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Aktuell Justiz

»Respekt, Herr Richter«

Deyyan und Nderim schildern ihre Gerichts-Erfahrungen. Zudem haben sie sich mit einem Schöffen unterhalten

Statue der Justitia am Amtsgericht Reutlingen. Justitia ist die Personifikation für Gerechtigkeit und Rechtspflege. FOTO: PIETH
Statue der Justitia am Amtsgericht Reutlingen. Justitia ist die Personifikation für Gerechtigkeit und Rechtspflege. FOTO: PIETH
Statue der Justitia am Amtsgericht Reutlingen. Justitia ist die Personifikation für Gerechtigkeit und Rechtspflege. FOTO: PIETH

REUTLINGEN. Am 22. November durften wir im Amtsgericht Reutlingen bei zwei Gerichtsverhandlungen zuschauen. Wir kamen mitten in einer Verhandlung in den Raum. Auf der Stirnseite des Raumes befindet sich das Richterpult.

Vom Richterpult aus gesehen links sitzen der Angeklagte und seinen Anwalt – und wie beim ersten Fall manchmal auch ein Dolmetscher oder eine Dolmetscherin. Auf der rechten Seite sitzt der Staatsanwalt oder die Staatsanwältin und manchmal noch Mitarbeiter vom Jugendamt oder andere Behörden, die Aussagen zum Fall machen können.

Die Zeugen müssen draußen warten und werden vom Richter per Mikrofon hereingerufen. Bei öffentlichen Verhandlungen dürfen auch Zuschauer wie wir im Verhandlungssaal sitzen.

»Wir hätten keine Geduld, uns die ganzen Geschichten anzuhören«

Beim ersten Fall ging es um Beamtenbeleidigung und –bedrohung. Der Angeklagte hatte eine Dolmetscherin bei sich. Von dieser Verhandlung haben wir nur noch das Ende gesehen. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Besonders krass fanden wir, was der Angeklagte zu der Polizistin gesagt haben soll. Er hatte sie bedroht: »Ich hack deinen Kopf ab.« Am Ende sagte er, er hätte sich gerne entschuldigt, wenn die Polizistin noch mal gekommen wäre. Das haben wir ihm nicht geglaubt.

Beim zweiten Fall kannten sich das Opfer und der Angeklagte. Beide waren alkoholisiert. Sie haben sich zufällig in der Stadt getroffen und sind in Streit geraten. Hierbei kam es zur Körperverletzung des Opfers durch den Angeklagten. Passanten hatten die Polizei und einen Krankenwagen gerufen. Beide Kontrahenten ergriffen die Flucht, wurden aber später noch aufgegriffen. Bei der Verhandlung räumte das Opfer seine Mitschuld am Tathergang ein. Daraufhin wurde der Angeklagte freigesprochen.

Deyyan meinte: »Ich könnte niemals Richter werden. Da sind zu viele Lügen.« Wir hätten keine Geduld, uns die ganzen Geschichten anzuhören. Herr Hamann ist gerne Richter, weil er gerne mit Menschen arbeitet. Wichtig für ihn ist Konsequenz: Man darf niemanden bevorzugen.

Nach dem Besuch bei Gericht haben wir noch Nderims Vater, Muhamet Pongja, befragt. Der ist nämlich Schöffe und sitzt dabei neben dem Richter. Schöffen sind Ehrenamtliche, die am Amts- oder Landgericht zusammen mit dem Richter das Ausmaß einer Strafe festlegen.

 

GEA: Herr Pongja, wie lange sind Sie schon Schöffe?

Muhamet Pongja: Ich arbeite schon seit fünf Jahren ehrenamtlich als Schöffe beim Amtsgericht in Reutlingen.

Wie kamen Sie auf die Idee?

Pongja: Ich habe mich schon immer für die Justiz interessiert.

Welche Voraussetzungen gibt es, um Schöffe zu werden?

Pongja: Man muss deutscher Staatsbürger sein. Und das Wichtigste ist: Man darf keine Vorstrafen haben.

Wie oft im Jahr müssen Sie vor Gericht?

Pongja: Ungefähr fünfmal im Jahr.

Dürfen Sie sich die Fälle selbst aussuchen?

Pongja: Nein, man wird zugeteilt.

Was war Ihr spektakulärster Fall?

Pongja: Trickbetrug.

Bekommen Sie frei, um als Schöffe zu arbeiten?

Pongja: Ja, ich werde freigestellt.

Für uns zwei war nach dem Besuch beim Gericht klar, dass wir es nicht aushalten würden, so lange still zu sitzen, uns alle Aussagen geduldig anzuhören und uns nicht aufzuregen, wenn wir denken, der andere würde lügen. Respekt, Herr Hamann. Und vielen Dank für die Einladung. (ZmS)

 

Deyyan Akkus und Nderim Pongja, Minna-Specht-Gemeinschaftsschule Reutlingen, Klasse 7c

 

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