Konkurrent: Weihnachtsmann
Ich habe mich deshalb wiederholt gefragt: Wo ist eigentlich das Christkind geblieben? Spielt es in den Familien in der Vorweihnachtszeit und an Heiligabend wirklich keine Rolle mehr? Ist es sozusagen ein Auslaufmodell? Um dies herauszufinden, habe ich die unterschiedlichsten Personen zu diesem Thema interviewt. Während meines Sozialpraktikums im Kindergarten habe ich mit vielen Kindern darüber gesprochen.Einige meinten, es sei der Weihnachtsmann, der abends heimlich in die Häuser kommt. Als ich sie aber auf das Christkind ansprach, schauten sie mich mit großen Augen an, überlegten kurz und meinten, dass es auch die Geschenke brächte, zusammen mit dem Weihnachtsmann. Andere Kinder waren sich dagegen ganz sicher: Nur der Weihnachtsmann kommt an Heiligabend in die Häuser. Dann entdeckte ich einen kleinen Jungen, der seinen Wunschzettel im Kindergarten »schrieb« und dem ich dabei über die Schulter sah. Er erklärte mir, dass dieser für das Christkind sei, damit es weiß, was er sich wünscht.
Wie man sieht, gab es im Kindergarten sehr geteilte Meinungen über das Christkind und den Weihnachtsmann. Na ja, vielleicht liegt das ja am Alter der Befragten. Ich habe dann meine Mitschüler in der Schule befragt. Auch hier ergab sich kein einheitliches Bild. Wobei bei den meisten Schülern an Heiligabend der Weihnachtsmann in die Häuser kam.
Als Nächstes habe ich mit Frau S., einer älteren Dame, gesprochen. Sie ist in Sachsen-Anhalt aufgewachsen und hat mir erzählte, mir wie sie in ihrer Kindheit an Heiligabend gefeiert haben. An Heiligabend ging sie immer mit ihrer Familie in die Kirche. Anschließend, als sie wieder zu Hause waren, kam der Weihnachtsmann. Er war ein rundlicher Mann im roten Mantel und langem weißen Bart. Eben ein » richtiger« Bilderbuch-Weihnachtsmann, wie Frau S. meinte. Als ich sie auf das Christkind ansprach, meinte sie, dass sie diesen Brauch erst kennengelernt hat, als sie vor einigen Jahren nach Baden-Württemberg umgezogen ist. Die Weihnachtsmanntradition hat sie an ihre Kinder weitergegeben und diese würden es in gleicher Weise in ihren Familien handhaben.
Danach befragte ich ein älteres Ehepaar. Diese beantworteten meine Frage sofort mit dem Christkind. Ihnen sei diese Tradition schon von ihren Eltern vermittelt worden. Herr und Frau L. haben dies dann in gleicher Weise ihren Kindern und diese wiederum an deren Kinder weitergegeben.
Das Christkind kann fliegen
Als ich ein 8-jähriges Mädchen aus meiner Nachbarschaft auf das Christkind ansprach, meinte sie sofort, dass natürlich das Christkind an Heiligabend die Geschenke bringt. Etwas nachdenklich fügte sie noch hinzu, dass sie das Christkind noch nie gesehen habe, es aber aus vielen Geschichten genau kenne. An Heiligabend, erzählte sie, wenn sie nach der Kirche nach Hause kommen, leuchtet der Weihnachtsbaum und die Geschenke liegen schon darunter. Sie erklärte mir dann noch, dass immer, wenn sie ins Wohnzimmer kommt, die Terrassentür offen steht, weil das Christkind gerade aus dem Zimmer geflogen ist und ein Glöckchen leise klingelt. Als das kleine Mädchen mir ihre Geschichte von Heiligabend erzählte, hat mich das sehr an die Heiligen Abende in meiner Kindheit erinnert. Am nächsten Tag hat sie mir dann ein von ihr gemaltes Bild des Christkinds geschenkt.Nach diesen Recherchen bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass das Christkind doch kein Auslaufmodell ist, auch wenn es in den Medien nicht mehr so präsent ist. Entscheidend für den Einzelnen ist vielmehr, welcher Brauch, abhängig von der regionalen Herkunft, der Tradition und dem Glauben in der Familie, von Generation zu Generation weitergegeben wird. (ZmS)
Tabea Uder BZN-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9a