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Flotte Lotte und Spätzlesmühle

REUTLINGEN. Heutzutage öffnet man den Kühlschrank, holt eine tiefgefrorene Fertigpackung raus und wärmt sie in der Mikrowelle auf. Doch wie war das früher - ohne elektrische Geräte? Wo wurden Lebensmittel aufbewahrt, mit was wurde der Herd befeuert, und seit wann gibt es überhaupt elektrische Küchengeräte in der Küche?

Um diese Fragen zu beantworten, bin ich zu meiner Urgroßmutter Irene Mareis gefahren. Sie ist 96 Jahre alt und lebt seit 1956 mit ihrem Ehemann, meinem Urgroßvater, in Reutlingen. Zur Unterstützung hatte ich ihre Tochter und meine Großtante, Sabine Bock dabei. Bei den Erzählungen wurde eine alte, fast schon vergessene Welt, wieder zum Leben erweckt.

Eis statt Strom

Meine Urgroßmutter wuchs in der oberen Mittelklasse auf. In ihrer Kindheit, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, besaß ihre Familie bereits einen Kühlschrank. Kein Gerät, wie wir es uns vorstellen: Er wurde nicht elektrisch, sonder mit selbstgemachten Eis gekühlt, das schwer herzustellen war. Der Herd wurde noch mit Kohle geheizt. Die Töpfe standen auf Gussreifen. Das einzige Gerät der Küche war die Spätzlesmühle, die meine Urgroßmutter von ihrer Mutter später geerbt hat. Das Gerät ist also rund 100 Jahre alt. Außerdem stand der Familie ein Dienstmädchen zum Putzen und Waschen zur Verfügung.

Nun fragt ihr euch, ob früher alles Handarbeit war. »Aber sicher«, lautet die Antwort. Da waren eben Muskeln gefragt. Damals aß man auch zusammen - und wie mein Urgroßvater meint, war das wichtig und gut für die Familie.

Und was hat man früher so gegessen? Nichts anderes als heute, zumindest bei meiner Urgroßmutter. Fleisch, Suppen Gemüse und Fisch - wie wir es kennen - aber wenig Obst.

Damals waren Muskeln gefragt

Vor dem Krieg hatte meine Urgroßmutter nicht einmal einen Kühlschrank. Da wurde eben der Keller benutzt. In großen Steintöpfen wurden Eier in Kalk aufbewahrt und gestampftes Kraut für den ganzen Winter haltbar gemacht. Ein wichtiges Gerät war die Flotte Lotte - jenes Gerät, durch das man Obst passiert.

Nach dem Krieg ging es den meisten schlecht. Es gab nichts, was man hätte kaufen können.

Die Not nach dem Krieg

1956 zogen meine Urgroßeltern mit ihren Kindern nach Reutlingen. Dort wurden dann die ersten elektrischen Geräte gekauft. Eine Kaffeemaschine, ein elektrisches Messer, ein Handrührgerät, ein Kühlschrank und eine Brotschneidemaschine. Und was sagt man zu neuen Haushaltshilfen, die mit Strom laufen? »Toll!«

Das Mobiliar in der Küche stammt noch aus dem Jahr 1936, als geheiratet wurde. Die Geräte stammen aus dem Jahr 1956. Seit dem wurde die Küche nicht mehr erneuert. Warum? »Ich brauch nichts Neues«, antwortet meine Urgroßmutter - schließlich hat man sich in den Jahren an seine Sachen gewöhnt.

Am meisten schätzt meine Urgroßmutter den Kühlschrank, weil man jetzt auf Vorrat einkaufen kann. Da kommen dann auch schon mal Fertigprodukte in die Fächer. Es ist einfacher und schneller, auf diese Art und Weise zu kochen und in den Jahren hat sie immer für sich und ihren Mann Mahlzeiten zubereitet. Trotz der gefrorenen Erbsen und dem lange haltbaren Fleisch kommen alte deutsche Gericht auf den Tisch.

Eine positive Revolution

Was wohl alle beschäftigt, ist die Frage: Mussten die Kinder früher auch in der Küche mithelfen? Ja, das mussten sie. Zum Beispiel mussten sie die Holzspültische glatt spänen die vom Wasser dunkel geworden waren. Die Aufgaben sind anders, dass Schema ist gleich. Daran hat sich wohl nichts geändert.

Fest steht, das die Küche sich im letzten Jahrhundert stark verändert hat. Sie hat sich nach Aussage meiner Urgroßmutter - sie weiß wohl am besten Bescheid - eine positive Revolution durchgemacht. (ZmS)



Nicole Wiebusch, Hermann-Kurz-Schule Reutlingen, Klasse 10