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Aktuell Geschichte

Zeitsprung ins Mittelalter

Wie der Campus Galli in Meßkirch das Klosterleben im neunten Jahrhundert erlebbar macht

Lilly Baur aus Mössingen hat auf dem Campus Galli in Meßkirch eine 90-minütige Führung mitgemacht. FOTO: ZMS
Lilly Baur aus Mössingen hat auf dem Campus Galli in Meßkirch eine 90-minütige Führung mitgemacht. FOTO: ZMS
Lilly Baur aus Mössingen hat auf dem Campus Galli in Meßkirch eine 90-minütige Führung mitgemacht. FOTO: ZMS

MESSKIRCH. Klopfen, Sägen, Hämmern und ab und zu Glockenläuten. Im Campus Galli in Meßkirch ist immer was los. Das »Hofgut des Gallus«, wie es übersetzt heißt, zeigt, wie man im 9. Jahrhundert ein Kloster gebaut hat, und zwar unter den gleichen Bedingungen wie zur damaligen Zeit. Das Projekt startete im Jahr 2012. Die Idee dazu hatte Vert M. Geurten schon 2005, aber er und Verena Scondo fanden keine Investoren. »Bei vielen Gemeinden wurde ihnen oft der Vogel gezeigt, was das denn für eine blöde Idee sei«, erzählt eine Verkäuferin des Shops im Campus. Als schon fast die Hoffnung verloren war, erklärte sich die Stadt Meßkirch bereit, ein 25 Hektar großes Gelände bereitzustellen. Dank eines gemeinnützigen Vereins können Besucher dort seit 2013 das Mittelalter hautnah erleben.

»Man kann vom Mittelalter viel für die heutige Zeit lernen«

Sobald man den Eingang hinter sich gelassen hat und ein Stück in den Wald gelaufen ist, fühlt man sich über 1 100 Jahre zurückversetzt. Die Arbeiter tragen alte Kleidung, es gibt keine gepflasterten Wege und man sieht überall Hühner frei herumlaufen. Auch die beiden Hausschweine Rippchen und Kotletti, die auf eine alte Rasse zurückgezüchtet wurden, passen in diese Umgebung. Auf Tierschutz wird aber genauso geachtet wie auf den Personenschutz, obwohl die Angestellten hier wie damals unter harten Bedingungen arbeiten. Trotz des mittelalterlichen Kostüms tragen sie Arbeits- statt Holzschuhe und ab und zu sogar Schutzkleidung. Ein Feuerlöscher darf bei manchen Berufen nicht fehlen.

Bei der 90-minütigen Führung wird auch die Entstehung des Plans gezeigt. Vor rund 900 Jahren malten die Benediktiner-Mönche der Insel Reichenau diesen auf Pergament und schenkten ihn dem Abt Gozbert von Sankt Gallen. Das frühmittelalterliche Kloster wurde aber nie umgesetzt und geriet in Vergessenheit. Erst sehr viel später wurde der Plan auf einem Dachboden wiedergefunden. Da damals Pergament kostbar war, benutzte ein Unbekannter den Plan, um die Lebensgeschichte des heiligen Sankt Martins aufzuschreiben. Die Rückseite war ihm dafür zu klein, weshalb er das Pergament umdrehte und mit einem Messer ein größeres Gebäude in der Ecke auskratzte. Die Funktion dieses Hauses ist deshalb unbekannt.

Ein Drechsler zeigt im Campus Galli, wie im Mittelalter gearbeitet wurde. FOTO: DPA
Ein Drechsler zeigt im Campus Galli, wie im Mittelalter gearbeitet wurde. FOTO: DPA
Ein Drechsler zeigt im Campus Galli, wie im Mittelalter gearbeitet wurde. FOTO: DPA

Das ist nicht das einzige Problem für die Archäologen und Wissenschaftler, die die älteste Architekturzeichnung Europas analysieren. Der Plan ist nämlich nicht maßstabsgetreu. Außer beim Steinkloster fehlen überall die Längenangaben. Man weiß nicht, mit welchen Werkzeugen oder Materialien gebaut werden sollte. Früher baute man alles mit der Maßeinheit »Fuß«, die aber regional unterschiedlich ausfällt. Campus Galli verwendet den karolingischen Fuß, da es auch eine karolingische Klosterstadt werden soll. Dieser ist 32,24 Zentimeter lang.

Das Team muss trotzdem noch einen modernen Architekturplan von dem alten Pergament ableiten, sich viel zusammenreimen oder an der Burg Guédelon, ihr Vorbild in Frankreich, orientieren. Diese wird auch mit mittelalterlichen Vorschriften gebaut und soll in drei Jahren fertig werden. Im Gegensatz zu Guédelon sieht man bei Campus Galli noch nichts vom Herzstück: dem Kloster. Auf die Frage, ob es jemals fertig werde, meinte man bei der Führung, dass es voraussichtlich noch 50 oder 60 Jahre lang dauern werde, bis die 41 Gebäude fertiggestellt würden.

»Früher hat man mit Körben sogar Wasser und Glut transportiert«

Die Arbeiter bauen immer das Gebäude, das im Moment benötigt wird. Daher kam als Erstes der Hühnerstall, um Eier zum Essen zu haben. 2017 wurde eine kleine Holzkirche gebaut, obwohl sie nicht auf dem Pergament abgebildet ist. Aber die Archäologen gingen davon aus, dass die Mönche damals ihre Lebensaufgabe, die aus arbeiten und beten bestand, nicht ohne sie gemacht hätten. Die Bronzeglocke wurde auf dem Gelände vor Zuschauern gegossen. Man benötigte dafür drei Versuche, was für die damalige Zeit sicher sehr gut gewesen wäre. Die Glocke schlägt viermal pro Tag, was man auf dem gesamten Gelände hört.

Doch bevor man bei der Führung daran vorbei kommt, sieht man auf dem Campus Galli noch viele, der 50 bis 60 Arbeiter. Egal ob Schreiner, Steinmetz oder Drechsler: Bei jedem erfährt man neue Dinge. Die Korbmacher zum Beispiel meinen: »Früher hat man wirklich alles mit Körben transportiert, sogar Wasser oder die Glut. Dabei hat man den Korb mit Birkenpech oder Lehm ausgestrichen und ihn somit verfestigt.«

Auf dem Gelände arbeiten Festangestellte, Ehrenamtliche und Arbeitslose, denen das Projekt hilft, wieder Fuß zu fassen. Dennoch schläft keiner von ihnen auf dem Gelände, das wäre trotz der vorhandenen Hütten eine zu große Zumutung, vor allem im Winter. Die 200 Arbeitstage, die die Arbeiter auf dem Gelände verbringen, laufen fast immer gleich ab. Erst gibt es eine Morgenrunde, in der besprochen wird, was zu tun ist, dann geht es auch schon los. Jeder hat eine eigene kleine Werkstatt oder eine Hütte, die meistens mit Schindeln oder Stroh gedeckt ist.

Auf die Frage, was er am Mittelalter besonders mag, meint der Chef dieses Projekts, der Archäologe Dr. Hannes Napierala, er fände die Vergangenheit faszinierend. »Man kann viel vom Mittelalter lernen und stellt dann einiges aus unserer Zeit infrage. Es ist auch toll zu sehen, wie ›modern‹ die Menschen früher gedacht haben«, sagt Napierala.

Das Ziel, Menschen die Bedeutung eines Klosters und verschiedene Handwerkstechniken nahezubringen, ist Campus Galli schon gelungen. Man kann mitverfolgen, wie die Gebäude sich entwickeln. Schon in einem Jahr kann das Gelände ganz anders aussehen und ist einen erneuten Besuch wert. (ZmS) Lilly Baur, Evangelisches Firstwald Gymnasium Mössingen, Klasse 8a