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Schlechtes Image erschwert den Neubeginn

REUTLINGEN. »Aggressive, betrunkene Penner« oder »freundliche, zuvorkommende, arme Menschen« - das sind die ersten Gedanken, die den Reutlingern beim Stichwort »Obdachlose« einfallen. Eine Umfrage über Obdachlose in Reutlingen machte deutlich, dass es sehr unterschiedliche Meinungen über die auf der Straße lebenden Menschen gibt.

Die Mehrheit der Befragten stößt in Reutlingens Innenstadt nur selten auf obdachlose Menschen. Daraus schließen viele, dass in Reutlingen die Zahl der Wohnsitzlosen eher gering ist. Durch persönliche Erfahrungen mit Obdachlosen wird deutlich, dass diese hauptsächlich nette, freundliche Menschen sind, die zum Überleben aufs Betteln angewiesen sind.

»Da gibt man gerne mal was«, sagt eine Frau, die Wohnsitzlose schon öfter durch Spenden unterstützt hat. Auch wenn's nur 20 Cent sind. Sogar Jugendliche haben Mitleid mit den »Pennern«. Einige wenige hatten aber auch sehr unerfreuliche Begegnungen mit diesen. Sie wurden beispielsweise beleidigt, belästigt oder Zeugen aggressiver Ausraster. Allerdings schienen diese Obdachlosen betrunken gewesen zu sein. Sehr viele Reutlinger glauben, dass die Wohnsitzlosen durch familiäre Probleme, Arbeitslosigkeit oder Alkoholprobleme auf der Straße gelandet sind.

Aber wie ist es wirklich? Natürlich konnten wir nicht alle Obdachlosen in Reutlingen befragen, dennoch gaben die Wenigen, die wir antrafen, alle die gleiche Ursache für ihr Leben auf der Straße an: Arbeitslosigkeit. »Vor zehn Jahren ging die Firma, in der ich arbeitete, bankrott. Zwar bekam ich Arbeitslosenhilfe, aber die war zu niedrig, um die Miete für meine Wohnung zu bezahlen.«

Immerhin wird den Reutlinger Wohnsitzlosen mit einem Tagesgeld von 9,90 Euro über die Runden geholfen. Dies würde gerade so ausreichen, wenn nicht die Mehrheit der Obdachlosen am Glimmstängel hängen würde. »Das Rauchen hilft mir gegen den ständigen Hunger«, erklärt einer der Befragten. Und viele Obdachlose haben einen Hund, der auch versorgt werden muss.

Dieser gilt als treuer Begleiter und Beschützer, da das Leben ohne Dach über dem Kopf sehr gefährlich sein kann. Das Halten eines Hundes kann auch Nachteile mit sich bringen. Ein Wohnsitzloser erzählt, er habe mit seinem Hund keine Möglichkeit, die derzeit kalten Nächte in einer Unterkunft zu verbringen.

Froh ist man als Obdachloser, dass es die Arbeiterwohlfahrt (AWO) gibt. Dort, bei der Kleiderkammer, können sie sich kostenlos gespendete, gebrauchte Kleider suchen und nebenan bei der Reutlinger Tafel verbilligte Lebensmittel einkaufen. Auch sind sie dankbar für die Vesperkirche, die aber nur im Januar und Februar geöffnet hat.

Das soziale Engagement für Obdachlose kommt in Reutlingen nicht zu kurz. Jedoch ist es für alle auf der Straße Lebenden schwer, eine Wohnung zu finden. Für die von uns Befragten ist es schon bedauerlich zu hören, dass ihre Wohnungssuche immer an den An- und Mitbewohnern scheiterte. »Wir bekommen erst gar nicht die Chance zu beweisen, dass wir ganz normale Menschen sind. Es wird uns halt oft das Image eines dreckigen Säufers zugeteilt.« Trotz genannter Vorurteile zum Thema »Obdachlose« sprechen diese im Allgemeinen, von einem »netten Reutlingen«. (ZmS)



Janina Röhm und Janette Oswald, Friedrich-List-Gymnasium, Klasse 10 c