ZmS: Herr Bürgermeister Hase, im Zuge der Bildungsreform sollen auch die Bad Uracher Schulen zu Ganztagsschulen umgestaltet werden. Wie wird die Stadt in dieser Hinsicht aktiv?
Markus Hase: Da geht es zunächst um die Frage des Sollens. Einen für Bad Urach verbindlichen Beschluss gibt es noch nicht. Es gibt ein Förderprogramm des Bundes, das 90 Prozent der Investitionskosten trägt. Da die Zuständigkeit für den Bildungsbereich bei den Ländern liegt, stellt sich nun die Frage, wie diese das Programm weiter leiten. Ein Problem ergibt sich dadurch, dass nicht nur die reinen Investitionskosten anstehen, sondern in Ganztagesschulen auch eine Mensa erforderlich ist, hier also auch das Essen finanziert werden muss und das Personal benötigt wird. Wobei die Stadt in dieser Hinsicht auf ehrenamtliches Engagement setzt. Die Stadt muss dann immer noch, sowohl für die zehn Prozent Investitionsfinanzierung, als auch für die laufenden Kosten wie Reinigung, Heizung und Unterhalt aufkommen. Ich begrüße es jedoch aus Gründen der größeren sozialen Gerechtigkeit, wenn wir dieses Konzept anbieten können, auch mit Blick auf andere Länder, wie beispielsweise Frankreich, wo die Ganztagesschulen schon lange bestehen. Letztendlich muss dann der Gemeinderat als Hauptorgan der Gemeinde über die Einführung entscheiden.
Politikverdrossenheit scheint ein erstes Problem zu sein. Was glauben Sie, wie desinteressierte Jugendliche, besonders in Bad Urach, an Politik herangeführt werden können?
Hase: Das ist zunächst ein Problem dessen, wie Politik sich darstellt, auch, wie in den Medien über Politik berichtet wird. Es ist schade, wenn hier nur eine negative Schlagzeile eine gute Schlagzeile ist. Wir haben in Bad Urach ja keinen Jugendgemeinderat und darauf gesetzt, die Jugendlichen jeweils an bestimmten Projekten zu beteiligen. So wurde in diesem Frühjahr die Jugendstudie zum Abschluss geführt. Im Herbst wurde dann der Umbau des Bahnhofs in einen Jugendtreff beschlossen und die Mittel für die Stelle des Jugendbetreuers mit 50 Prozent Beschäftigungsumfang bereitgestellt. Ich würde mir wünschen, dass wir manchmal mit den Entscheidungen zeitnäher sein können, um den Jugendlichen zu verdeutlichen, dass eine Beteiligung an der Politik Sinn macht.
Glauben Sie, die Politikverdrossenheit stellt eine Gefährdung der Demokratie auf kommunaler Ebene dar?
Hase: Nein, das glaube ich nicht. Es ist ein Grundproblem jeder Gesellschaft, dass mit der Befriedigung von Grundbedürfnissen das gesellschaftliche Engagement abnimmt. Aber wie zum Beispiel unsere Bauwagengruppen beweisen, sind Jugendliche in Bad Urach durchaus in der Lage, sich für ihre Interessen einzusetzen und sich selbst zu organisieren.
Wie kamen Sie persönlich zur Politik? Waren Sie als Jugendlicher schon politisch aktiv?
Hase: Das war ein seltsamer Weg. Ich hatte damals mit einem Lehrer wegen der Korrektur einer Klassenarbeit eine Meinungsverschiedenheit. An demselben Tag warb der damalige Schülersprecher für Wahlen der Schülermitverantwortung. Also wurde ich in der SMV aktiv, um selbst Verantwortung zu übernehmen und für die Interessen von Schülern einzutreten, was sich dann bis hin zur Mitarbeit in der Stadtschülervertretung in Villingen-Schwenningen hinzog. Ich denke, Jugendliche und Schüler sollen an Entscheidungen, die sie betreffen, demokratisch beteiligt werden.
Bad Urach hat einen hohen Ausländeranteil. Wie könnten ausländische Mitbürger besser integriert werden?
Hase: Dies ist ein schwieriger und langer Weg. Am Besten wird es zunächst für uns deutlich, wenn wir uns im Ausland bewegen. Dann nehmen wir die deutschen Grundsätze und Wertvorstellungen in unseren Köpfen mit und sehen, dass die Dinge in fremden Ländern anders passieren. So geht es unseren ausländischen Mitbürgern, wenn sie dann bei uns sind. Wir müssen Wege finden, Ihnen unsere Grundsätze und Wertvorstellungen darzustellen. Dies geschieht zum Beispiel sehr gut in Sportvereinen, in Schulen und im miteinander Wohnen. Die Stadt ist wiederum aufgefordert, ausländischen Jugendlichen im pädagogischen Bereich Hilfestellungen zu geben, Sprachkurse zu vermitteln oder gemeinsame Aktionen, wie das neulich stattgefundene Tanzseminar zu unterstützen.
Sie tragen eine ziemlich große Verantwortung. Ist es nicht eine riesengroße Belastung, diese Verantwortung in 365 Tagen acht Jahre lang zu tragen?
Hase: Ja, manchmal schon. Auf der anderen Seite macht es Freude, wenn es vorwärts geht, wenn nach langen Diskussionen Projekte beschlossen werden. Dieses Amt bringt auch sehr erfreuliche Dinge mit sich, wie den Schäferlauf, wo ich Gelegenheit habe, mit wirklich der ganzen Stadt zu feiern. Abgesehen davon habe ich viele nette Mitarbeiter, die die Arbeit für unsere Stadt mittragen.
Inwieweit haben Sie als Bürgermeister überregionale Kontakte?
Hase: Als Privatperson sitze ich im Kreistag und Regionalverband. Außerdem gibt es über das Stift der Württembergischen Landeskirche und die Landeszentrale für Politische Bildung einige internationale Kontakte mit Russland, Polen, Rumänien, Frankreich, Großbritannien und den USA. Alle zwei Jahre findet ein Seminar mit dem Institut Eurograd in St. Petersburg statt, bei dem ich selbst schon mehrfach referiert habe. Darüber hinaus besteht eine Städtepartnerschaft mit Enying in Ungarn.
Was ist Ihre interessanteste Aufgabe als Bürgermeister?
Hase: Immer wieder Gespräche mit Bürgern, Planungen und auch die gerade angesprochenen internationalen Kontakte. Im Ausland gehen die Menschen oftmals ganz anders an die Dinge heran, und ihre Sicht bereichert unseren Horizont.
Was gefällt Ihnen in Bad Urach besonders gut?
Hase: Dass wir noch eine Größenordnung haben, wo man Gemeinschaft bildet und sich kennt. Dahinter steht dann das soziale Engagement etwa in den Vereinen. Mir gefällt das örtliche Gepräge unserer Stadt und ihre Geschichte, und mir gefällt unsere Umgebung, die man unter den drei Begriffen Wald, Fels und Wasser zusammenfassen kann, sehr gut. Das ist für mich hohe Lebensqualität.
Sie blicken auf acht Jahre Amtszeit zurück. Gibt es da Dinge, auf die Sie besonders stolz sind?
Hase: Ja. Wir haben in diesen acht Jahren viel bewegt. So wurden Baugebiete in Ortsteilen erschlossen, innerorts das Kempel-Areal, Gymnasium und Ermstalhalle saniert, die Schlossmühle renoviert, die Festhalle auf einen guten Stand gebracht und den Anschluss an die Ermstalbahn erreicht.
Was ist das wichtigste Ziel Ihrer nächsten Amtszeit?