TÜBINGEN. Eine große Hürde ist geschafft: Die Bewohner des Tübinger Wohnheims Münzgasse 13 erhalten die Möglichkeit, das Gebäude, unter Mithilfe des Mietshäuser-Syndikats in Selbstverwaltung zu übernehmen. Dafür benötigen sie in nächster Zeit möglichst viele Direktkredite, um bei den Banken ein Eigenkapital vorweisen zu können.
Dass das zuständige Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim der Veräußerung des Erbbaurechts der Münzgasse 13 an die Bewohner des Wohnheims zustimmen würde, war bis vor einem Monat noch nicht ersichtlich. Über viele Jahre scheiterten die dahingehenden Bemühungen der Bewohner, das Studierendenwerk kümmert sich auch nicht um die Instandhaltung des Gebäudes beziehungsweise dessen nötige Sanierung.
Um auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen, besetzten die Bewohnerinnen und Bewohner das Gebäude publikumswirksam am 27. Februar 2021. Sie sagten, dieser Schritt sei nötig gewesen, um zunächst einmal mit dem Studierendenwerk ins Gespräch zu kommen. Es war die zweite Besetzung nach der 1977, in deren Folge das ehemalige Polizeirevier zum Wohnheim umgewidmet wurde.
»Jetzt geht es um die Finanzierung«
Laut »Münze«-Sprecher Gregor Lilakewitsch »war und ist es Ziel, das Gebäude im Rahmen des Mietshäuser Syndikats zu erwerben und somit den Erhalt des solidarischen und selbstverwalteten Wohn- und Kulturraums zu sichern.« Demnach stimmte der Verwaltungsrat der Veräußerung des Erbbaurechts zu, auch das Land als bisheriger Eigentümer unterstütze die Übernahme des Gebäudes durch die Bewohnerinnen und Bewohner.
Das Landesfinanzministerium muss noch zustimmen. Die Voraussetzung dafür sei, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Münze 13 ein tragfähiges Sanierungs- und Finanzierungskonzept vorlegen. Für November ist die nächste Gesprächsrunde angedacht. Nach der grundsätzlichen Zustimmung müsse man dann über die genauen Konditionen, etwa die Höhe des Erbbauzinses sprechen.
Die Münze-13-Leute wurden, wie schon in den vergangenen Jahren vom Mietshäuser Syndikat, dem sie beitreten wollen, und anderen Wohnprojekten beraten und unterstützt. Aber auch von Vertretern der Politik. »Insbesondere möchten wir uns bei Tübingens Baubürgermeister Cord Soehlke bedanken. Er begleitete uns in diesem Prozess begleitet und hat unermüdlich Gesprächsrunden zwischen Studierendenwerk, VBA und uns moderiert«, so Lilakewitsch.
Laut Soehlke seien die Interessenlagen »verhärtet« gewesen und die Kommunikation in den Verhandlungen intensiv. Das Ergebnis sei die richtige Lösung für das Gebäude, ähnlich lautende Signale habe er aus dem Gemeinderat bekommen. Für die Stadt sei es ein Erfolg, wenn ein solches Gebäude spekulationsfrei werde, so der Tübinger Baubürgermeister.
»Wir beginnen nun mit dem Einwerben von Direktkrediten«
Die Arbeit sei aber keinesfalls vorbei. Das Denkmalamt habe noch etwas mitzusprechen. Vor allem aber: »Jetzt geht es um die Finanzierung«, sagte Soehlke. »Ich habe Respekt vor den Akteuren, dass sie sich darauf einlassen.« Sie streben ihr Konzept mit professioneller Unterstützung weiter zu konkretisieren, um dann umzusetzen.
Zusammen mit einer Architektin und einem Baukoordinator arbeite man intensiv daran, ein Sanierungskonzept vorzulegen, das sowohl den Ansprüchen des Denkmalamts als auch den eigenen an ein soziales und nachhaltiges Wohnkonzept gerecht werde, sagte Bewohnerin Maria Knörr: »Ganz aktuell haben wir dafür ein restauratorisches Gutachten und eines zur energetischen Sanierung in Auftrag gegeben.«
Die Hauptarbeit liegt in der Finanzierung des Projekts. »Wir beginnen nun mit dem Einwerben von Direktkrediten, sogenannten Nachrangdarlehen, bei Privatpersonen und Gruppen«, so Bewohnerin Anna Eppich. Bereits jetzt müsse man viel Geld in die Hand nehmen, etwa um als offizielle Instanz eine GmbH gründen und die Gutachten bezahlen zu können.
Die Direktkredite, die oft von Privatpersonen gewährt werden, stellen einen wesentlichen Bestandteil des Finanzierungskonzeptes dar: Sie werden bei der Bank als Eigenkapital anerkannt und ermöglichen so die Aufnahme eines Bankkredits zu besseren Konditionen. (GEA)