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Verharmlosung einer Massendroge

REUTLINGEN. Immer mehr Jugendliche kiffen heutzutage. Kiffen - so wird der Konsum von Cannabis genannt, ob nun als Marihuana - auch als »Gras« bekannt - oder Haschisch. »Kiffen schränkt die kognitive Leistungsfähigkeit in der Regel ein«, lauten die Worte des Psychotherapeuten Günther Doblies von der psychiatrischen Klinik in Tübingen. Früher kiffte man unter anderem zur Demonstration, doch heutzutage nur noch des tollen Gefühls wegen. »Flash« wird das genannt. »Man wird lockerer«, erzählt Doblies am Suchtpräventionstag des Friedrich-List-Gymnasiums. Und: »Kiffen entspannt zwar und baut gelegentlich auch Belastungen ab.« Aber nicht nur, denn: »Das Denkvermögen nimmt mit Sicherheit ab.«

Wir erfahren, dass auch der eine oder andere große Künstler kiffte, bevor er sich an ein neues Meisterwerk machte. Denn Kiffen steigert manchmal auch die Kreativität. Außerdem sei das Verbot des Drogenkonsums ein weiterer Reiz dafür, den »Flash« illegal zu erleben. Doch trotz widersprüchlicher Behauptungen ist Kiffen gefährlich. Zwar treten körperliche Schäden, wie zum Beispiel eine Unterfunktion der Lunge, nicht in allen Fällen auf, dafür schädigt Kiffen die Psyche umso mehr.

Durch mehrmaliges bis regelmäßiges oder gar tägliches Kiffen nimmt das Denkvermögen stark ab. Den Abbau des Denkvermögens kann man mit dem Wachstum der Haare vergleichen: Man kann es zwar nicht mitverfolgen, merkt es dann aber umso deutlicher, wenn man es zum Beispiel einige Monate später feststellt. Will man sein Denkvermögen wieder steigern, so braucht man dafür ebenso viel Zeit, wie es sich abgebaut hat - so die gängige Daumenregel von Doblies. Kiffte man zum Beispiel zehn Jahre lang und wurde das Denken über diese Zeit hinweg geschwächt, so braucht man wiederum ungefähr zehn Jahre - und sollte in diesen zehn Jahren verstärkt Denk- und Gedächtnisübungen durchführen - um wieder in den vollen Besitz seiner Denkfähigkeiten zu kommen.

Soziale Auswirkungen gravierend

Auch beim Kiffen sind gravierende soziale Auswirkungen festzustellen. Dies lässt sich durchaus vergleichen mit den sozialen Auswirkungen einer Alkoholerkrankung. Unterliegt man einer Alkoholkrankheit, so ändert sich das soziale Verhalten, was sich zum Beispiel in Aggressivität bemerkbar macht. Raucht man, so erreichen die Schadstoffe auch die anderen. Bei zu hohem Alkoholkonsum während der Schwangerschaft kann es zu Fehlbildungen, Entwicklungs- und Intelligenzschädigungen kommen. Auch bei Nikotin besteht dieses Risiko. Eine Sucht kann man bekämpfen, doch unter einer Fehlbildung wird ein Kind sein Leben lang zu leiden haben.

Methadon fürs Baby

Ein Neugeborenes, welches sich während der Schwangerschaft unter starkem Opiat-Konsum der Mutter entwickelt, ist nach der Geburt genauso abhängig wie seine Mutter. Auch ist die Einnahme von Heroin schädlich für das sich im Mutterleib entwickelnde Kind. Da es während der Schwangerschaft von der Mutter durchgängig mit der Droge versorgt wird, ist es schon süchtig, bevor es auf die Welt kommt und muss nach der Geburt schnellstmöglich entgiftet werden.

Wird es dann nicht mit einer Ersatzdroge versorgt, leidet es ebenso an den Entzugserscheinungen (zum Beispiel starke Schmerzen, Übelkeit, Schweißausbrüche, Verdauungsbeschwerden und Schlaflosigkeit) wie ein Erwachsener. Deshalb wird das Neugeborene ins Methadonprogramm aufgenommen.

Bei diesem Entzug bekommt das Kind die Ersatzdroge Methadon, durch die der abhängige Körper zwar versorgt wird, der »Flash« im Gehirn aber nicht entsteht. Die Dosis dieser Ersatzdroge wird nach und nach herabgesetzt, bis das Kind vollkommen entgiftet ist. Nebenher wird es durch den so genannten »Finnegan Score« überwacht, eine Art Tabelle, auf der die Symptome des Kindes in Punkten angegeben sind. Dazu zählen Dyspnoe (Atemnot), Regurgitation (Erbrechen), Tremor, Muskeltonus und Myokloni (Muskelspannungen und -zittern), Hyperaktivität, verstärkter Neugeborenenreflex, marmorierte Haut und schrilles, häufiges Schreien. Außerdem sind die Schlafphasen eines neugeborenen »Drogenkindes« verkürzt.

Jugendamt begleitet Entgiftung

Nach durchschnittlich 52 Tagen Aufenthalt im Krankenhaus wird ein solches Kind entlassen. Stärker anfällig für Drogen ist es nach dieser Entgiftung nicht. Eine andere Möglichkeit ist, sowohl Mutter als auch Kind schon während der Schwangerschaft ins Methadonprogramm aufzunehmen, sofern eine Drogenberatungsstelle das für richtig hält. Da nur ein Arzt Methadon ausgeben darf, bekommt die Drogenabhängige die Methadondosis täglich von diesem ausgehändigt. Außerdem muss die Süchtige sich regelmäßig Urinkontrollen beim Arzt unterziehen, in denen nachgeprüft wird, ob sie zusätzlich Drogen konsumiert. Ist das der Fall, wird sie sofort aus dem Entzugsprogramm ausgeschlossen.

Während dieser Entgiftung wird die Mutter auch durch Sozialpädagogen oder andere Fachkräfte betreut, damit der Entzug möglichst ohne weitere, zumal soziale Komplikationen verläuft.

Auch nach der Geburt des Kindes oder nach einer eventuellen Entgiftung des Kindes im Krankenhaus wird das Jugendamt eingeschaltet, um ein sicheres Aufwachsen des Kindes zu fördern. So machen 20 Prozent dieser Familien eine gemeinsame Therapie. 30 Prozent der Eltern wird das Sorgerecht entzogen - die Kinder werden dann in Pflegefamilien untergebracht. Allein in Reutlingen werden pro Jahr ein bis zwei Kinder drogenabhängiger Mütter geboren.

Doblies nennt zudem noch erschreckende neue Forschungszahlen: »20 bis 30 Prozent der 13-Jährigen haben schon mit Cannabis Kontakt gehabt. Früher wurde das Phänomen verharmlost, heute wird es schlicht unterschätzt. Das Bewusstsein ist einfach nicht vorhanden, welch schlimme Folgen Kiffen haben kann«. Kiffen gilt als Einstiegsdroge. Eine Art, der Gefahr zu begegnen, verrät uns der Tübinger Psychotherapeut während seines Vortrages. Ein Satz allein hilft schon, sich dem Drogenkonsum gegenüber zu verschließen: »Nein danke, ich kiffe nicht.« (ZmS)



Nike Schier und Carolin Hofmann, Friedrich-List-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9 e