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Aktuell INTERVIEW

Von wegen Außenseiter

BODELSHAUSEN. "Meine Arbeit kann auch stressig sein ", sagt Nathalie. Sie ist eine von mehreren Mitarbeiterinnen des Kastanienhofs bei Bodelshausen, wo Menschen mit Behinderung Arbeit finden. Denn das Konzept des Kastanienhofs ist es, Menschen mit Handicap in das normale Berufsleben einzugliedern – den sogenannten ersten Arbeitsmarkt. Getragen wird das Projekt von der Ais gGmbH. Sie wurde 1997 von der Körperbehinderten-Förderung Neckar-Alb (KBF), dem Verein Hilfe für Menschen mit Behinderung (HfB) und dem Arbeiter-Samariter-Bund Neckar-Alb (ASB) gegründet. Ais bedeutet Arbeit in Selbsthilfe, es ist eine gGmbH, bei der nach betrieblichen Vorgaben gearbeitet wird. Ziel ist es, Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu schaffen, sie zu qualifizieren und weiter zu vermitteln. Im Kastanienhof gibt es einen Blumenladen, einen Hofladen, eine Gärtnerei für Gemüse und Zierpflanzen, einen Bauernhof, eine Reithalle und ein Café mit Terrasse. Momentan arbeiten rund 15 Menschen mit Behinderungen auf dem Hof mit. Je nach Ausbildung, Handicap und Begabung sind sie in verschiedenen Abteilungen tätig. Um einen kleinen Einblick in eine Abteilung zu bekommen, haben wir Nathalie G. zu ihrer Arbeit interviewt.

»Hier ist es wie in einer großen Familie«
ZmS: Wie bist Du zum Kastanienhof gekommen?

Nathalie: Ich habe erst drei Wochen lang ein Praktikum gemacht, dann waren Sommerferien. Danach habe ich am 1. September vor zehn Jahren hier angefangen.

Wow, zehn Jahre, das klingt ziemlich lang.

Nathalie: Ja, dieses Jahr war mein zehnjähriges Jubiläum.

Und die Arbeit hier macht Spaß, oder?

Nathalie: Ja, sehr.

Ist es auch manchmal anstrengend und stressig?

Nathalie: Ja, kann auch sein, vor allem dann, wenn viele Leute da sind.

Wo wohnst Du? Wie kommst Du hier her?

Nathalie: Zum Glück wohne ich gleich gegenüber im Betreuten Wohnen.

Hast Du zu den Mitarbeitern und Kollegen ein gutes Verhältnis?

Nathalie: Natürlich, auch viele Freunde, irgendwann lernt man sich kennen.

Was gehört zu Deinem Aufgabenfeld?

Nathalie: Das Ausgarnieren von Topfpflanzen und Gutscheine gestalten zum Beispiel. Manchmal bin ich auch noch im Büro, was mein eigentlicher Beruf ist. Außerdem bin ich fürs Kassieren zuständig.

Was macht Dir hier am meisten Spaß?

Nathalie: Kassieren, mit den Kunden arbeiten, dass ich Leute um mich rum habe und nicht allein arbeite.

Macht Ihr auch Ausflüge?

Nathalie: Ja, einmal im Jahr oder alle zwei Jahre einen Betriebsausflug. Letztes Jahr waren wir im Schwabenpark.

Sehr schön! Es hat uns gefreut, Dich kennenzulernen, danke fürs Interview.

Nathalie: Bitte, gerne.

Außerdem haben wir anschließend auch eine Floristin (ohne Handicap) zu ihrer Arbeit auf dem Kastanienhof befragt.

Was sind Deine Aufgabenbereiche?

Floristin: Alle floristisch anfallenden Tätigkeiten – zum Beispiel zur Hochzeit, Konfirmation, Trauer und sonstigen Anlässen – sowie der komplette Ladenbetrieb, immer in Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung.

Wieso hast Du diesen Job gewählt?

Floristin: Ich bin gelernte Floristin und habe mich auf eine Stellenausschreibung hin vorgestellt. Die Kombination aus der Kreativität meines Berufes mit dem sozialen Aspekt der mir vorgeschlagenen Tätigkeiten hat mich sofort fasziniert.

Was unterscheidet diese Arbeitsstelle von Deinen bisherigen?

Floristin: Hier ist es wie in einer großen Familie. Vom ersten Tag an habe ich meine behinderten und nicht behinderten Kollegen ins Herz geschlossen.

Ist es für Dich schwieriger, auch mit Menschen mit Behinderung zusammenzuarbeiten?

Floristin: Anfangs musste ich mich durchaus umstellen, da es mir schwerfiel, Anweisungen durchzusetzen und ich mir somit den Respekt meiner Kollegen mit Behinderung erst erarbeiten musste. Zwischenzeitlich habe ich aber eher das Gefühl, dass ich von meinen Kollegen mit Behinderung selbst sehr viel lernen kann – vor allem, mit weniger zufrieden zu sein.

Was war ein besonders schönes beziehungsweise trauriges Erlebnis mit Deinen Kollegen mit Behinderung?

Floristin: Durch eine betriebliche Umstrukturierung sollte meine Stelle gestrichen werden, was mich sehr sehr unglücklich machte. Gott sei Dank konnte ich dann doch meine Arbeitsstelle hier behalten und erfuhr später von meinen Kollegen mit Behinderung, dass sie zu dieser Zeit in unserem Büro zusammensaßen und gemeinsam ein Stoßgebet zum Himmel schickten, dass ich doch bitte bleiben kann. Und siehe da, sie wurden erhört, und wir alle waren wieder glücklich.

Es wäre schön, wenn es mehr solche oder ähnliche Betriebe gäbe.

Floristin: Ja! Menschen mit Behinderungen müssen ins Berufsleben und ins soziale Leben integriert werden, um keine Außenseiter in unserer Gesellschaft zu sein. (ZmS)

Katharina Frank, Lara Möck und Noelle Steinhilber, Evangelische Schule am Firstwald Mössingen, Klasse 8b