ZMS: Können Sie uns konkret beantworten, wie eine Seuche entsteht und Wege, wie sie sich weiterverbreiten kann?
Herbert Schmidt: Es ist schwer, diese Frage konkret zu beantworten. Auf der Erde gibt es viele Bakterien und ziemlich viele Mikroorganismen. Das bedeutet, wir sind quasi ständig umgeben davon. Darunter gibt es auch eine Reihe Krankheitserreger. Alle Bakterien haben einen Platz, den sie bevorzugen, wir nennen diesen Ort Reservoir. Wenn man als Beispiel Salmonellen nimmt, liegt deren Reservoir überwiegend in Geflügelinnereien. Dort geht es ihnen gut, und sie können sich dort von den Nährstoffen, die das Tier zu sich nimmt, ernähren. Eine solche Salmonelle macht dem Tier nichts aus. Wird sie jedoch auf den Menschen übertragen, sei es über nicht durchgebratenes Fleisch oder schlecht gekochte Eier, kann es zu schlimmen Krankheiten kommen. EHEC hat als ein solches Reservoir auch Tierdärme, wobei diese Bakterien als Düngemittel für Sprossen in Ägypten verwendet wurden. Die Sprossen wurden nach Deutschland importiert und in große Keimungsanlagen gebracht, wo die Samen davon in große Trommeln gegeben wurden. Bei 30 Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit keimen sie 24 Stunden lang aus, und wenn ein Sprossensame mit den Bakterien kontaminiert ist, wird diese alle anderen Sprossen auch kontaminieren. Denn Bakterien mögen es warm und können sich gut verbreiten. Danach hat man das Endprodukt verpackt, und es wurden die ganzen Sprossen auf dem Großmarkt verkauft. So übertrug sich EHEC auf den Menschen. Das ist ein Weg, wie Seuchen entstehen können. Ein weiterer Weg wäre zum Beispiel durch verunreinigtes Trinkwasser oder andere Vektoren, wie Zecken und Moskitos. In Deutschland haben wir glücklicherweise einen sehr hohen Standard in Sachen Trinkwasser, was früher anders war. Denn um 1890 gab es in Deutschland eine große Cholera-Epidemie. Ebola verbreitet sich über Kontakt durch Körperflüssigkeiten, zum Beispiel Blut. Wenn dann, wie momentan in Afrika, sehr unhygienische Verhältnisse herrschen, kann sich etwas Derartiges sehr schnell übertragen. Auch wird davon ausgegangen, dass als Reservoir zusätzlich Flughunde dienen und es so auch noch über die Nahrung übertragen wird.
Welche Maßnahmen kann man gegen eine bereits ausgebrochene Seuche ergreifen?
Schmidt: Als Privatperson ist es schwierig, Maßnahmen dagegen zu ergreifen, außer sich von großen Menschenmengen fernzuhalten, da sich dort der Erreger am Liebsten verbreitet. Wir haben für solch einen Fall in Deutschland ein gutes Gesundheitssystem. Auch wenn man weiß, dass ein Bekannter so was hat, sollte man ihm nicht zu nahe kommen. Wenn man jedoch im Krankenhaus oder in einem Krisengebiet arbeitet oder sich aufhält, sollte man sich dagegen ausreichend schützen, indem man den Übertragungsweg erkennt und Maßnahmen dagegen ergreift. Im Fall von Ebola wäre das sehr schwer, aber mit ausreichenden Hygiene-Maßnahmen machbar.
Was würde passieren, wenn sich Ebola in Europa weiterverbreiten würde?
Schmidt: Darüber möchte ich gar nicht nachdenken müssen. So einen Fall hatten wir in Deutschland bisher noch nicht. In Deutschland gibt es ein Seuchengesetz, nach dem im Fall der Fälle Schutzmaßnahmen ergriffen würden. Sicherlich gäbe es Ausgangssperren, bis die Krankheit von den Behörden in den Griff gebracht wurde. Wir haben ein besseres Gesundheitssystem, deshalb denke ich, dass es nicht zu einem solchen Ausmaß kommen könnte wie in Afrika. Was man bereits in Deutschland macht, ist, dass man Ärzte zum Thema Ebola weiterbildet, weil sich die meisten damit noch nie befasst haben.
»Wir sind ständig von Mikroorganismen umgeben«Wie lassen sich Viren und Bakterien bei einem Menschen bekämpfen?
Schmidt: Vorab sind Viren und Bakterien zwei unterschiedliche Mikroorganismen, denn Bakterien haben einen eigenen Stoffwechsel, da kann man zum Beispiel die Vermehrung unterbinden. Bei Viren wie Ebola gibt es noch kein Gegenmittel. Vorbeugen kann trotzdem bei den meisten Viren, indem man sich impfen lässt. Da man sich bei Ebola aber weder impfen noch behandeln lassen kann, wird daran geforscht und versucht, ein Gegenmittel herzustellen.
Ein spezielles Heilmittel hat bei einem Ebola-Patienten geholfen, warum wird es nicht weiterproduziert?
Schmidt: Es kann sein, dass es tatsächlich geklappt hat und das Immunsystem darauf ansprang. Aber es war wahrscheinlich eher ein Zufall, der die Viren bekämpft hat. Selbst wenn es geholfen hat, muss man das Mittel erst testen, denn es könnte manche Menschen heilen und andere dafür umbringen. Es gibt bestimmte Fälle, bei denen Menschen durch Gegenmittel gestorben sind. Man sollte es erst großläufig an Menschen und Tieren testen, bevor man es in großen Zahlen verkauft. Bis zu 20 Jahre kann so ein Prozess dauern.
Was halten Sie von Verschwörungstheorien, die besagen, dass Pharmaunternehmen Menschen gezielt ein Virus injizieren, um das entsprechende Gegenmittel zu verkaufen?
Schmidt: Ich denke, dass solche Theorien blanker Unsinn sind. Ich habe schon von so vielen Verschwörungstheorien gehört über die ganzen Jahre, dass ich mir so etwas kaum vorstellen kann. Diese Unternehmen haben bereits so viel Geld, dass sie gar kein Motiv hätten, eine Seuche absichtlich zu verbreiten.
Glauben Sie, dass es zu einer globalen Verbreitung kommen kann?
Schmidt: Das glaube ich nicht. Bisher sind zwar viele Menschen infiziert, aber die Bevölkerung ist gewarnt und es wird vorgesorgt an Flughäfen, damit keine Infizierten unter die Bevölkerung gelassen werden. Ein Horror-Szenario wäre es natürlich, wenn es sich wie die Spanische Grippe oder die Pest, verbreiten würde.
Wie, glauben Sie, wird das Ebola-Virus gestoppt, und wann wird es so weit sein?
Schmidt: Erst einmal sollte man die noch weitere Verbreitung unterbinden. Außerdem wird momentan schon unter Hochdruck an einem Heilungsmittel und einem Impfstoff geforscht. Auch die Hygienemaßnahmen wurden erhöht, und ich schätze, dass die Verbreitung langsam abnimmt. Wie lange es noch dauern wird, kann ich auch nicht sagen, doch in wenigen Wochen oder Monaten endet es sicherlich noch nicht.
Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?
Schmidt: Ich habe mich schon immer für Biologie interessiert, weshalb ich es nach dem Abitur auch begann zu studieren. Dabei faszinierte mich am meisten die Molekular-Biologie, die auch mit der Mikrobiologie zusammenhängt. So kam ich dann nach Würzburg und schließlich vor zehn Jahren nach Stuttgart, wo ich mich 2011 mit dem Fall EHEC auseinandersetzte. Momentan befasse ich mich außerdem mit der Lebensmittel-Biologie, zum Beispiel, welche Bakterien sich auf dem Salat befinden, den man fertig verpackt im Supermarkt kaufen kann.
Wie sieht Ihr Alltag als Mikrobiologe aus?
Schmidt: Da ich Professor bin, lehre und forsche ich. Ich lehre etwa zu 50 Prozent meiner Arbeitszeit und befasse mich in der restlichen Zeit selbst mit Forschungen. In der Zeit, in der ich lehre, muss ich natürlich den Unterricht vorbereiten, halte Lesungen, erstelle Klausuren und korrigiere diese auch. In unserem Labor arbeite ich mit 15 Personen zusammen. Diese sind technische Assistenten, promovierte Forscher oder Studenten. Diese betreue ich natürlich mit, sitze aber allerdings überwiegend in meinem Büro und versuche Forschungsgelder einzuwerben, führe dafür viele Forschungsgespräche, schreibe Berichte, aber fahre auch oft mit auf Tagungen, wenn wir Erkenntnisse haben, und stellen diese dort vor.
»Wenn ein Drittel der Versuche klappt, hatte man wirklich Glück«Gab es so etwas wie einen Höhepunkt oder ein ganz spezielles Erlebnis in ihrer Laufbahn als Mikrobiologe?
Schmidt: Nein, es gab keinen richtigen Höhepunkt. Aber der lange Fall mit EHEC, an dem ich arbeitete, war sehr interessant, weil es ja gerade in Deutschland nicht oft zu einem solchen Ereignis kommt. Dadurch hatte ich viel mit der Lebensmittel-Industrie zu tun. Ich hatte damals auch ein Gutachten geschrieben, weil vermutet wurde, dass EHEC über den Bockshornklee übertragen wird. Ansonsten lässt sich als Mikrobiologe sagen, dass, wenn ein Drittel der Versuche klappen sollte, und die anderen beiden Drittel zu keinem Ergebnis führen, man wirklich Glück hatte.
Wir nehmen als Fazit mit, dass die Mikrobiologie eine sehr komplexe Form der Wissenschaft ist. Wir hoffen, dass der Fall Ebola zu einem sehr schnellen, guten Ende kommen wird. (ZmS)
Lukas Holder und Andrej Skeledzija, Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium Metzingen, Klasse 9 b