Jedes Mal reißt es tausende von Menschen mit sich, egal ob Jung oder Alt, die das ganze Jahr dieses Event herbeisehnen. Sie verehren die Jockeys, die für ihre Contrata reiten. Einer, dem diese Ehre zuteil wurde, ist Giovanni Atzeni.
Streng nach Plan trainieren
Der gebürtige Nagolder (Calw), der seit drei Jahren an dem traditionellen Pferderennen teilnimmt, sammelte in Deutschland bis zu seinem elften Lebensjahr wertvolle Erfahrungen zum Thema Reiten, bis er dann mit seiner Familie in die Toskana zog, um sich dort seinen Traum zu erfüllen, den er vom ersten Moment an hatte, als er auf einem Pferd ritt: Er absolvierte eine dreijährige Ausbildung zum Jockey.
Der 21-jährige Deutsch-Italiener hat viel Talent, das er bereits bei kleineren Pferderennen unter Beweis stellte und das ihm schließlich 2003 dazu verhalf, den hart ersehnten Durchbruch in die hoch anerkannte toskanische Pferdeliga zu schaffen. Doch dort ganz oben mitzureiten, kommt nicht von selbst. Giovanni Atzeni muss jeden Tag hart dafür trainieren. Nur selten kann er sich eine Auszeit nehmen. Er muss sich immer strikt an seinen Trainingsplan halten.
Unbeschreibliche Stimmung
Jeden Morgen steht er um 6.30 Uhr auf und reitet vier bis fünf Stunden seine Pferde aus, die er für die kleineren Rennen immer auf Trapp halten muss. Nach einer Stärkung für Reiter und Pferde, wird wieder konsequent weitertrainiert, diesmal aber bergauf und bergab. So sieht Woche für Woche der Tagesablauf des Jockeys aus.
Vier Tage vor dem großen »Palio« beginnen die ersten Vorbereitungen, zu denen tausende Menschen anstürmen, die alle ihren Jockey moralisch unterstützen möchten. In diesen Tagen vor dem Rennen nehmen die Einwohner Sienas einen ganz neuen Charakter an.
Die Stimmung, die dort verbreitet wird, ist unbeschreiblich. Siena verwandelt sich in eine stark von Ehre, Stolz und Emotion getriebene Stadt, in der man alle Arten von Gefühlen empfinden und erleben kann. Menschen weinen, obwohl man nicht versteht, warum. Menschen feiern, obwohl es dazu noch gar keinen Grund gibt. Die Stimmung, die dort herrscht, ist einfach einmalig.
Giovanni Atzeni ist einer der talentiertesten Jockeys Italiens und dazu auch noch einer der jüngsten. Der Name Giovanni Atzeni ist allen Bewohnern in Siena bekannt. Wenn er an Italiens größtem Pferderennen teilnimmt, ist er immer voller Aufregung.
Die Menschen reißen ihn in ihrer Begeisterung so mit, dass er nicht weiß, wie ihm geschieht. Seine Gefühle vor dem Rennen sind kaum unter Kontrolle zu halten. Er ist natürlich immer voll fixiert und konzentriert auf das Hauptrennen. Diese Konzentration zeigt er auch bei den Proberennen, die in den letzten vier Tagen vor dem Hauptrennen, täglich morgens, mittags und abends stattfinden. Eine Menschenmasse auf dem Campus in Siena, die aus rund 50 000 Zuschauern besteht, »lässt dich«, wie Giovanni selbst sagt, »zum Stier werden«. »Man empfindet ein Gefühl, dass dich denken lässt, alles bewältigen zu können. Doch genau durch dieses Denken vergeht die Zeit umso langsamer.« Giovanni sagt, dass Minuten wie Stunden vergehen, und dies mache ihn vor jedem Rennen unsicher. Genau in diesen Momenten versuche er immer, gefühlsmäßig das Beste daraus zu machen, was ihm auch meistens durch seinen unendlichen Kampfgeist gelinge.
Aufgeben gibt es nicht
Als er im Jahr 2005 am Rennen teilgenommen hat, ist er ganz knapp am Sieg vorbeigeritten. Der Startschuss fiel und Giovanni ritt, voll darauf fixiert den Sieg zu holen, eineinhalb Runden hinter seinem Kontrahenten als Zweitplazierter. Als er dann in einer Rechtskurve seine Chance, den ersten Platz zu übernehmen, nutzen wollte, streifte er mit seinem Pferd die Mauer, woraufhin es samt ihm fatal zu Boden stürzte.
Seine Kontrahenten konnten ihm glücklicherweise ausweichen, aber sein Pferd, das mit 250 Kilogramm ein stattliches Startgewicht auf die Waage brachte, trat ihm unabsichtlich auf den Oberschenkel. Giovanni musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Ärzte diagnostizierten eine Oberschenkelquetschung, die aber nach vier Wochen wieder komplett ausgeheilt war. Die Enttäuschung war sehr groß nach dem fast gewonnenen Rennen, aber Giovanni Atzeni kennt das Wort Aufgeben nicht.
Im August dieses Jahres verpasste er auch nur ganz knapp den Sieg. Zwei Runden lang verfolgte er abermals seinen Kontrahenten, der zu diesem Zeitpunkt den ersten Platz belegte, bis Giovanni in der dritten Runde wieder zum Endspurt ansetzte und einer Kollision nicht aus dem Weg gehen konnte.
Giovannis größter Kindheitstraum ist bis jetzt leider noch nicht in Erfüllung gegangen. Aber vielleicht bald, beim nächsten Palio, dem wohl emotionalsten Pferderennen der ganzen Welt, für das Giovanni Atzeni immer versucht, das Letzte und Beste aus sich herauszuholen, um endlich als Sieger von der Menschenmasse bejubelt und hochgehoben zu werden. (ZmS)
Faruk Sevinc Junior, BZN-Gymnasium, Klasse 10