Ernst-Reinhard Beck: Ich habe mich eigentlich schon immer für Politik interessiert. Ich war in der Schule Klassensprecher, war Schulsprecher und ich bin relativ früh in die Junge Union gegangen. Ich habe danach Politik studiert und 30 Jahre Gemeinschaftskunde unterrichtet.
Was hat Sie dazu gebracht, Bundestagsabgeordneter zu werden?
Beck: Ich war in Reutlingen vor 30 Jahren Kreisvorsitzender der CDU. Als dann der Abgeordnete dieses Wahlkreises - das war damals Anton Pfeifer - aufgehört hat und mich gefragt hat, ob ich Interesse hätte, sein Nachfolger zu werden, habe ich gesagt: »Gut, wir versuchen mal, ob mich die Mitglieder nominieren.« In Urach haben mich die Mitglieder zum Kandidaten der CDU bei der Bundestagswahl 2002 gewählt. Die Wähler des Kreises Reutlingen haben mich dann als ihren Abgeordneten gewählt. 2002 zum ersten Mal, 2005 zum zweiten Mal und 2009 zum dritten Mal.
»Ich bekomme, wenn es wenige sind, 50 bis 60 Mails am Tag«
Was bringt Sie dazu, es auch weiter zu tun?
Beck: Es ist natürlich eine wichtige und interessante Aufgabe, Politik zu gestalten, daran mitzuwirken, was in unserem Staat, was in unserer Gesellschaft besser gemacht werden kann. Das ist für mich nach wie vor eine wichtige und interessante Aufgabe.
Was sind Ihre Aufgaben als Bundestagsabgeordneter und als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Verteidigung der CDU/CSU-Fraktion?
Beck: Ich bin als direkt gewählter Abgeordneter zunächst Interessenvertreter meines Wahlkreises. Bürgerinnen und Bürger des Kreises Reutlingen wenden sich mit allen möglichen Sorgen an mich, von der Rente über hohe Abfallgebühren bis hin zu Regelungen im Erbschaftssteuerrecht. Man ist im Grunde einfach für alles zuständig. Dann gibt es den zweiten wichtigen Bereich: Die Parlamentsarbeit in der Fraktion. Ich bin jetzt in meiner Fraktion derjenige, der sich um Verteidigungspolitik kümmert. Ich habe in meiner Arbeitsgruppe 13 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion, die mit mir zusammen im Verteidigungsausschuss die CDU/CSU-Fraktion vertreten. Der Ausschuss hat insgesamt 34 Abgeordnete, zusammen mit den fünf FDP-Abgeordneten haben wir dann die Mehrheit im Verteidigungsausschuss und sind zuständig für die gesamte Breite der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik.
»Wir haben 24 bis 25 Sitzungswochen im Jahr«
An wie vielen Sitzungen nehmen Sie pro Woche teil und was machen Sie dort?
Beck: Wir haben 24 bis 25 Sitzungswochen im Jahr. Die Sitzungswochen dauern immer von Montag bis Freitag. Am Montag geht es erst mal mit einer Sitzung der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg los. Da sind alle Abgeordnete der CDU aus Baden-Württemberg dabei. Dann kommt am Dienstagvormittag die Arbeitsgruppe Verteidigung, am Nachmittag die Sitzung der 239 Abgeordneten der CDU-Fraktion. Die beginnt um 15 Uhr und dauert mindestens bis 18 Uhr. Mittwoch ist der Verteidigungsausschuss. Der beginnt um 9 Uhr und dauert in der Regel bis 14 oder 14:30 Uhr, manchmal auch länger. Am Donnerstag und am Freitag sind Plenarsitzungen. Praktisch ist nur donnerstags und freitags der gesamte Bundestag beieinander. Da bin ich bei den Punkten im Plenum, die mich interessieren, zum Beispiel wenn die Bundeskanzlerin spricht oder wenn Außen- und Verteidigungspolitik beraten wird. Das ist für mich natürlich ein Pflichtveranstaltung.
Was machen Sie, wenn gerade keine Sitzungswoche ist?
Beck: In der letzten sitzungsfreien Woche habe ich zum Beispiel den ganzen Morgen telefoniert und Post beantwortet. Ich bekomme, wenn es wenige sind, 50 bis 60 Mails pro Tag. Außerdem bin ich viel im Wahlkreis unterwegs. Dann kommen auch Bürger, die mit mir etwas besprechen wollen.
Welchen Bezug haben Sie zu Reutlingen im Bundestag?
Beck: Die Abgeordneten sind laut Artikel 38 Grundgesetz Vertreter des ganzen Volkes, nicht nur ihres Wahlkreises! Wenn wir ein Steuergesetz ändern, gilt das für alle Deutschen und nicht nur für die Reutlinger. Nur im Bereich der Verkehrspolitik gibt es direkte Auswirkungen, so zum Beispiel beim Scheibengipfel.
»Dass Leute, die ich gut kenne, Minister geworden sind, hat mich gefreut«
Was waren Ihre Aufgaben während der Koalitionsverhandlungen im vergangenen Oktober?
Beck: Ich bin zu meinem Bereich Verteidigung gefragt worden, habe dann Vorschläge gemacht. Ich war aber nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt. In der Verhandlung kamen Kompromisse raus. Ich hätte gerne zum Beispiel die Wehrpflicht bei neun Monaten belassen, die FDP wollte aber die Abschaffung. Sechs Monate sind der erzielte Kompromiss.
Was für Unterschiede gibt es für Sie als Bundesabgeordneter/Sprecher der Arbeitsgruppe Verteidigung der Union zwischen Regierung und Opposition?
Beck: Opposition hat eine ganz wichtige Funktion: Sie muss die Regierung kontrollieren und kritisieren. Aber in einer Regierungsfraktion kann man direkt an der praktischen Politik mitwirken. Mein direkter Ansprechpartner auf der Regierungsseite ist der Verteidigungsminister. Er muss uns als Arbeitsgruppe natürlich auch befragen, weil der Bundestag beschließt, wie viel Geld die Bundeswehr bekommt und wie viele Soldaten nach Afghanistan gehen, nicht der Minister. Als Regierungsfraktion hat man direkten Einfluss auf das, was die Regierung macht.
Sind Sie mit der jetzigen Kabinettsverteilung zufrieden und wenn nein, was würden Sie ändern?
Beck: Das war Sache der Bundeskanzlerin und ich finde, dass das Kabinett insgesamt gelungen ist. Dass Leute, die ich gut kenne, Minister geworden sind, hat mich auch gefreut.
»Wir dürfen Afghanistan nicht im Stich lassen«
Wie stehen Sie zum Afghanistan-Einsatz?
Beck: Der Afghanistan-Einsatz ist eine Aktion der Völkergemeinschaft, die zum Ziel hat, diesem armen Land zu helfen. Das heißt, wir müssen helfen, dass das Land Straßen, sauberes Wasser und Elektrizität bekommt. Da sind wir schon dran und haben in vielen Bereichen Erfolge. Dann geht es um Sicherheit, die von den Taliban und den Al-Qaida-Terroristen bedroht wird. Darum bilden wir afghanische Polizei und afghanische Soldaten aus. Wenn die dann in der Lage sind, für ihre Sicherheit selber zu sorgen, dann ist der Punkt für mich gekommen, wo wir dann »Auf Wiedersehen!« sagen können. Aber vorher nicht, sonst würden wir dieses Land im Stich lassen.
Waren Sie selbst schon mal in Afghanistan?
Beck: Ja, schon einige Mal: In Kabul, in Mazar-i-Sharif und Kundus, aber auch in Pakistan. Mit dem Präsidenten Karsai habe ich auch schon persönlich gesprochen. Ich war überall dort, wo deutsche Soldaten stationiert sind. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, das Parlament schickt die Streitkräfte und muss sich auch darum kümmern, wie es den Soldaten dort geht.
»Wichtige Bereiche für mich: Verkehr, Techno-logie, Landwirtschaft«
Was möchten Sie in Zukunft für Reutlingen erreichen?
Beck: Ich bin natürlich dran, dass die Umfahrung mit dem Scheibengipfel zügig vorangeht und kümmere mich auch darum, dass zum Beispiel die Umfahrung Metzingens zu Ende gebaut wird. Auch dafür braucht man Geld. Oder die Umfahrung Grafenberg, weil ich ja nicht nur für die Stadt Reutlingen, sondern für den gesamten Wahlkreis Reutlingen zuständig bin. Und dann natürlich, dass man eine Planung für den Albaufstieg macht - also eine Ortsumfahrung für Lichtenstein. Die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur ist mir wichtig. Außerdem gibt es auf der Alb noch große weiße Flecken, was schnelle Internetverbindung angeht. Das Internet wird immer wichtiger, nicht nur für die mittelständischen Betriebe, sondern auch für private Nutzer. Und ich kümmere mich um die Unterstützung unserer Bauern. Aber das ist nicht so einfach, weil die Agrarpolitik in Brüssel gemacht wird. Das sind also drei wichtige Bereiche für mich: Verkehr, Technologie und Landwirtschaft.
Vielen Dank für das Interview!
Beck: Vielen Dank für das Interview! (ZmS)
Jan-Steffen Fischer und Daniel Konzelmann , Albert-Einstein-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9a