Wie zu hören, befasst sich Reinhard Schmid in seinen Kurzgeschichten mit Alltagsproblemen und den seiner Ansicht nach verdrehten gesellschaftlichen Zuständen. Das Schreiben, verrät er, hilft ihm dabei, seine Gedanken und Probleme zu verarbeiten und besser mit ihnen zurechtzukommen. Uwe Zellmer erzählt in seinem Buch »Puccinis Turm« seine eigene Lebensgeschichte - allerdings unter dem Pseudonym Philipp Heim. Das Buch ist allerdings keine klassische Autobiografie. Denn dafür fühlt Zellmer sich schlichtweg »no z' jong«.
Alles »irgendwie erlebt«
Dennoch sind sämtliche der in »Puccinis Turm« geschilderten Situationen nicht etwa frei erfunden, sondern »irgendwie erlebt«. Oder mit Zellmer gesprochen: »Beim Schreiben kann ich mich an alte Tage erinnern und mit meiner Vergangenheit beschäftigen«.
Keine Frage: Wer ein Buch schreiben will, braucht zuerst einmal eine gute Idee. Doch woher diese nehmen? Uwe Zellmer hat immer ein Notizbuch bei sich. Auch Reinhard Schmid versucht, neue Gedanken immer sofort festzuhalten, aus Angst sie wieder zu vergessen. Durch diese häufige geistige Abwesenheit in Ideenwelten fange er sich jedoch oft Ärger mit seiner Frau ein É
Beide Autoren sind sich einig, dass man um Einfälle nicht kämpfen kann, dass zwanghaftes Schreiben zu nichts Gutem führt. Zellmer meint jedoch, ihm helfe es, sich vor dem Schreiben mit anderer Lektüre zu beschäftigen, um sich so in die Melodie von Worten und Sprachtönen einzuhören. Der eigentliche kreative Schreibprozess sei dann mitunter von Überraschungen geprägt. Oft könne aus den in der Schublade gebunkerten Notizen eine ganz neue Geschichte entstehen
Herumfeilen, Verkürzen, »Espresso-machen« - bis ein Werk vollendet ist, das könne dauern - manchmal Jahre. Schmid vergleicht das Bücherschreiben deswegen mit einer spannenden Reise, bei der man sich vorkämpfen muss und am Anfang noch nicht so recht weiß, welchen Routenverlauf sie nehmen wird.
Einem Zuhörer aus dem Publikum, Klaus-Dieter Lang, Lehrer am Quenstedt-Gymnasium, war auch aufgefallen, dass Schmid seine Leser oft an einen Punkt der Geschichte führe und sie dann alleine lasse, abrupt abbreche. Dem ungeachtet hält Schmid seine Geschichten aber durchaus für abgeschlossen: »Das mit dem Abbrechen mache ich gar nicht bewusst. Auch der Leser soll ja Arbeit verrichten. Kreative Lesearbeit, bei der die Freiräume in den Geschichten mit Fantasie ausgefüllt werden.«
Seine älteren Geschichten liest Schmid nach eigenem Bekunden auch heute noch gerne. »Ich habe Teile von dem, was mich früher beschäftigt hat, abgearbeitet. Ich könnte jetzt nicht mehr schreiben, was ich 1995 geschrieben habe«, betont er und ergänzt: »Ich finde den Stoff nach wie vor toll, aber ich habe damit etwas erledigt. Vielleicht sind alle Autoren ein bisschen narzisstisch, der eine mehr, der andere weniger.«
Vorbilder und Familienbande
Nach seinen Lieblingsautoren gefragt, muss Schmid zuerst einmal überlegen. Richtige Vorbilder, räumt er ein, habe er keine, doch schätze er Ralf Rotmann und Peter Stramm sehr. Uwe Zellmer nennt hingegen gleich eine ganze Latte von Schriftstellern: Theodor Fontane und Max Frisch, Brecht-Gedichte (zum Erholen), Peter Härtling und Philipp Ross sowie - fürs Schwäbische - Thaddäus Troll.
Bleibt die Frage, wie es sich im Schatten eines wirklich großen zeitgenössischen Autoren publiziert, zumal wenn dieser zur eigenen Familie gehört: so wie Martin Walser, Cousin von Reinhard Schmid. Ist das ein Hemmschuh? Eine problematische Beziehung? Eher nicht, wie Schmid findet. Denn »von dieser Verwandtschaft weiß nur der engere Kreis.« Walser »liest natürlich meine Sachen und lobt sie«, sagt Reinhard Schmid. »Aber kann man das ernst nehmen, weil: Was soll er sonst machen?« Nichtsdestoweniger möchte Reinhard Schmid nicht Walser-Sohn oder -Tochter sein. Die, erzählt er, »können auch ganz gut schreiben, werden aber überall an ihm gemessen«. (ZmS) Liane Haug, Felicia Ghazalah, Anita Klassen, Bettina Bauer, Beate Kasper und Vera Bense, Quenstedt-Gymnasium Mössingen, Klasse 10 c