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Aktuell INTERVIEW

Geübt oder nicht: Er mag alle Schüler

TÜBINGEN. Bernd Fischer leitet eine private Musikschule für Geigenunterricht in Tübingen-Weilheim. Als erfahrener Konzert-Geiger machte er sich selbstständig und gründete die »Villa-Musica«.

ZmS: Seit wann gibt es die »Villa-Musica« und wie kamen Sie auf die Idee, diese zu gründen?

Bernd Fischer: Die »Villa-Musica« besteht seit 2001/2002. Sie entstand aus meinem Violin- und Suzuki-Studio, das ich in Tübingen 1989 gegründet hatte. In Weilheim haben meine Frau und ich nach sechs Jahren Suche ein passendes Objekt gefunden. Mir war es wichtig, einen eigenen Veranstaltungsraum und Platz für meine Schüler zu haben. Ich wollte unabhängig sein von einem externen Veranstaltungsort und die Möglichkeit haben, eigene Ideen umzusetzen. Mein Drang nach Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit hat mich bewogen, die »Villa-Musica« zu gründen.

Wie stehen Sie zu Ihren Schülern und zu Ihrem Unterricht?

Fischer: Sehr persönlich! Ich mag meine Schüler alle, auch wenn sie nicht geübt kommen (lacht). Es ist spannend, wie sich die jungen Persönlichkeiten entwickeln, vor allem über die Jahre hinweg. Viele meiner Schüler fangen bei mir sehr früh an, also während des Kindergartens oder in der Grundschule. Ich bilde mir ein, dass ich manche Schüler besser kenne als die Lehrer in der Schule. Manche kommen zu mir seit zehn, fünfzehn Jahren zum Unterricht. Daraus entstehen persönliche und enge Freundschaften in dem Sinne, dass ich genau weiß, wo der Einzelne seine Stärken hat und wie ich ihn oder sie dann motivieren kann.

Gibt es bei Ihnen auch Konzerte? Wenn ja, was empfinden Sie, wenn Ihre Schüler auf der Bühne stehen?

Fischer: Bei uns gibt es regelmäßig Konzerte, so vier bis fünf Mal im Jahr mit den Schülern auf jeden Fall. Manchmal haben wir auch sogenannte externe Veranstaltungen. Dann kommen ehemalige Schüler und Studenten oder meine Kollegen, und wir spielen zusammen – meist kammermusikalische Programme. Wenn meine Schüler bei mir auf der Bühne stehen, dann freut es mich immer besonders, wenn zum Beispiel eine »schwere Stelle« in einem Stück gut geklappt hat. Mich freut es auch, wenn Dinge entstehen, die im normalen Unterricht nicht entstehen würden, weil da die gewisse Spannung fehlt. Es ist ein tolles Erlebnis, zu beobachten, wie Schüler über ihre Fähigkeiten hinauswachsen können.

Hat sich etwas in den letzten Jahren an Ihrem Unterricht oder an den Schülern verändert?

Fischer: Mein Unterricht hat sich in sofern verändert, als dass ich dank der Erfahrungen, die ich in drei Jahrzehnten in ungefähr 80 000 Unterrichtseinheiten gemacht habe, vieles auf effiziente Art weitergeben kann. Mir ist es wichtig, die Schwierigkeiten eines Stücks mit den Schülern zu entdecken und einen Problemlösungs-Schatz zu finden. Ich versuche, Dinge auf dem kürzesten Weg umzusetzen. Das Stichwort heißt: mit möglichst wenig Üben viel Ergebnis zu bekommen. Also, dass nicht jemand zwei Stunden üben muss, sondern dass er das gleiche Ergebnis auch mit einer halben oder dreiviertel Stunde hinbekommt. Leider kommt ums Üben keiner herum, da Geigespielen eine Fähigkeit ist, die trainiert werden möchte – wie Sport oder Handwerk, Laufen oder Malen. Durch die Schule sind die Schüler heute stärker in Anspruch genommen. Das allein macht schon eine intelligentere Übweise nötig.

»Es ist ein tolles Erlebnis, zu beobachten, wie Schüler über ihre Fähig-keiten hinauswachsen«
Machen Sie Werbung, oder wie kommen Ihre Schüler zu Ihnen?

Fischer: Ich lebe im Wesentlichen von der der Mund-zu-Mund Propaganda. In den ersten Jahren habe ich sehr viel Werbung gemacht, in den letzten zehn Jahren nicht mehr so. Vieles spricht sich herum, nach dem Motto: »Da ist jemand, der kleine, mittlere und große Schüler das Geigen gut beibringen kann und ein pädagogisches Händchen hat.«

Ab wie vielen Jahren kann man bei Ihnen anfangen, Geige zu spielen?

Fischer: Meine jüngsten Schüler und Schülerinnen sind dreieinhalb bis vier Jahre alt. Sie dürfen anfangen, wenn sie selber Interesse an der Geige haben. Also wenn sie Geige spielen möchten, keine Ruhe mehr geben und sagen: »Mama/Papa, ich will Geige anfangen.« Dann fange ich spielerisch mit ihnen an, ohne Noten, nur nach Gehör und durch Spiegel-Neuronales Lernen, also Vormachen und Nachmachen mit viel Lob. Die Kinder kommen von Anfang an zweimal die Woche zum Unterricht. Einmal einzeln und einmal in der Gruppe mit ähnlichem Entwicklungs- und Könnensstand. Der Einzelunterricht dauert für die Jüngsten 20, 30 Minuten und wird dann meistens im Alter von 12 bis 15 Jahren auf 45 bis 60 Minuten ausgebaut. Die Anfänger bekommen »kleine Häppchen«, sodass sie bald kleine Melodien spielen können. Nach einem Jahr können die meisten etwa 17 Stücke – von Volksliedern über Stücke von Johann Sebastian Bach, Robert Schumann und Friedrich Gossec – auswendig spielen zuzüglich einer »kräftigen Portion« von Weihnachtsliedern.

Wie motivieren Sie Ihre Schüler und Schülerinnen, da oft die kleineren auch unruhig sind?

Fischer: Motivation und Pädagogik sind die wichtigsten Dinge, die man heutzutage im Unterricht benötigt. Kein Schüler ist jede Woche gleich gut drauf, ich versuche, sie immer da abzuholen, wo sie gerade sind, und die Begeisterung für die Musik herüberzubringen. Ich möchte ihnen die Dinge verständlich in ihrer jeweiligen Entwicklungsstufe erklären. Der wichtigste Faktor ist Geduld. Das ist der Schlüssel zum Erfolg.

Haben die Kinder noch Zeit genug, wegen des Schuldrucks regelmäßig ihr Instrument zu üben oder überhaupt erst eins zu erlernen?

Fischer: In der Vorschule und in der Grundschule klappt das noch sehr gut. Im Gymnasium und mit den Klassenstufen nach oben fehlt ihnen meist die Zeit, bestimmte Sachen zu entwickeln. Da merke auch ich, die Schüler haben wenig Freiraum. Wenn ich die Möglichkeit hätte, in die Schulpolitik einzugreifen, dann würde ich bestimmte Dinge »radikal« im Sinne von Radix = die Wurzel ändern.

»Der wichtigste Faktor ist Geduld. Das ist der Schlüssel zum Erfolg«
Wie sind Ihre Unterrichtszeiten?

Fischer: Wenn die Schüler bei mir im Vorschulalter anfangen, fangen sie meist mit zwanzig Minuten Einzelunterricht an und der dreiviertel Stunde Gruppenunterricht. Der Einzelunterricht wird individuell abgemacht, abhängig vom Stundenplan der Schule, dem Kindergarten oder den Arbeitszeiten der Eltern. Einzelunterricht kann 30, 45 oder 60 Minuten dauern, je nach den Wünschen der Schüler. Die Wahl ist abhängig von der Konzentrationsfähigkeit des Schülers.

Wie es sich anhört, arbeiten Sie sehr viel. Haben Sie da noch Zeit für Ihre Familie?

Fischer: (lacht) Mein Beruf ist für mich eine Berufung und deswegen nimmt er viel Raum ein. Ich mache das alles mit Begeisterung, und meine Familie toleriert das auch. Wenn ich noch einmal vor dieser Entscheidung stünde, ob ich das wieder machen würde, dann ja! Für mich ist es wichtig, mit Menschen zu arbeiten, ich könnte nicht den ganzen Tag mit einer Maschine arbeiten. Ich brauche das persönliche Gegenüber.

Lieber Herr Fischer, vielen Dank für Ihre kostbare Zeit, die Sie mit mir für das Interview verbracht haben. (ZmS)

Pauline Krüger, Wildermuth-Gymnasium Tübingen, Klasse 9 a