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Kämpferin für Frauenrechte

REUTLINGEN. »Lernen müssen wir«, hat Laura Schradin, engagierte Sozialdemokratin und erste weibliche Landtagsabgeordneten aus Reutlingen, gesagt. Sie wäre am 7. September 125 Jahre alt geworden. Nach ihr wurde die Laura-Schradin-Schule in Reutlingen benannt.

Helen Wanke, Historikerin im Heimatmuseum in Reutlingen, hat sich intensiv mit dieser »leidenschaftlichen und pragmatischen« Kämpferin für die Frauenrechte auseinander gesetzt. Im Heimatmuseum liegen einige Fotografien, Dokumente und persönliche Gegenstände aus dem Nachlass der berühmten Reutlingerin.

Laura Schradin wurde in Reutlingen als Laura Pfenning im Rebentäle geboren. Bilder aus der Zeit zeigen eine ernsthafte junge Frau. Als Tochter eines armen Weingärtners konnte sie nur die Volksschule am Gartentor besuchen, war aber sehr wissbegierig und lernte sogar freiwillig. Dabei musste sie von klein auf im Haushalt und Weingärtnerbetrieb mithelfen. Mit 18 Jahren stellte sie sich auf eigene Beine und begann als Weberin in der Firma »Hecht und Gross« zu arbeiten. Dort lernte sie Fritz Schradin kennen, der sie nach Feierabend zu ihrer kleinen Wohnung in der Tübinger Straße begleitete. Erst neun Jahre später heirateten die beiden.

Gedichte oder Geschirr spülen

Die Tochter Hedwig-Else lebt heute 93-jährig in einem Tübinger Altersheim. »Sie musste früher immer Geschirr spülen«, erinnerte sich eine Freundin von Hedwig. »Und wenn sie es nicht tat, las ihre Mutter ihr ein Heine Gedicht vor.«

Laura Schradin interessierte sich besonders für Politik und Literatur. Sie hielt einige Vorträge zu »Frauenfragen«. Außerdem kämpfte sie für den Mutterschutz, setzte sich gegen die Nachtarbeit von Frauen ein und warb für das Frauenwahlrecht. »Betragen zu unserer vollständigen Zufriedenheit« stand in ihrem Arbeitszeugnis als sie die Firma »Hecht und Gross« nach vier Jahren verließ.

Im Ersten Weltkrieg setzte sich Laura Schradin sehr für die Reutlinger Frauen ein, deren Männer im Krieg waren und erhielt dafür das Charlotten-Kreuz. Über 2 000 Frauen nähten in den Kriegsflick-Werkstätten, wie sie zum Beispiel eine in der Bundeshalle eingerichtet hatte. Die Gewinne stiftete sie einem Erholungsheim für Frauen.

1918 wurde die Gleichberechtigung der Frau zum Gesetz, und Frauen durften erstmals wählen. Laura Schradin ließ sich auf die SPD-Liste der Kandidaten für den Landtag setzen und wurde gewählt. Im Mai 1919 wurde sie in den Reutlinger Gemeinderat gewählt. Leider sind alle Dokumente aus ihrer Amtszeit Ende des Zweiten Weltkriegs verbrannt.

Bei der Frage, ob die weiblichen Lehrkräfte, die im Krieg (1914 bis 1918) eingestellt wurden, durch die heimkehrenden Männer ersetzt werden sollten, trat sie mit praktischen Vorschlägen für die Lehrerinnen und Lehrer ein. 1922 starb ihr geliebter Ehemann Fritz Schradin. Eine Lungenentzündung beeinträchtigte auch ihre Gesundheit. Deshalb musste sie um Enthebung von ihrem Amt als Gemeinderätin bitten. Trotzdem blieb sie Ansprechpartnerin und Helferin für Menschen in Not.

1933 war sie über die Machtübernahme Hitlers sehr enttäuscht, denn sie gehörte zu den Menschen, die glaubten und laut sagten: »Hitler bringt den Krieg.« Sie hielt sich mit ihrer politischen Meinung nicht zurück, deshalb wurde sie im November 1935 von den Nazis verhaftet.

Man warf ihr vor, die Partei und ihren Kreisleiter beleidigt zu haben. Dabei wollte sie nur ihr Erholungsheim für Frauen schützen, denn die NSDAP wollte das Heim zu einer Nazibräute-Schule umbauen. Sie bekam eine zweimonatige Haftstrafe. Wegen Haftunfähigkeit musste sie diese Strafe aber nicht absitzen.

Ohne Rücksicht aufs Privatleben

Nach einem Schlaganfall im Frühjahr 1937 konnte sie kaum noch sprechen. Ihre letzten Worte waren: »Ich kann euch nicht mehr helfen.« Am Morgen des 8. März, dem Weltfrauentag, starb Laura Schradin.

Sie war immer bereit, ihr Letztes mit den noch Ärmeren zu teilen. Sie gab ihre Liebe, ohne etwas dafür zu erwarten. Sie war eine Frau, die dankbar und zufrieden war mit dem, was sie besaß, und nicht ständig forderte und bat. Sie engagierte sich aufopferungsvoll für das Wohl ihrer Mitmenschen und nahm auf ihr Privatleben keine Rücksicht.

Wenn Laura Schradin heute noch leben würde und in unserem Alter wäre, wäre sie an unserer Schule bestimmt Schulsprecherin. Weil sie sehr engagiert war und sich für vieles einsetzte. Vielleicht wäre sie auch ein bisschen stolz, dass eine Schule ihren Namen trägt. (ZmS)



Wiebke Bittner, Manuela Herzog, Kim-Nele Schweckendiek und Patricia Schormann, Laura-Schradin-Schule Reutlingen, 2 BFP 1