REUTLINGEN. Geboren bin ich am 28. November 2005 an einem herbstlichen Freitag, um 8.35 Uhr in Pancevo, einer Stadt in Serbien. Dort verbrachte ich auch die ersten zehn Jahre meiner Kindheit. Es war eine unvergesslich schöne Zeit, voller glücklicher Momente mit meinen Freunden und meiner Familie. Mit den Kindern aus der Nachbarschaft spielte ich oft Gummitwist. Im Winter bauten wir gerne Zelte aus Stühlen und spielten darunter. Wir hatten so viel Fantasie, dass es nie langweilig wurde.
Was unsere Freizeit störte, waren die vielen Hausaufgaben. Ich hatte eine sehr liebevolle und tolle Lehrerin. Heute noch denke ich oft an sie und besuche sie im Urlaub. Die Schulzeiten in Serbien sind anders als in Deutschland. Eine Woche lang hat man erst am Nachmittag und eine Woche schon kurz vor 8 Uhr Schule. Unter der Woche hatte ich nicht viel Zeit zum Spielen, da wir alle viel lernen mussten. Dafür aber trafen wir Freunde uns am Wochenende. An Wochenenden hatten wir oft Besuch oder wir waren bei jemandem zu Besuch. Dann kam dieser eine Abend, der mein Leben veränderte.
»Ich wollte nicht, dass irgendjemand von uns weggeht«
Abends schaute ich meistens meine Lieblings-Fernseh-Serie. Ich hörte, wie mein Papa meine Mama fragte, ob sie mit ihm nach Deutschland ziehen möchte. Er hatte ein Angebot bekommen, dort arbeiten zu können. Dieses würde er nur annehmen, wenn Mama damit einverstanden ist. Ich hörte nur das » Ja« meiner Mutter und die Tränen liefen mir übers Gesicht. Ich wollte nicht, dass irgendjemand von uns weggeht.
Doch dann ging alles sehr schnell. Papa packte die Koffer und reiste zunächst alleine nach Deutschland. Nachdem Papa eine Wohnung gefunden und Deutsch gelernt hatte, kamen meine Mama und mein kleiner Bruder zu ihm. Ich blieb bei meinen Großeltern in Serbien, um das Halbjahr in der Schule zu beenden. Diese Zeit ohne meine Eltern und ohne meinen Bruder war sehr traurig für mich. Meine Großeltern versuchten, die Liebe meiner Eltern zu ersetzen, aber ich fühlte mich dennoch einsam. Der einzige Mensch, der mich wirklich trösten konnte und viel mit mir über meine Sorgen gesprochen hat, war meine Uroma.
Obwohl sie schon sehr alt war, war sie wie eine beste Freundin für mich. Der Tag, an dem ich Abschied von meiner Heimat nehmen musste, war kurz nach meinem zehnten Geburtstag. An diesem Tag war es sehr kalt und der Himmel schien grau. Mein Onkel und meine Oma brachten mich zur Bushaltestelle, von wo aus ich nach Deutschland fahren sollte. In der Hand hielt ich ganz fest mein Kuscheltier. Ich wusste, dass dies ein Abschied von meinem bisherigen Leben sein wird. Es wird niemals mehr so sein, wie ich es kannte und liebte. Ich hatte Angst, wie alles sein wird. Meine bisherige Heimat verließ ich dann mit einem Reisebus und fuhr in ein Land, das ich nicht kannte.
»Die neue Klasse gefiel mir sehr und ich habe viele Freunde gefunden«
Nach etwa 15 Stunden Fahrt kam ich mitten in der Nacht in Reutlingen an. Voller Freude erwartete mich mein Papa und wir gingen in unser neues Zuhause. Ich fühlte mich in dieser Nacht unbeschreiblich glücklich, da wir als Familie wieder zusammen waren. Mit dem neuen Zuhause kam auch die neue Schule. Ich konnte die Sprache überhaupt nicht und musste mich ganz schnell an alles Neue gewöhnen. Mathematik und Englisch waren meine Lieblingsfächer, da ich auch ohne Sprachkenntnisse zeigen konnte, wie gut ich bin.
Um schneller Deutsch zu lernen, ging ich regelmäßig in die Bibliothek und lieh mir Bücher aus. Das hatte sich gelohnt, denn nach einem Jahr in Deutschland schaffte ich es auf die Realschule. Mein neuer Klassenlehrer half mir in Deutsch sehr viel und machte mir Mut. Ich bin ihm sehr dankbar dafür. Die neue Klasse gefiel mir sehr und ich habe viele Freunde gefunden. Mit vielen von ihnen verbringe ich auch meine Freizeit. Reutlingen ist zu meiner neuen Heimat geworden, in der ich glücklich bin. (ZmS)Andrea Földesi, Eichendorff-Realschule Reutlingen, Klasse 7e