Schließlich gab es für mich keinen einzigen logisch erklärbaren Grund, weshalb man diesen Mann hätte »hassen« sollen. Sein »Vergehen« bestand darin, dass er einem Freund, der ihn eingeladen hatte, das Geld nicht, unzureichend oder zu spät zurückgezahlt hatte.
In der »Kreditaffäre« wurde dem Bundespräsidenten vorgeworfen, er habe eine Kleine Anfrage im niedersächsischen Landtag unzureichend beantwortet. In der darauf folgenden »Medienaffäre« wurde bekannt, dass Wulff beim Chefredakteur der Bild-Zeitung angerufen hatte, um die Berichterstattung über ihn zu beeinflussen. Als schließlich öffentlich darüber diskutiert wurde, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, trat Wulff zurück.
Rücktritt trotz Freispruch
Christian Wulff wurde in dem gegen ihn wegen Bestechung und Bestechlichkeit geführten Prozess freigesprochen. Trotz Freispruch war klar: Dieser Mann würde nie wieder dahin kommen, wo er ursprünglich war – ins höchste Amt des Staates. Der Bundespräsident war für immer gebrandmarkt worden und hatte dadurch all sein Ansehen verloren.Erstaunlich ist, dass auch im Nachhinein keine glaubhafte Reue der »Ankläger« zu erkennen war. Im Gegenteil: Die Mehrheit der Deutschen empfand es als moralisch »richtig«, eine politische Karriere wegen eines vermeintlich »falschen« Verhaltens zu beenden. Jenes Gebaren ist aktuell keine Seltenheit mehr.
Es ist zum Alltag geworden, alles in moralisch richtig und moralisch falsch einzuteilen. Egal, ob es um den richtigen Umgang mit der Flüchtlingskrise, die richtige Reaktion auf Terroranschläge oder das richtige Verhalten in Bezug auf den Klimawandel geht.
Mit einer verblüffenden Synchronität entscheidet sich oft unser gesamtes Umfeld für eine Meinung. Diese Meinung gilt dann meist als die einzig vertretbare Option, die nicht anzuzweifeln ist. Wer sich kritisch äußert oder gar komplett anderer Meinung ist, wird ausgeschlossen. Kritiker am Mainstream werden nicht mehr für voll genommen. Viel lieber macht man sich über sie lustig und stellt sie als dumm dar.
Je wichtiger die Person ist, die in ein Fettnäpfchen tritt, desto größer ist die folgende Häme. Beispielsweise galt ein Politiker, der Kritik an der Willkommenskultur in der Flüchtlingsfrage äußerte, noch vor wenigen Wochen für manche als rechtsradikal. Dass diese Menschen grundsätzlich keine Ähnlichkeit mit einem wirklichen Rechtsradikalen aufweisen, ist den Menschen oft gar nicht bewusst.
Darum sollten wir schleunigst lernen, uns besser über kontroverse Themen zu informieren und das von verschiedenen Medien vorgegebene Bild auch mal zu hinterfragen. Beispielsweise ist es über das Internet möglich, auch ausländische Informationsquellen zu beziehen und so andere Standpunkte besser zu verstehen. Denn unsere Ansichten werden sehr stark durch »die Medien« geprägt, für die es grundsätzlich nicht möglich ist, alle Meinungen darzustellen.
Letztendlich liegt es also an uns, dafür zu sorgen, die Meinungsfreiheit und damit die Demokratie in Deutschland zu wahren. (ZmS)
Lennart Lahr, Albert-Einstein-Gymnasium, Reutlingen, Klasse 10a