Logo
Aktuell Literatur

Der Tübinger Autor Rainer Imm las im Kusterdinger Klosterhof aus seinem Roman

Von links: Rainer Imm, Udo Zepezauer und Bernhard Mohl unterhielten mit Texten und Klängen im Kusterdinger Klosterhof.  FOTO: ST
Von links: Rainer Imm, Udo Zepezauer und Bernhard Mohl unterhielten mit Texten und Klängen im Kusterdinger Klosterhof. FOTO: STRAUB
Von links: Rainer Imm, Udo Zepezauer und Bernhard Mohl unterhielten mit Texten und Klängen im Kusterdinger Klosterhof. FOTO: STRAUB

KUSTERDINGEN. Der Tübinger Autor Rainer Imm erzählt in seinem Roman »Stahlberg & Co.« eine abenteuerliche Kleinstadt-Geschichte – eine Neuauflage des Spiels von Klein gegen Groß in der schwäbischen Provinz. Der Held heißt Marek Stahlberg: hauptberuflich Banker, in seiner Freizeit Aushilfe in der Videothek der Eltern. Die ist ebenso wie das gesamte alte Mühlenviertel von Immobilienspekulanten bedroht, die dort Luxuswohnungen errichten wollen.

Am Freitagabend las Imm aus seinem 2022 erschienenen Buch im Kusterdinger Klosterhof vor 20 Zuhörerinnen und Zuhörern. Unterstützt wurde er dabei von Schauspieler Udo Zepezauer, der beispielsweise Stahlbergs Chef Windhorst (ohne Vornamen, dafür mit Fliege und stark parfümiert) in der Bank gab.

Revolutionslieder angestimmt

Zepezauer brachte die zuweilen überzogenen Dialoge gut zum Ausdruck. Stahlberg, gelesen von Imm selbst, plagen Zweifel an der Bank und deren Integrität. Während einige undurchsichtige Unternehmen viele Millionen erhalten, bekommen kleine Betriebe nicht einmal ein paar Tausend Euro. Im militärischen Ton erklärt Windhorst bei der Verabschiedung in den Urlaub, dass die Zusammenarbeit bald wieder »harmonisch« werde. Gitarrist und Sänger Bernhard Mohl steuerte die passenden Klänge und Revolutionslieder bei. Und er fragte zuweilen, was sich manch einer dachte: »Ist das ein historischer Roman?«. Jüngere Leute kennen gar keine Videotheken mehr. »Es gibt in Deutschland immer noch Hunderte Videotheken«, entgegnete Imm. Zum einen, weil Leute ihre Daten nicht preisgeben wollen, zum anderen mangels Internet, was aber wohl in Tübingen nicht gelten dürfte.

Während die Eltern im Urlaub sind, kümmert sich Marek Stahlberg jedenfalls um den Laden. Dort treffen sich nicht nur Filmliebhaber aus allen Schichten und Lebensbereichen. Es wird diskutiert, Kaffee getrunken, philosophiert und schließlich gehandelt: Die kleine Kiezgemeinschaft will sich ihren anachronistischen Ort partout nicht nehmen lassen und stemmt sich mit Ideenreichtum gegen die scheinbare Übermacht der Finanzinvestoren.

In einer immer harscher werdenden Realität schlägt Imm zuweilen märchenhafte Töne an und spürt damit dem Autoren Nick Hornby und den Filmemachern Ken Loach und Aki Kaurismäki nach.

Imm verwendet in seinen Büchern Personenregister. »Die brauche ich auch für mich selbst. Denn nach drei Tagen Schreibpause weiß ich keine Namen und Handlungen mehr«, sagte Imm. Im Buch wird die Zeitung »Tübinger Chronik« zitiert, die sich den Neubauten von Bauträger Wolf statt sozialen Renovierungen widmet. Amüsant war, wie Zepezauer den Tübinger Baubürgermeister in breitem Schwäbisch gab.

Tanzeinlage inklusive

Die Bewohner des Viertels jedenfalls geben sich so schnell nicht geschlagen und entwickeln ungewöhnliche Protestaktionen. So organisieren sie zum Beispiel einen Flashmob zu Michael Jacksons »Beat it« vor dem Rathaus und rufen: »Haut ab, das Viertel gehört uns.« Imm zog weiße Handschuhe an und setzte einen Hut auf, um sich zu einigen Takten auf der Klosterhofbühne ganz im Stile Jacksons zu bewegen. Während der Oberbürgermeister auf dem Rathausbalkon applaudiert, provoziert die Aktion einige Passanten zu Handgreiflichkeiten. Endlich etwas Aktion! Etwas stereotyp und ermüdend waren Schilderungen eines schnöseligen BWL-Professors, der seine Studenten zum Zuhören zwingt. Auch vier Syrer, die gerade ein Theaterstück einüben, und spontan Stahlberg bei einem Gerangel nach der »illegalen Aktion« zu Hilfe eilen, wirken doch etwas aufgesetzt.

Amüsant waren auf Kusterdingen bezogene Reime von Imm, Zepezauer und Mohl, beispielsweise: »Fühlst Du Dich grau und doof, gehst Du in den Klosterhof.« Oder, in leicht gebrochenem Deutsch: »Hast Du von Kultur keinen Dunst, holst Du Dir Tipp von AK Kunst.« (stb)