Redebeiträgen, einer Infomeile und Künstler-Auftritten vor dem Uhlandgymnasium hatten lokale queere Initiativen wie die Aids-Hilfe oder die queere Jugendgruppe Tübian die Gelegenheit, sich vorzustellen. Auf den Ernst des Themas machten auch die Redner mehrerer queerer Gruppierungen aufmerksam: Das queere Zentrum wies auf die Notwendigkeit queerer Räume hin, eine Rednerin sprach von Mehrfach-Diskriminierung als queere Person mit körperlicher Beeinträchtigung.

SYMBOLE DER QUEEREN COMMUNITY

International bekannt: die Regenbogenfahne und der rosa Winkel

LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender)-Symbole vermitteln Ideen, Konzepte und Identitäten innerhalb der queeren Community wie auch nach außen an die Mainstream-Kultur. Die Abkürzung hat sich als Kurzform für alle Geschlechter durchgesetzt, die von zweigeschlechtlichen und heterosexuellen Normen abweichen. Die Community hat sich bestimmte Symbole der Selbstidentifikation zu eigen gemacht, um Verbundenheit, Stolz (Pride), gemeinsame Werte und gegenseitige Loyalität zu zeigen. Die beiden Symbole, die international am bekanntesten sind, sind die Regenbogenfahne und der Rosa Winkel. In der Originalversion des Regenbogens mit acht Farben stand Pink für Sexualität, Rot für das Leben, Orange für das Heilen, Gelb für die Sonne, Grün für die Natur, Türkis für die Kunst, Blau für Harmonie und Lila für die Seele. Ab 2018 enthält die Fahne als Erweiterung ein Dreieck auf der linken Seite zur Einbeziehung von trans Personen: Weiß für nichtbinäre Personen, Rosa und Hellblau für binäre und trans Personen, Braun für People of Color und Schwarz für Opfer von AIDS. (GEA)

In weiteren Redebeiträgen, die auch in die Gebärdensprache übersetzt wurden, ging es um Menschenrechte und Selbstbestimmung, darunter die Abschaffung des Transsexuellengesetzes. Aber auch eine bessere Aufklärung an Schulen wurde gefordert. Gerade bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren herrsche oft eine große und mit psychischer Belastung verbundene Unsicherheit, was ihre geschlechtliche Orientierung angeht, weiß Ash Neff vom Organisationsteam des CSD-Tübingen. Auch in der Unistadt gebe es immer noch viele Menschen, »die aktiv so tun, als gebe es keine anderen Lebensprofile als die konservativen«, so Neff. (GEA)