Doch bevor er uns verließ, haben wir ihn interviewt. Er hat uns erzählt, dass er eigentlich aus Siebenbürgen in Rumänien stammt. Dort hat er als 14-Jähriger eine Lehre als »manueller Schmied« angetreten. 15 Jahre danach lernte er noch Maschinenschlosser. In beiden Berufen besitzt er den Meisterbrief.
Dann arbeitete er noch zehn Jahre lang in der Funktion eines Meisters im Fach »Technisch-professionelle Kenntnisse« nebenberuflich als Lehrer. Als er schließlich in Reutlingen ankam, wurde ihm vom Arbeitsamt die Stelle als Hausmeister an unserer Schule angeboten.
Wir fragten ihn, ob das nicht eine ganz schöne Umstellung für ihn gewesen ist, und er sagte, dass der neue Job - wie jeder Neuanfang - nicht so leicht gewesen sei. Aber er habe sich schnell eingearbeitet, und dann sei es bald »rundgelaufen«. Bei Schülern wie uns habe ihm der Beruf als Hausmeister viel Spaß gemacht. Also denken wir, dass er mit uns nicht so viel Ärger hatte. Sonst hätte er sich irgendwann sicher eine andere Arbeit gesucht. Dennoch wäre er noch lieber in einem seiner beiden erlernten Berufe tätig gewesen, das verstehen wir schon.
Retter in letzter Sekunde
Jetzt, als Hausmeister, begann sein Arbeitstag um 6.30 Uhr. Zuerst schloss er morgens das Heizwerk auf, das zu den drei Schulen (Peter-Rosegger-Schule, Römerschanz-Schule und Albert-Einstein-Gymnasium) gehört. Dort schaute er nach, ob alles normal funktionierte, las den Strom- und Gaszähler ab, schaute nach dem Druck, dem Verbrauch, der Temperatur und anderen Werten.
Dann schloss er die Römerschanz- und die Peter-Rosegger-Schule auf, ebenso den Raum für die Kernzeitbetreuung und für die Zweigstelle der Stadtbücherei.
Tagsüber erledigte er kleinere Reparaturen, Putzarbeiten und anderes, was am Tage so zusammenkam. Seine Mittagspause machte er von 12 bis 13 Uhr, danach ging seine Arbeit weiter bis 18 Uhr. Anschließend hatte er noch bis 22 Uhr Bereitschaftsdienst für die Turnhalle, in der abends Vereine trainieren. Seinen letzten Rundgang startete er schließlich von 22.10 bis 22.30 Uhr. Dabei prüfte er nach, ob alles abgeschlossen ist, alle Lichter aus sind und überhaupt überall alles in Ordnung ist.
Einmal wurde in der Schule vergessen, vor einer Krippe eine Kerze auszublasen, die auf dem Boden stand. Auch die Putzfrau hatte diese brennende Kerze übersehen. Abends entdeckte Oskar Sandor ein flackerndes Flämmchen und erkannte, dass die Kerze nur noch etwa einen halben Zentimeter hoch war. Danach hätte sie auf dem Boden weiter gebrannt. Zum Glück konnte er sie noch früh genug ausblasen.
1996 zog unsere Schule von der Peter-Rosegger-Straße in den Neubau Sonnenstraße. In dem neuen Gebäude fielen etliche Baumängel an. Und wer musste diese wohl beheben? Oskar Sandor erzählte, dass zum Beispiel alle Bänke über den Heizungen nur mit einer einzigen Schraube befestig waren. Die musste er alle richtig befestigen. Dann hatte er sämtliche Regale in allen Räumen bis zum Einzug anbringen müssen. Dafür hat er etwa 1 000 Dübel gebraucht.
Der Sommer vor dem Einzug ins neue Schulhaus war eigentlich der schwerste in seinem ganzen Berufsleben, stellte Sandor fest. Natürlich kamen auch später immer wieder kleinere und größere Reparaturarbeiten wie Rohrbrüche, Kurzschlüsse, kaputte Geräte und Maschinen vor.
Erinnerung an seine Schulzeit
Wir wollten wissen, welche Arbeiten er nicht so gern erledigt hatte, und er antwortete, dass er es am wenigsten mochte, verstopfte Toiletten in Ordnung zu bringen. Naja, das wäre auch nicht gerade was für uns. Und zwischendurch musste er Reparaturen erledigen, die eigentlich ganz überflüssig waren, nämlich, wenn Schüler in ihrem Übermut Dinge zerstört hatten. Oskar Sandor meinte, Schüler sollen spielen, lachen, toben und fröhlich sein, aber nicht einfach Sachen kaputtmachen.
In seinen Ohren ist Kinderlärm Musik, und wenn die Hofpausen stumm verlaufen wären, fände er das schlichtweg eine »Katastrophe«, behauptete er.
Er erinnert sich an viele schöne Schulfeste, am eindrücklichsten war für ihn die Schulhaus-Einweihung nach dem Umzug von der Peter-Rosegger-Straße hier in die Sonnenstraße.
Hat Oskar Sandor auch noch Erinnerungen an seine eigene Schulzeit in Siebenbürgen? Ja, allerdings ging es da sehr streng zu. Damit wir uns das besser vorstellen konnten, erzählte er uns eine kleine Geschichte: In seinem Klassenzimmer stand damals ein Klavier, und auf dem hatte er als Schüler halt mal ein bisschen rumgeklimpert. Der Lehrer kam und verpasste ihm eine so kräftige Ohrfeige, dass er direkt unter das Klavier flog. Sowieso teilten die Lehrer immer Ohrfeigen aus an alle Schüler, von denen sie annahmen, dass sie sich nicht ganz ruhig verhielten. Das ging ungefähr so: »Na, du Dreikäsehoch, jetzt setzt es eine Ohrfeige, dass du gleich alle Englein im Himmel singen hörst.«
Als er selbst Schüler war, arbeitete an seiner Schule kein Hausmeister, sondern eine Hausmeisterin. Diese Frau war zum Glück gar nicht streng, sondern nett zu allen Schülern. Zuhause ging es allerdings genauso streng zu wie in der Schule. Sandor meint, dass er eine recht schwere Kindheit gehabt hat.
Auch seiner Frau begegneten wir bis letztes Jahr, als sie in den Ruhestand kam, bei uns in der Schule. Oskar Sandor fand das schön, dass er und seine Frau zusammen arbeiten konnten.
Und er erklärte uns den Grund: Weil sie an der gleichen Arbeitsstelle arbeiteten, kannten sie auch die Arbeitsprobleme voneinander und konnten darüber reden, ohne einander erst viel erklären zu müssen.
Sie halfen sich gegenseitig mit Ratschlägen und hatten Verständnis fürein-ander. Diese Jahre seien in seiner Ehe schöner gewesen als jene, in der beide an verschiedenen Arbeitsstellen tätig gewesen waren.
Dann erkundigten wir uns, ob Sandors auch Kinder haben. Ja, erzählte Oskar Sandor. Sie haben einen Sohn, der das Abitur gemacht hat und nach seiner Ausbildung eineinhalb Jahre als Betriebsleiter in den USA gewesen ist. Jetzt studiert ihr Sohn noch Physik und Technik, um auch Lehrer zu werden.
Auf dem Gütle herumwerkeln
Wenn Oskar Sandor mal ein bisschen freie Zeit hat, dann bastelt und liest er am liebsten. Früher hatte er manchmal sogar die ganze Nacht mit einem spannenden Buch durchgelesen. Also, zum Beispiel hat er ganz früher alle Karl-May-Bände verschlungen - und das sind ja siebzig Stück.
Im Ruhestand wird er in Reutlingen bleiben, er zieht mit seiner Frau nach Sondelfingen. Bestimmt wird er sich dann viel in seinem Gütle aufhalten und dort herumwerkeln. Und seine Frau wird dann die Möglichkeit haben, viele Blumen zu pflanzen und zu pflegen, denn sie ist eine große Blumenfreundin.
Und ab und zu planen Sandors vielleicht einen Kurzurlaub, aber nicht oft, denn sie sind es gar nicht gewöhnt, in Urlaub zu reisen.
Die ganze Zeit über hat Oskar Sandor als Hausmeister keinen Antrag auf Urlaub gestellt; 15 Jahre lang hat er keine Vertretung beansprucht und danach nur jedes zweite Jahr. Und ansonsten war er immer im Dienst oder in Bereitschaft.
Keinen Tag krank gewesen
19 lange Jahre war er bei uns Hausmeister. Und wie oft hat er sich in dieser Zeit krank gemeldet? Keinen einzigen Tag. Wir konnten das kaum fassen, denn wenigstens einmal im Jahr liegt beinahe jeder von uns mal krank zuhause im Bett.
Deshalb haben wir uns vorgestellt, dass Oskar Sandor zwar nie krank im Bett gewesen ist, aber manchmal auch mit Husten, Schnupfen oder Kopfschmerzen gearbeitet hat, und das hat er auch zugegeben.
Aber gleichzeitig meinte er, dass zufriedene Menschen seltener krank werden als unzufriedene. Ja, das denken wir auch, denn Oskar Sandor hat auf uns immer einen zufriedenen Eindruck gemacht.
Er sagte sogar, es tue ihm leid, dass er nicht mehr jung genug sei, um weiter arbeiten zu können. Denn er hat gern als Hausmeister bei uns gearbeitet - klar, bei solchen Schülern wie wir es sind.
Aber wir haben ihn auch sehr gern gehabt, und wir freuen uns schon darauf, wenn er uns besuchen kommt. Das hat er uns nämlich versprochen. Sicher werden wir ihm in seinem Ruhestand fast genauso fehlen wie er uns. (ZmS)
Julia, Athanasios, Vassilios, Hayo und Uwe, Oberstufe der Peter-Rosegger-Schule, Reutlingen