Die ehemalige Kapelle ist jetzt der Chorraum, er hat vier schöne, kleine runde Fenster. Das kann man schon von außen gut sehen. Aber wir wollten ja auch nach innen. Deshalb hatten wir uns bei dem zuständigen Pfarrer Rainer Schmid schon ein paar Tage vorher angemeldet. Er kam sehr pünktlich angeradelt und hatte den großen Kirchenschlüssel mitgebracht. Mit dem durfte einer von uns die Kirchentür aufschließen. Und dann führte uns Herr Schmid gleich in die Sakristei.
Schwerer als erwartet
Dort zieht sich der Pfarrer vor dem Gottesdienst um. Die Sakristei ist recht klein, und als wir uns alle reingedrängt hatten, konnte man sich kaum noch rühren. Zuerst knipsten wir im Stromkasten alle Schalter an, damit die Lichter in der Kirche brannten und sie schön beleuchtet war. Danach zeigte uns der Pfarrer die verschiedenen Altardecken. Eine ist zum Beispiel für den Totensonntag, eine für den Advent, eine für Weihnachten, eine für Ostern.
Dann verließen wir die Sakristei wieder und beguckten uns den Altar: Die Decke für das Erntedankfest lag gerade drauf. Dahinter standen zwei große weiße Kerzen, die wir anzünden durften. Auf der Decke lagen eine große schwere Bibel und das Gesangbuch. Die Bibel hat jeder in die Hand nehmen dürfen, und da merkten wir, dass sie noch viel schwerer ist, als wir uns vorgestellt hatten.
Hinter dem Altar hängt ein großes Holzkreuz mit Jesus. Und rundum sind die vier kleinen Fenster mit den Glasbildern. Darauf sind vier verschiedene Menschen abgebildet: Martin von Tours Georg der Drachentöter, Christophorus der Christusträger und Katharina von Alexandria. Danach haben alle zusammen ganz kräftig das Lied gesungen »Danke für diesen guten Morgen«.
Den nötigen Schwung verpasst
Und jetzt kam etwas ganz besonders Wichtiges, für uns das Wichtigste von dieser Kirche überhaupt: An der Seite neben der Sakristei hängt von der Decke ein dickes Seil mit einem Knoten daran herunter. Das ist nämlich der Glocken-strang, an dem durfte jeder von uns nacheinander ziehen. Das war vielleicht was! Wir läuteten die Glocke so stark wir konnten, dass man sie auch draußen überall hören konnte. In Hayingen wird nämlich die Kirchenglocke noch von Hand geläutet und nicht elektrisch. Da muss man sich schon ordentlich reinhängen, denn die Glocke wiegt 70 Kilogramm und bewegt sich nur, wenn man unten kräftig dran zieht. Aber wir haben ihr den nötigen Schwung verpasst!
Sie wird nur sonntags vor dem Gottesdienst geläutet. Die Leute im Dorf wissen, dass sie nicht zum Gottesdienst kommen können, wenn wochentags die Glocke ertönt. Das sind dann eben Besucher wie wir, die die Glocke ausprobieren dürfen. Neben dem Glockenstrang steht der Taufstein mit einem Holzdeckel drauf. Auf dem Taufstein kann man lesen: »Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe.« Eine Friedenstaube ist auch noch drauf. Mitten auf dem Taufstein stand ein schöner großer Herbstblumen-Strauß.
Einer von uns holte die kleine Fußbank. Eigentlich ist die Bank nur für Brautpaare bei der Hochzeit und für die Konfirmanden an der Konfirmation, aber wir haben uns probeweise nacheinander auch mal draufgekniet. Dann haben wir gefragt, warum da so eine einzelne Orgelpfeife auf einem Stuhl herumsteht. Da hat Herr Schmid gesagt, die benutze man gerade wie einen Opferkasten oder eine Sparbüchse. Die Kirche sammelt nämlich Geld für eine neue Orgel, und in die Orgelpfeife kann man eine Geldspende werfen. Das haben wir dann auch getan. Die jetzige Orgel hat Herr Schmid ein bisschen für uns gespielt. Das klang sehr feierlich, und wir haben ganz still zugehört. Die kleinen Pfeifen geben hohe und die großen die tiefen Töne.
Steile Stufen zum Dachboden
An der Wand entlang hingen an einem gespannten Seil viele Bilder, die Kinder gemalt hatten. Wir haben diese Bilder abgenommen und mit farbigen Wäscheklammern neue drangehängt, alle zum Thema »Mose und das rote Meer«. Dann hat einer von uns einen riesig langen Haken geholt, damit zog der Pfarrer oben von der Decke eine Scherenleiter herunter. Die war steil und schmal und führte auf die Kirchenbühne. Ein paar von uns haben sich getraut, da rauf zu klettern und zu gucken, was oben ist.
Da gab es allerdings nur ein Fenster und ein paar Dachplatten, mehr konnte man nicht sehen. Also überhaupt nichts von einem Geist oder wenigstens ein paar kleinen Kirchenmäusen! Zum Abschied zogen alle, die Lust dazu hatten, nochmals kräftig an dem Glockenseil. Die Glocke bimmelte wieder ganz schön laut. Schade, dass wir keine Konfirmanden in Hayingen sind. Deren Aufgabe ist es nämlich, Sonntag morgens vor dem Gottesdienst zu läuten. Uns würde das richtig Spaß machen. Und wir wären ja auch genug Jungen und Mädchen zum Abwechseln. (ZmS)
Athanasios, Florian, Jessica, Julia, Ramona, Saskia und Vassilios, Peter-Rosegger-Schule Reutlingen