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Aktuell INTERVIEW

Spaß, Sport, Simulation und Strategie

REUTLINGEN. Computerspiele gehören zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen - nicht nur von Kindern und Jugendlichen. Auch Erwachsene sind häufige Nutzer. Wie ein Computerspiel entsteht und worauf man dabei achten muss, darüber sprachen wir mit Matthias Siedlaczek ( 44) in Reutlingen. Seit 1993 ist er in der Spielebranche tätig, seit 1996 wirkt er freiberuflich als Designer und Produzent bei internationalen Spieleproduktionen mit.

Manchmal ist sie ein bisschen bunter als die Wirklichkeit: die virtuelle Welt, die Produzenten wie Matthias Siedlaczek gestalten
Manchmal ist sie ein bisschen bunter als die Wirklichkeit: die virtuelle Welt, die Produzenten wie Matthias Siedlaczek gestalten. FOTO: DPA
Manchmal ist sie ein bisschen bunter als die Wirklichkeit: die virtuelle Welt, die Produzenten wie Matthias Siedlaczek gestalten. FOTO: DPA
ZMS: Wie wird man Computerspiele-Entwickler?

Matthias Siedlaczek: Bei mir war es Zufall. Ich benötigte während meiner Studienzeit einen Nebenjob und landete als Spieletester bei der Reutlinger Firma Rauser Advertainment, den Erfindern der Werbespiele. Dazu kam noch, dass ich mich schon immer für alle Arten von Brett- und Computerspielen begeistern konnte. Das war im Jahre 1993 mein Einstieg in die Spielebranche. Seitdem habe ich an über 20 Spielen mitgearbeitet und als Leveldesigner, Gamedesigner, historischer Berater, Projektleiter und ausführender Produzent meinen Teil zu den Projekten beigetragen. Damals konnte man diese Art von Jobs im Gegensatz zu heute noch nicht studieren. Wir mussten uns alles irgendwie selbst beibringen, waren quasi Autodidakten. Heutzutage kann man Spieldesign allerdings studieren - und einige der Dozenten sind die autodidaktischen Pioniere von damals.

Welche Art von Computerspielen entwickeln Sie?

Siedlaczek: Ich habe mich nie auf ein spezielles Genre festgelegt. Mir war und ist es immer noch sehr wichtig, dass ich die Spiele, bei deren Entwicklung ich beteiligt bin, auch selber gerne spiele. Wenn das Team vom eigenen Spiel begeistert ist und mit Spaß bei der Sache ist, erleichtert es die Produktion ungemein. Ich persönlich war schon an der Produktion von Kinderspielen, Strategie- und Sportspielen, Renn- und Flugsimulationen und Denk- und Logikspielen beteiligt - sowohl für PC als auch für die gängigen Konsolen und Smartphones.

Für welche Altersgruppe?

Siedlaczek: Da möchte ich mich nicht festlegen. Es ist grundsätzlich einfacher ein Spiel für die »älteren« Käuferschichten zu entwickeln, da man in dieser Altersgruppe bereits ein bestimmtes Verständnis für gewisse Spielmechaniken und -inhalte voraussetzen kann. Dennoch sehe ich es als ganz besondere Herausforderung an, ein Spiel für jüngere Spieler zu kreieren, da hier noch mehr Wert auf eine intuitive Benutzerführung, eine der Altersgruppe entsprechende visuelle Darstellung und schnellen Spieleinstieg gelegt werden muss.

Woher bekommen Sie die Ideen für ein Computer-Spiel?

Siedlaczek: Das ist eine sehr schwierige Frage. Man spielt natürlich selbst sehr viel Spiele und schaut, warum einige Spiele bei den Käufern besser als andere akzeptiert werden. Man versucht nun, die guten Teile aus diesen Spielen zu kombinieren und für seine eigene Spielidee anzupassen. Diese Spielidee muss nicht immer verrückt und spektakulär sein, aber es sollte etwas grundsätzlich Neues beinhalten. Dennoch müssen wir als Entwickler immer eines beachten: Wir machen das Spiel nicht für uns selbst, sondern für die Spieler dort draußen. Wer das vergisst, produziert am Markt vorbei.

»Übertriebene Gewalt in Spielen halte ich für absolut überflüssig«
Für welche Konsolen sind die Spiele geeignet?

Siedlaczek: Diese Entscheidung wird normalerweise in der ersten Phase eines Projekts, der Konzeptphase, beschlossen. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: soll ein Spiel auf verschiedenen Systemen (PC, Playstation, XBox und so weiter) erscheinen, so wirkt sich das auf die Kosten, die Teamgröße und auch auf die Entwicklungszeit aus. Machbar ist grundsätzlich alles, solange es finanziert werden kann.

Welche Programmierungssprachen muss man können, um Computerspiele zu entwickeln?

Siedlaczek: Für einen Spiele-Programmierer gehören C, C++ und C# (C-Sharp) zum Basiswissen. Gute Kenntnisse von Java, Python, OpenGL und DirectX Programmierung - zum Beispiel für visuelle Darstellungen) sind ebenso von Vorteil. Aber ein Spiel wird nicht nur von Programmierern gemacht: 3D-Grafiker, Konzept-Grafiker, Textur-Grafiker, Level-Designer und Sound-Spezialisten zählen ebenso zum Team.

Wie viel Zeit braucht man für die Entwicklung?

Siedlaczek: Das hängt ganz vom jeweiligen Projekt ab. Ein Spiel für ein Smartphone kann von einem drei- bis fünfköpfigen Team innerhalb von drei Monaten produziert werden. Eine Produktion für ein qualitativ sehr hochwertiges PC- oder XBox-Spiel benötigt hingegen ein Team von 60 bis 80 Leuten und eine Entwicklungszeit von 18 bis 24 Monaten.

Welche Spiele sind gerade »in«?

Siedlaczek: Da wären die sogenannten Social-Games wie sie beispielsweise auf Facebook angeboten werden, aber auch die Browser-Games und Smartphone-Games stehen zurzeit hoch im Kurs. Die wirklichen Gewinner dieses Jahr sind für mich persönlich die Konsolenspiele, bei denen der Spieler nicht mehr auf der Couch sitzt, sondern vor dem Fernseher aktiv mit vollem Körpereinsatz die Spielesteuerung übernimmt. Das ist der absolute Spielspaß mit der gesamten Familie oder Freunden und fördert Konzentration, Reflexe und Motorik.

Werden die Spiele getestet?

Siedlaczek: Selbstverständlich wird jedes Spiel getestet. Das passiert normalerweise nicht erst, wenn das Spiel fertig ist, sondern idealerweise bereits in den frühesten Phasen der Produktion. Hierbei wird nicht nur auf Fehler getestet, sondern auch - und das ist enorm wichtig - auf Spielspaß! Manche Entwickler verfügen über festangestellte Tester, andere rekrutieren zum Beispiel Studenten, da die bei den relativ ungewöhnlichen Arbeitszeiten (auch nachts und an Wochenenden) meist am flexibelsten sind.

Es besteht die Gefahr, dass Computerspiele schon Kinder und Jugendliche süchtig machen können. Wie kann man das vermeiden?

Siedlaczek: Hier gilt - wie auch bei allen anderen Genussmitteln im Leben: alles in Maßen! Die Wissenschaft streitet sich zurzeit noch darüber, wo genau die Ursachen für dieses Phänomen liegen und wie man ihm begegnen kann. Der BIU (Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V.) hat jedenfalls auf seiner Seite www.spielen-verbindet.de einen Ratgeber für Eltern bereitgestellt. Diese zehn Tipps möchte ich allen Eltern ans Herz legen. Unbedingt lesen!

Sollten Gewalt- Computerspiele verboten werden?

Siedlaczek: Ich glaube nicht, dass ein generelles Verbot der richtige Schritt für die Zukunft wäre. Ich bin überzeugt, dass Deutschland mit dem vorhandenen und weltweit schärfsten Alterseinstufungssystem für Computerspiele ein funktionierendes Werkzeug hat. Ein Spiel, das für eine Käuferschicht »ab 18« deklariert ist, sollte auch nur für diese Gruppe zugänglich sein. Hier sind nun eben auch die Händler und nicht zuletzt die Eltern in die Pflicht genommen. Mein achtjähriger Sohn darf beispielsweise auch keine Filme sehen oder Spiele spielen, die die Kennzeichnung »ab 12« besitzen. Vom Standpunkt des Entwicklers kann ich von mir sagen, dass ich übertriebene Darstellung von Gewalt in Spielen für absolut überflüssig halte. Die Zeit und Manpower, die ein Team aufwenden muss, um diese »Spezialeffekte« in ein Spiel zu integrieren, sollte lieber für sinnvollere Features verwendet werden. (ZmS)

Dennis Ulrich, Marko Mikulec, St.-Wolfgang-Schule Reutlingen, Klasse 8