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Mal wieder Zweitliga-Luft schnuppern

REUTLINGEN. Der Mannschaftskapitän des SSV Reutlingen Andy Rill (29) sprach mit ZmS-Reporter Moritz Gessert über sein Leben rund um den Fußball, die Mannschaft und ihre Perspektiven, Finanzen und Fans.

ZmS: Fußballprofi - ein Traumberuf für Sie?

Andy Rill: Ja, natürlich ist das toll, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann, auch wenn wir hier nicht ganze Fußballprofis sind. Ich glaube, es ist für jeden Jugendlichen, der gerne Fußball spielt, etwas Tolles, wenn man mit dem, was einem Spaß macht, sein Geld verdienen kann.

Ist das Fußballspielen Ihre berufliche Haupttätigkeit oder üben Sie Ihren erlernten Beruf noch aus?

Rill: Im Moment ist Fußball meine absolute Haupttätigkeit, wir trainieren sechs bis sieben Mal in der Woche. Ich habe nebenher noch Biologie und Sport auf Gymnasiallehramt studiert, und ab Januar werde ich diesen Beruf in der Schule auch ausüben.

Wie lange spielen Sie schon aktiv für den SSV Reutlingen Fußball und was waren bisher Ihre größten Erfolge?

Rill: Ich bin 1998 direkt aus der A-Jugend unter Armin Veh in die Regionalliga gekommen. Meine größten Erfolge waren: Aufstieg in die 2. Liga - das war ein ganz tolles Erlebnis! Wir wurden württembergischer Pokalsieger, waren beim Dortmunder Hallen-Masters dabei und sind in die Regionalliga unter Peter Starzmann aufgestiegen.

Was möchten Sie noch unbedingt in Ihrer Fußballlaufbahn erreichen?

Rill: Ich möchte ganz klar erreichen, dass der SSV dahin kommt, wo er eigentlich hingehört, in die 3. Liga! Langfristig wäre es schön, wenn wir hier wieder einmal Zweitliga-Luft schnuppern könnten, das wird aber wahrscheinlich die Generation nach mir versuchen.

»Geld allein schießt keine Tore. Aber es ist ein wichtiger Faktor«

Wie stark beeinflussen die verfügbaren Finanzen eines Vereins den sportlichen Erfolg einer Mannschaft?

Rill: Man sagt zwar immer: »Geld allein schießt keine Tore«, aber es ist natürlich schon ein wichtiger Faktor. Auf dem Platz stehen elf Leute, und wenn die keine Mannschaft sind, bringt auch das ganze Geld nichts. Wenn man sich die hochkarätigen Spieler nicht mehr leisten kann, so muss man schauen, dass man junge hungrige Spieler hat, die sich über so einen Verein wie den SSV Reutlingen entwickeln können. Geld ist im Profifußball einfach sehr, sehr wichtig.

Was wäre für die Zukunft wünschenswert bezüglich des Sponsorings?

Rill: Reutlingen ist ja keine arme Stadt, das muss man einfach mal ganz klar sagen. Ich denke einfach, dass viele Sponsoren es einfach unterschätzen, was sie für Möglichkeiten hätten, über den SSV Reutlingen für ihre Firma Werbung zu machen. Ich hoffe, dass die Wirtschaft im Raum Reutlingen den SSV bald wieder als werbefähiges Objekt sieht und da auch mehr investiert.

Zum Anfang der Saison wurde das Ziel ausgegeben, vorläufig den Klassenerhalt zu erreichen. Nach einem kurzen Höhenflug steht der SSV im unteren Tabellendrittel. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Rill: Ich denke das Ziel, erst mal Klassenerhalt auszugeben, ist absolut richtig, weil die Mannschaft bis auf zwei, drei Spieler komplett neu zusammengestellt ist. Wenn man sich ein bisschen auskennt im Fußball, ist es einfach so, dass es eine Weile braucht, bis die Mannschaft sich findet, bis sie sich kennen lernt, bis sie sich einspielt. Deswegen wäre alles andere, als den Klassenerhalt als Ziel auszugeben, meiner Meinung nach falsch. Da muss man auch realistisch sein.

Wie kann die verletzungsbedingte Unterbesetzung im Sturm aufgefangen werden?

Rill: Gerade Christian Okpala war hier in Reutlingen eine Riesenstütze und auch eine Riesenhoffnung, da trifft uns seine Verletzung natürlich hart. Wir versuchen jetzt über die Jugendarbeit, die hier in Reutlingen sehr gut ist, die Lücke aufzufangen. Marcel Ziegler ist jetzt gerade da und die anderen Jungs von der A-Jugend, die wirklich in meinen Augen sehr gut und talentiert sind und denen wir einfach ein bisschen Zeit geben müssen.

Die spielerische Leistung der Mannschaft geht wieder sichtbar aufwärts. Wann, denken Sie, klappt es wieder mal mit einem Sieg - mit selbst geschossenen Toren?

Rill: (lacht) Ich hoffe, dass es morgen mal so weit sein wird in Wehen, das haben wir uns vorgenommen. Die Jungs sind heiß und wir wollen natürlich jetzt auch einfach mal einen Sieg holen für die Fans, natürlich auch für uns selbst. Damit einfach mal wieder das Selbstvertrauen da ist, sodass wir in Ruhe weiterarbeiten können. (Anmerkung der Redaktion: Das Spiel gegen Wehen endete mit einem Sieg für den SSV. Das Tor schoss Andy Rill.)

Nennen Sie aus Ihrer Sicht Entwicklungsmöglichkeiten der Mannschaft, die auf eine erfolgreichere Rückrunde hindeuten.

Rill: Man muss sich nur mal den Altersdurchschnitt anschauen, da steckt schon noch viel Potenzial drin. Die Jungs können sich noch weiterentwickeln, gerade die ganz Jungen. Steigerungsmöglichkeiten sehe ich noch im Zusammenspiel und der Abstimmung untereinander.

»Da muss man in Deutschland lange suchen, um so eine Fan-gemeinschaft zu finden«

Der SSV Reutlingen ist vor zwei Jahren aus der Oberliga in die Regionalliga Süd aufgestiegen. Wie realistisch sehen Sie die Aufstiegschancen in die 3. Liga?

Rill: Das ist natürlich immer schwer zu sagen, wann so etwas passieren wird. Auf jeden Fall muss man erst mal schauen, dass man über zwei, drei Jahre - wie das ja damals in der Oberliga auch war - ein gefestigtes Team zusammenstellt, dass man dem Trainerteam Zeit lässt, da mal was wachsen zu lassen. Deswegen kann ich mich jetzt nicht auf ein Jahr festlegen, aber ich hoffe, dass es in relativ naher Zukunft sein wird.

Der Zuschauerdurchschnitt pro Saison war früher und ist heute immer noch im Spitzenfeld der Liga, das heißt, die gezeigten Leistungen werden honoriert. Gibt diese große Fanunterstützung die nötige Kraft für die Spiele?

Rill: Ich spiele ja schon echt ewig hier in Reutlingen und ich muss sagen, das ist auch mit ein Grund, warum es mir so viel Spaß macht, weil es die tollen Fans in Reutlingen gibt. Damit meine ich nicht nur die Szene E, die natürlich schon richtig für Stimmung sorgt. Insgesamt haben wir hier eine sehr gute Fankultur, die auch fair ist, mit der man auch mal nach dem Spiel reden kann, die auch vernünftige Ansichten hat und die Mannschaft immer unterstützt. Da muss man in Deutschland lange suchen, um so eine Fangemeinschaft zu finden.

Die Belastungen eines Fußballers und Spielführers sind sehr hoch. Wie schöpfen Sie dafür die notwendige Kraft, wie sorgen Sie für Ausgleich?

Rill: Natürlich ist es körperlich anstrengend Fußball zu spielen, aber dadurch, dass es immer noch Spaß macht, sind die Anstrengungen nicht ganz so schlimm. Man hat ja dann auch einmal einen Tag frei, an dem man in der Familie ist, Tennis spielt oder schwimmen geht. Da erholt man sich wieder schnell und man möchte auch dann bald wieder Fußball spielen.

»Abends esse ich ein paar Nudeln und gehe nicht zu spät ins Bett«

Wie sieht bei Ihnen die Vorbereitung vor und am Spieltag in Bezug auf Ernährung und Freizeit aus?

Rill: Ich muss schon sehr auf meine Ernährung und natürlich auf genügend Schlaf achten. Es fängt schon am Tag vor dem Spiel an. Abends esse ich ein paar Nudeln und gehe nicht zu spät ins Bett. Morgens am Spieltag komme ich nicht zu spät aus den Federn, frühstücke gut und wenn es ein Heimspiel ist, gehe ich noch ein bisschen spazieren. Beim Mittagessen nehme ich nur noch ein paar Nudeln zu mir.

Sehen Sie sich als Vorbild für die Jugend?

Rill: Es wäre schön, wenn man ein Vorbild für die Jugendlichen sein kann. Vorbild in dem Sinne, dass ich vielleicht den Jugendlichen zeigen kann, dass man in Reutlingen etwas erreichen kann. Es ist eigentlich das Ziel hier, gezielt auf die Jugendarbeit zu setzen und da gebe ich ein Beispiel dafür, weil ich auch aus der eigenen Jugend komme. Mein Wunsch: Geht also nicht immer gleich zum VfB oder zu den größeren Vereinen, sondern probiert es mal hier. Man kann trotzdem erfolgreichen Fußball spielen.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei den nächsten Spielen. (ZmS)

Moritz Gessert, Albert-Einstein- Gymnasium Reutlingen, Klasse 9 d