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Aktuell Identität

Zwei Sprachen, zwei Heimatländer

TÜBINGEN. Zwei Sprachen, zwei Nationalitäten, zwei Kulturen, zwei Heimländer, das ist meine alltägliche Realität, über die ich Ihnen gerne ein bisschen erzählen will. Viele Erwachsene fragen mich, ob ich denn zweisprachig aufgewachsen sei. »Ja, meine Mutter spricht mit uns zuhause immer Dänisch« antworte ich darauf meistens.

Geheimsprache

Für mich ist das aber kein Thema, ich kenne mindestens drei Familien, in denen das so ist. In einer reden die Kinder sogar schon drei Sprachen. Das Praktische dabei ist, dass meine Familie und ich eine » Geheimsprache« haben. Wenn ich also mit meinem Bruder morgens in die Schule fahre, können wir uns ohne Probleme über den Kleidungsstil unseres Sitznachbarn unterhalten, ohne dass er (hoffentlich) etwas versteht.

Meine Brüder und ich haben in der Grundschule nicht so gute Deutschnoten gehabt wie unsere Freunde, aber jetzt im Gymnasium haben wir ein Vorteil beim Fremdsprachen lernen - wir sind einfach gewohnt zwischen zwei Sprachen hin- und herzuwechseln.

Doch zu einer Doppelnationalität gehören nicht nur die Sprachen. In den Sommer- und Pfingstferien sind wir in Dänemark. Zwei Monate im Jahr sind sehr wenig, wenn man bedenkt, dass ich mich genauso dänisch wie deutsch fühle.

Wenn ich dann in Dänemark bin, muss ich erst mal umschalten. Ich begehe öfters mal den Fehler, Leute zu Siezen. Das ist dort sehr altmodisch. Das tut höchstens mein Opa, wenn er einen anderen alten Mann trifft. Das ist aber nur ein kultureller Unterschied.

Weihnachten zum Beispiel feiert man ganz anders. Die ganze Familie trägt Nikolausmützen und tanzt zur Musik um den Weihnachtsbaum. Auch das Essen ist ganz anders. In Dänemark gibt es eine viel größere Auswahl an Milch- und Joghurtprodukten als hier in Süddeutschland, dafür gibt es dort keine Brezel oder anderes Gebäck dieser Art.

Mit 21 Jahren muss ich mich entscheiden. Meine Sprachen und meine Identität kann man mir nicht nehmen, meine doppelte Nationalität schon. Einen »Arm« werde ich auf jeden Fall verlieren - fragt sich nur, ob es der dänische oder der deutsche sein wird. (ZmS)



Ylva Wellsandt, Wildermuth-Gymnasium, Tübingen, Klasse 9 a