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Aktuell Drogen

Wenn Genuss zur Sucht wird

TÜBINGEN. Immer mehr Jugendliche greifen zu Alkohol - eine traurige aber wahre Erkenntnis. Ich habe zu diesem Thema eine nicht repräsentative Umfrage gemacht. Die Frage: » Trinkt ihr regelmäßig Alkohol und weshalb?« Einige Antworten dazu: »Um in Stimmung zu kommen.« - »Ich löse meine Probleme damit.« - »Manchmal trinke ich aus Langeweile.« - »Alkohol trinken macht mir Spaß.« - »Wenn ich trinke, habe ich weniger Hemmungen.« - »Mir schmeckt es.«

Lecker! Olympiasiegerin Lena Schöneborn (Moderner Fünfkampf) stellt auf einer Pressekonferenz in Berlin die Kampagne "Don't drin
Lecker! Olympiasiegerin Lena Schöneborn (Moderner Fünfkampf) stellt auf einer Pressekonferenz in Berlin die Kampagne »Don't drink too much - Stay gold« vor. Sie warnt vor den Schattenseiten exzessiven Alkoholkonsums. Foto: dpa
Lecker! Olympiasiegerin Lena Schöneborn (Moderner Fünfkampf) stellt auf einer Pressekonferenz in Berlin die Kampagne »Don't drink too much - Stay gold« vor. Sie warnt vor den Schattenseiten exzessiven Alkoholkonsums.
Foto: dpa
Ehe wir diese Antworten hinterfragen, beginnen wir die Lebensgeschichte eines Jugendlichen zu reflektieren, der anonym bleiben möchte: "Ich habe schon sehr früh damit angefangen, Alkohol zu konsumieren. Mit elf Jahren habe ich zum ersten Mal hochprozentigen Alkohol getrunken. Natürlich gab es kein Wochenende, an dem wenig oder gar kein Alk getrunken wurde. Man gab sich quasi die Kante. Richtig übertrieben habe ich es dann mit 14, ich landete zum ersten Mal im Krankenhaus.

Krankenhaus und Koma

Meine Eltern waren nicht geschockt, denn in vier Jahren hatten sie alles versucht, mich vom Alkohol loszubringen. Jedes Wochenende musste ich mir anhören, wie gefährlich es sei und wie besorgt sie doch seien. Sie wollten sich nicht an das Jugendamt wenden, da sie zu viel Angst hatten, mich zu verlieren. In eine Suchtklinik wollten sie mich auch nicht stecken, weil es ihnen peinlich war, da sie mich nicht unter Kontrolle hatten. Irgendwann schalteten sie einfach ab und ließen mich in Ruhe, sie wollten nicht, dass die Außenwelt mitbekam wie 'hängen geblieben' ich war.

Mir war das alles natürlich egal, denn ich wollte cool bei meinen Freunden sein und Spaß haben. Es wurde immer heftiger und immer mehr. An den Wochenenden missbrauchte ich förmlich den Alkohol, denn es machte mir Spaß, mich sinnlos zu betrinken. Denn dann wurde ich lockerer, und es machte viel mehr Spaß, abzufeiern, außerdem war es so leichter für mich, einfach mal abzuschalten. Mein Körper war so daran gewöhnt, dass ich trinken musste. Ich brauchte es wirklich, denn sonst wurde ich hibbelig und nervös, ich war also abhängig geworden. Ich selber bemerkte dies jedoch vorerst nicht. Unsere Partys und Abende wurden immer skurriler, denn ein neuer Trend kam auf, das »Komasaufen«.

Ich muss zugeben, dass mir schon etwas unwohl war, als ich den Trichter ansetzte, doch als die erste Flasche drin war rutschte es immer besser. Ich kann mich nur noch erinnern, wie ich voll gekotzt auf dem Boden lag, danach wurde alles schwarz. Ich war im Krankenhause im künstlichen Koma gelandet. Mitbekommen hab ich nicht wirklich viel, als ich dalag, aber ich war froh, als ich dann wieder bei vollem Bewusstsein war. Meine Eltern waren sehr besorgt, nun wusste ich, dass ich einen Schlussstrich ziehen musste.

Die ersten Tage waren die Hölle

Ich begab mich in eine Suchtklinik. Die ersten Tage dort waren die Hölle für mich. In dieser Klinik waren viele andere Betroffene mit demselben Problem. So fühlte ich mich nicht allein mit meiner Sucht, und es gab mir Mut, die Therapie weiterzuführen. Meine Eltern unterstützten mich kräftig dabei. Ich war dankbar, dass sie noch immer zu mir gehalten haben, obwohl ich ihnen immer nur Sorgen bereitet hatte. Durch sie schaffte ich dann auch meinen Absprung. Es war zwar sehr schwer für mich, aber ich muss sagen, es hat sich sehr gelohnt. Ich habe gelernt, dass man auch ohne Alkohol Spaß haben kann.

Das Abschalten von meinem Problemen bewältige ich mit Sport und einem wöchentlichen Besuch in der Klinik. Ich kann allen Jugendlichen nur raten: Geht nicht über eure Grenzen hinaus, denn es könnte sein, dass Ihr nicht im künstlichen Koma landet wie ich, sondern im Koma und dann könnte sogar Euer Leben zuende sein. Also findet Eure Grenze und lasst Euch Zeit mit dem Alkohol, denn er kann zur gefährlichen Sucht werden."

Dieser Junge, der gerade noch rechtzeitig wieder auf die richtige Bahn kam, ist weder ein Einzelfall noch eine Ausnahme. Tendenziell zeichnet sich ab, dass dieses Problem in sämtlichen Bevölkerungsschichten vorzufinden ist. Und gerade, weil es oft als Tabuthema unter den Tisch gekehrt wird, steht der Volksdroge Nummer eins Tür und Weg offen. Aber nicht nur Jungen trinken viel Alkohol. Eine Studie von 2008 hat beweisen, dass mehr Mädchen als Jungen wegen einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden sind.

Spaß auch ohne Alkohol

Kann es Spaß machen, morgens aufzuwachen und nicht mehr zu wissen was wir gestern getan haben? Macht es wirklich Freude, den darauffolgenden Tag mit Kopfschmerzen zu verbringen? Ist es wirklich so cool, wenn man glaubt durch Trinken käme man über eigene Probleme hinweg, die in Wirklichkeit nach dem Genuss von Alkohol nicht verschwunden sind, sondern schon wieder an die Tür klopfen? Ist es toll, wenn man im Rausch der Droge Dinge tut, die normalerweise jeder dumm finden würde, mit klarem Kopf?

Es gibt mit Sicherheit mehr Argumente gegen als für Alkohol bei Teenagern. Letztendlich muss jeder für sich selber entscheiden. Meine Meinung dazu: Cool ist ein klarer Kopf, nicht jedoch ein Kopf von Alkohol benebelt, der gar nicht mehr in der Lage ist, das Leben wirklich und im vollem Umfang zu genießen. (ZmS)

Anna-Katharine Zimmer, Wildermuth-Gymnasium Tübingen, Klasse 9 a