Das Leben gerettet
Auch ihr Mann Stefan, der sich gerade am Roundpen zu schaffen gemacht hat, begrüßt uns. Wir machen uns auf den Weg zu den Pferden. Oklahoma, ein Schecke, begrüßt uns zuerst. Dann kommen auch die anderen beiden. Zuerst Galant, der jetzt im Winter aussieht wie ein Teddybär, und dann Romeo, ein Rappe mit freundlichen Augen, der neugierig die Ohren spitzt und an meiner Jacke knibbelt, ob ich nicht noch eine Karotte für ihn habe. »Romeo hat sich klasse entwickelt«, schwärmt Franziska.Romeo kam durch Zufall zu den Nowotnys. Eine Bekannte der ehemaligen Besitzerin wurde auf einer Demovorführung der beiden im Mai 2008 auf sie aufmerksam. Am nächsten Tag schon meldete sich die Besitzerin und bat um ihre Hilfe. Romeo sei ein sehr explosives Pferd und nachweisbar unreitbar und extrem gefährlich. Die Nowotnys praktizieren »Natural Horsemanship« nach Pat Parelli und waren die Einzigen, die an das verstörte Pferd herankamen. Schließlich wollte ihnen die Besitzerin das Pferd überlassen, ansonsten würde er zurück zum Züchter geschickt werden, doch dort würde er eingeschläfert werden. Kurzerhand übernahmen sie das Pferd und retteten ihm so das Leben.
Romeo ist ein sechsjähriger Württemberger-Wallach, der im Herbst 2007 von einer Voltigierlehrerin gekauft wurde. Romeo hatte vor dem Kauf schon mehrmals den Besitzer gewechselt und war immer wieder zum Züchter zurückgegeben worden. Er hatte mehrere Beritte hinter sich und erst kurz vor dem Kauf wurde er einer Nervenschnittoperation im Gesicht unterzogen, weil er unter dem »Headshaking-Syndrom« litt. Normalerweise wird Headshaking von Rücken- oder Rittigkeitsproblemen, Reiterfehlern oder zu eng geschnalltem Hannoverschen Reithalfter hervorgerufen.
Vertrauen aufbauen
Aufgrund der vielen verschiedenen Ursachen kann man Headshaking nur schwer behandeln. Eine populäre Methode ist ein Nervenschnitt in der Gesichtsregion, auf die das Reithalfter drückt. Diese Methode ist jedoch nur in 20 bis 30 Prozent der Fälle wirksam. Romeo shakete aber nach der Operation immer noch, warf seine Reiter ab und griff sogar Menschen an. Er steigerte sich so sehr in seine Ängste hinein, dass er schon bei geringstem Druck tobte.Am Anfang integrierte er sich schlecht in die Herde und stand abseits. Sein Misstrauen gegenüber dem Menschen war groß. Inzwischen absolviert der eindrucksvolle Rappe problemlos die Aufgaben, die Stefan ihm stellt; er geht Slalom um zwei Tonnen, springt über kleine Sprünge und steht sogar mit einem Bein in einen Autoreifen. Nicht ein einziges Mal schüttelt er unwillig den Kopf, er ist ein völlig ausgeglichenes, neugieriges Pferd.
Romeo so zu sehen ist bei seiner Geschichte nicht selbstverständlich. Bei Familie Nowotny durfe er endlich und vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben »Pferd sein«. Er stand mit den anderen gemeinsam auf der Koppel, lernte so sein eigentliches Sozialverhalten kennen, war aber zunächst immer noch misstrauisch im Umgang mit Menschen. Mit viel Geduld bauten sie eine Kommunikation durch die alternativen Trainingstechniken, die auf Psychologie, Partnerschaft und Führungsqualitäten basieren, auf.
Der Wendepunkt für Romeo in der Beziehung zu Stefan und Franziska war aber erst, als Stefan sich einmal ganz entspannt mit einer Schülerin unterhielt und Romeo neben ihm stand. Auf einmal begann das Pferd, Stefan von Kopf bis Fuß abzuschlecken, während Stefan in stiller Verblüffung neben ihm stand und ihn kraulte. »Eine halbe Stunde lang ging das so«, erzählt Stefan freudestrahlend »danach war ich klatschnass von Kopf bis Fuß.« Heute arbeitet das Ehepaar mit ihrem Neuzugang ganz entspannt und das Pferd blüht regelrecht auf. Bald wollen sie ihn reiten. (ZmS)
Margaux Vogrin-Smith, Firstwald-Gynmasium Mössingen, Klasse 8a