ZmS: Guten Tag. Ich muss schon sagen, Frau Kurz, dass ich von Ihrer traumhaften Wohngegend wirklich angetan bin.
Isolde Kurz: Danke, ich weiß. Es hat mich schon immer hierher gezogen. Es ist wirklich schön hier.
Wo haben Sie als Kind gelebt?
Kurz: Ich wurde 1853 in Stuttgart geboren. Fünf Jahre später zogen wir dann nach Oberesslingen. 1862 wurde Kirchheim unter Teck unser neuer Heimatort, doch nur für ein Jahr. Dann zog es uns nach Tübingen, wo ich schließlich den Rest meiner Kindheit verbrachte.
Haben Sie damals schon gewusst, dass Sie Schriftstellerin werden wollten?
Kurz: Interessiert hat es mich schon. Ich wurde von meinem Vater inspiriert, der selbst Dichter war. Mit etwa neun Jahren unternahm ich erste schreiberische Versuche. Aber das waren eher Fingerübungen. Endgültig entschied ich mich mit 22 für diesen Weg, da mir meine Dichtung die Möglichkeit gab, meine Stimmung auszudrücken und mich frei zu entfalten.
War es für Sie am Anfang schwer, Schriftstellerin zu sein?
Kurz: Ganz leicht war es wirklich nicht. Ich hatte Probleme, mich gegen meine Mutter durchzusetzen. Dazu kam, dass die Schriftstellerei kein Beruf zum Reichwerden ist, zumindest nicht am Anfang. Meinen ersten großen Erfolg hatte ich erst nach 15 Jahren mit den Florentiner Novellen. Das war im Jahre 1890. Ab da ging es dann aufwärts. Es gelang mir aber erst, mich ganz meinem Beruf zu widmen, als meine Mutter, die sehr oft auf meine Hilfe und Pflege angewiesen war, starb.
Welches Verhältnis hatten Sie zu Ihren Eltern?
Kurz: Zu meinen Eltern hatte ich eigentlich immer ein sehr gutes Verhältnis. Ich habe sie innig geliebt und die Familie stand bei mir deshalb schon immer an erster Stelle - auch wenn es nicht immer ganz einfach war. Ein Konfliktpunkt zwischen uns war ihr politisches Engagement. Sie waren überzeugte Revolutionäre und Demokraten, was ich nicht verstehen konnte.
Wie stehen Sie zum Thema Politik allgemein?
Kurz: Ehrlich gesagt interessiert mich Politik herzlich wenig. Ich kann nicht verstehen, wie Leute sich derart für Politik interessieren und engagieren wie mein Vater, der dadurch auch seine Dichterkarriere zerstört hat.
Und wie ist Ihre Einstellung gegenüber den Nazis?
Kurz: Ich würde mich eher als Mitläuferin bezeichnen, und ich kann sagen, dass mir ihre Politik nicht missfiel. Ich erhoffte mir einfach eine Verbesserung der Verhältnisse durch die Nationalsozialisten.
Zurück zu Ihrer Familie: Sind Sie Einzelkind oder haben Sie Geschwister?
Kurz: Ich hatte leider das Vergnügen, mit vier jüngeren Brüdern aufzuwachsen . . .
Leider? War die Beziehung so schlecht?
Kurz: Es war nicht immer ganz unproblematisch, sich als einziges Mädchen durchzusetzen. Meine Brüder hänselten mich, spielten mir Streiche und machten sich über mich lustig.
Wurden Sie von Ihren Eltern ebenso behandelt wie Ihre Brüder?
Kurz: Eigentlich schon, wir waren alle gleichberechtigt. Doch ich wurde von meiner Mutter unterrichtet, weil sie die Volksschule nicht gut genug für mich hielt.
Ich sehe keinen Ehering an Ihrer Hand? Sind Sie nicht verheiratet?
Kurz: Nein, bin ich nicht. Mein größter Traum war es, erfolgreiche Schriftstellerin zu werden und frei zu sein. Ich denke, dass beides mir gut gelungen ist, doch habe ich mir nie vorstellen können, diesen Traum mit einem Mann zu teilen. Auch - und das muss ich ehrlich zugeben - ist mein Interesse an der Männerwelt recht gering und die Liebe steht bei mir nicht an erster Stelle.
Erkennt man hier etwa feministische Züge?
Kurz: Ganz und gar nicht. Ich bin keine Feministin und kann Frauen, die für ihre Rechte kämpfen, nicht verstehen. Für mich gilt, dass man Feministinnen und Frauen, die für sich selbst sorgen können, nicht gleichsetzen sollte.
Na? Neugierde geweckt? Sind noch ein paar Fragen offen? Dann wäre ein Besuch der szenischen Dichterlesung des Isolde-Kurz-Gymnasiums zu empfehlen. Die schulinterne Theater-AG präsentiert diese Veranstaltung nämlich zur Feier des 150. Geburtstags von Isolde Kurz am Donnerstag, 4. Dezember, um 19 Uhr im Foyer U3, Unter den Linden in Reutlingen. (ZmS)
Laura Faiss, Beatrix Barth und Melanie Rupp, Isolde-Kurz-Gymnasium Reutlingen, Klasse 10b