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Aktuell Zeitung macht Schule

Weniger leben und mehr lernen

REUTLINGEN/CALW. Heutzutage gehört »in die Schule gehen« und Lernen zum Alltag. Aber aus diesem Grund wird der stressige Schulalltag beispielsweise eines Gymnasiasten meist unterschätzt. Ein gutes Bild hierfür bietet uns Hermann Hesses Bestseller »Unterm Rad«. In dieser Novelle erarbeitet sich Hans Giebenrath seinen Weg für eine gute Ausbildung bis ihn, einerseits das Lernen, andererseits die Pubertät, ans Ende seiner Kräfte und in den Tod führen.

Von klein auf wurde Hans sowohl von seinem Vater als auch von mehreren Gebildeten beim Lernen unterstützt und mit deren Hilfe verstand er die große Bedeutung des Lernens. Außerdem war er sich darüber im Klaren, was er wusste und was er nicht wusste, somit lernte er immer mehr, um zu wissen, was er vorher nicht gewusst hatte und stillte so seine Wissbegier.

Der Schulstress zieht sich durch

Mit einem zweiten Platz im Landexamen in der Tasche, durfte er dann auf das Kloster in Maulbronn. Aber zuerst musste er sich diesen Genuss, weit weg von seiner Familie und seinen Freunden auf eine »Ganztagsschule« zu gehen ja auch verdienen. Was also muss man tun, um solch ein Überflieger wie Hans zu sein? Man muss nur etwas weniger leben und dafür etwas mehr lernen, wäre ja nicht zu viel verlangt und was täte man nicht alles für eine ordentliche Ausbildung.

Hans' Schulstunden gingen jeden Tag bis 16 Uhr, an die sich dann eine Extralektion in Griechisch anschloss. Um 18 Uhr war der Herr Stadtpfarrer so gütig ihm eine Repetitionsstunde in Latein und Religion zu erteilen. Wen stört es denn jeden Tag eine Stunde vor der Schule noch kurz in den Konfirmandenunterricht zu gehen? Und zweimal in der Woche fand dann nach dem Abendessen noch eine einstündige Unterweisung beim Mathematiklehrer statt.

Die Freizeit muss dran glauben

So ist das also bei Hans Giebenrath mit dem Lernen. Aber wie ist es heutzutage bei unseren Gymnasiasten? Der Stundenplan der Neuntklässler sieht im Vergleich zu Hans ungefähr so aus: Von Montag bis Freitag, von 7.35 bis 12.45 Uhr. Zwei bis drei Mal in der Woche ersetzt die Schule dann noch nachmittags zwei oder drei Stunden ihrer Freizeit. Da fragt man sich, was machen die Schüler da von morgens bis abends genau? Nun, die Schüler haben folgende Fächer: Deutsch, Mathematik, Englisch, Latein, Französisch, und dann kommen noch Geschichte, Musik, Religion, Chemie, Physik, Biologie, Gemeinschaftskunde, Kunst und Sport dazu.

Und um all diese Fächer plus die Hausaufgaben in unserem äußerst zugekleisterten Wochenplan unterzubringen, muss unsere Freizeit dran glauben, denn man verbringt rund 12 von 24 Stunden mit der Schule und dem Lernen, da bleibt anschließend aber noch sehr viel Zeit für was Anderes. Die meisten Lehrer sind so freundlich, uns die große Leere am Nachmittag mit Hausaufgaben zu füllen. Schließlich will auch kein Schüler einer Freizeitbeschäftigung nachgehen.

Hans musste auch sein heiß geliebtes Angeln aufgeben. Und obwohl seine Spaziergänge ihm zur Erholung dienen sollten, bestand sein Vater darauf, sie auch zur Erweiterung seines Wissens zu nutzen.

Gott sei Dank ist es bei uns etwas anders. Wir haben zwar schon noch Luft zum Atmen, das muss aber wiederum nicht heißen, dass uns viel mehr von Hans unterscheidet. Die Schule und das Lernen füllen größtenteils unseren Alltag aus. Aber von den Hausaufgaben wollen wir gar nicht erst anfangen. Viele Lehrer geben uns nur zwei Seiten auf, für die wir dann so um die zehn Minuten brauchen.

Kein Tag ohne Kopfweh

Also sind es in diesem Fach zehn, im anderen 20 Minuten und so weiter É Auf diese Weise nehmen uns die Hausaufgaben großzügigerweise die Langeweile. - Was für ein glücklicher Zufall, denn ohne sie wüssten wir nicht, was wir sonst den lieben langen Tag so anstellen sollten. Und wenn sich dann das Schuljahr dem Ende neigt und die Klassenarbeiten sich häufen, vergeht kein Tag ohne Stress und Kopfweh. Hans Giebenraht wurde auch oft von Kopfschmerzen gequält - ob das vom ständigen Lernen kam?

Viele Schüler empfinden die Schule als großartigen Ort, andere weniger. Möglicherweise fühlen sie sich nicht so wohl, wenn manche Lehrer sie zu sehr loben oder gar Anerkennung schenken - kann man es ihnen verübeln? Wer wird schon gern gelobt? Man kennt kaum Jugendliche, die meinen, Schule wäre anstrengend, wieso auch? Was wäre schon dabei, irgendwann so, wie Hans Giebenrath zu enden, irgendwann sterben wir doch alle. (ZmS)



Alexandra Lungu, Miriam Hindi, Friedrich-List-Gymnasium, Klasse 9d