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Im Fegefeuer der Eifersucht

REUTLINGEN. Kloß im Hals. Puddingknie. Hummeln im Magen. Für die einen klingen solche Symptome nach ultimativer Verliebtheit, für den Tübinger Kabarettisten Philipp Weber eher nach »Brechdurchfall«. Wobei das eine mit dem anderen durchaus zu schaffen hat. Jedenfalls dann, wenn man auf Freiersfüßen amouröse Irrwege beschreitet und sämtliche Annäherungsversuche voll in die Hose gehen. So wie die erste windelweiche Sandkasten-Romanze mit Ruth.

Philipp Weber begeisterte mit »Herzattacken« sein junges ZmS-Publikum im Foyer U3. FOTO: TRINKHAUS
Philipp Weber begeisterte mit »Herzattacken« sein junges ZmS-Publikum im Foyer U3. FOTO: TRINKHAUS
Philipp Weber begeisterte mit »Herzattacken« sein junges ZmS-Publikum im Foyer U3. FOTO: TRINKHAUS
Prima, schwärmt Weber, ließ es sich mit ihr plappern. Über Gott und die Welt. Vor allem aber über die reichlich »Biene-Maja-fixierten« Krabbelgruppentanten, die einem gehörig auf den Babykeks gehen konnten. Also nichts wie weg. Per Bobbycar. »Wir nannten uns Bonny und Clyde vom Erlebnis-Spielplatz«, schwelgt Philipp Weber in fiktiven Erinnerungen und verrät: »Die Polizei stoppte uns am Stuttgarter Kreuz É«

Frech-frivole Szenen

»Herzattacken« lautet der Titel des aktuellen Kabarett-Programms von Philipp Weber, das am vergangenen Donnerstag exklusiv für ZmS-Teilnehmer über die Bühne des Reutlinger Foyer U 3 ging. Exklusiv auch deshalb, weil der Gewinner des »Passauer Scharfrichterbeils« und »Obernburger Mühlsteins« seine frech-frivolen Liebes-Episoden eigens für die ZmS-Abschlussveranstaltung überarbeitet und neu arrangiert hatte. Der Mühe Lohn: Begeisterte Zuschauer, die die teils hoch ironischen, teils nachdenklichen, bisweilen auch schlüpfrigen Szenen aus dem Leben eines eifersüchtigen WG-Bewohners mit reichlich Applaus honorierten.

Starke Bühnenpräsenz

Weber überzeugte vor allem durch seine starke Bühnenpräsenz. Mit spärlichster Requisite - ein Stuhl und ein Müllsack genügten - gelang es dem 29-jährigen Tübinger, sein junges Publikum dort abzuholen, wo es sich derzeit befindet: mittenmang in der Pubertät. Ob denn auch die älteren Semester auf ihre Kosten kamen? Logisch! Die haben den Tanz der Hormone ja bereits hinter sich und konnten sich mithin ganz entspannt auf längst vergangene Eskapaden besinnen - freilich ohne jemals die ersten Zungenküsse mit Ochsenmaulsalat geprobt zu haben oder von den Worten »äy, haste mal ne Mark« betört worden zu sein.

»Jaqueline brachte mir bei, was Faschismus ist, ich ihr, wie man es schreibt«, schmachtet sich Philipp Weber in die frühen 80er zurück, in »durchlaberte Nächte«, da sich die alkoholisierten Gespräche um »Fascho-, Bullen-, Rentner- und Kindergarten-Schweine« sowie deren »Spießigkeit« drehten. Doch wie kann man dem entrinnen? Durch Flucht. »Wir befreiten ein paar Hunde aus dem Tierheim und spannten sie vor einen Einkaufswagen« É »kurz vor dem Stuttgarter Kreuz haben uns dann die Bullen geschnappt«: das Ende einer außergewöhnlichen Beziehung und der Anfang eines unfreiwilligen Single-Daseins, dessen tragikomische Elemente im Foyer U 3 für beständiges Glucksen sorgten. Und das nicht nur wegen des brillant inszenierten »Turteltauben-Todestrips«, der die ZmSler auf eine abgelegenen Skihütte führte, mitten hinein in den Single-Blues. Denn Hand aufs Herz: Allein zwischen lauter Beziehungskisten - da kann man schon eine akute Pärchen-Paranoia ausbrüten und neidisch werden. Auf Wienerle, zweispurige Fahrbahnen und das Duale Müllsystem.

Amors Schlachtfeld

Dass dies natürlich krude Gedanken eines rettungslos frustrierten Einzelkämpfers auf dem Schlachtfeld Amors sind, ist klar. Dass der bedauernswerte Tropf vorübergehend gerettet wird, nicht. Aber Erlösung naht. In Person der Sexualtherapeutin Ulla, die sich den Single mal eben zur Brust nimmt und gründlich kuriert.

Bloß: Madame hat es nicht so mit der Pünktlichkeit. Und das nervt. Das entfacht das Fegefeuer der Eifersucht, zumal Ulla, umgeben von testosteronstrotzenden Trainern, nicht aus dem Fitness-Studio nach Hause findet und ihren Lebensabschnittspartner schmoren lässt.

Welch ein Glück, dass dieser die Wartezeit mit scharfzüngigen Querdenkereien zu überbrücken versteht. Und welch ein Glück, dass Ulla partout nicht anrücken will. Denn andernfalls wären die hundert begeisterten Zuschauer im Foyer U 3 um einen spitzig-witzigen Abend betrogen worden. Danke Ulla! (ekü)