Ich kenne in der Nachbarschaft eine Lehrerin, die an einer Sonderschule für geistig behinderte Kinder und Jugendliche arbeitet. In einem Gespräch war sie bereit, mir einen Einblick in den Schulalltag ihrer Klasse (Grundstufe) zu geben. Zuvor noch eine kurze Information über die Schule für Geistigbehinderte: Die Schulzeit gliedert sich in Stufen. In der Grundstufe geht man vier Jahre lang zur Schule - mit der Möglichkeit, um ein weiteres Jahr zu verlängern. Die Hauptstufe sieht fünf Jahre Schulzeit vor, auch hier gibt es ein Verlängerungsjahr. Die Berufsschulstufe sieht drei Jahre plus ein Verlängerungsjahr vor.
In jeder Klasse sind meistens nicht mehr als acht Schüler. Der Grund dafür ist, dass jedes Kind unterschiedlich weit in seiner Entwicklung ist und besondere Förderung braucht. Sonderschulen für geistig behinderte Kinder sind Ganztagesschulen und arbeiten wie Regelschulen nach einem Bildungsplan.
Carmen liebt Leseaufgaben
Marlena, André, Carmen, Felix und Marc kommen wie alle anderen Schüler und Schülerinnen mit verschiedenen (nicht öffentlichen) Schulbussen in die Schule, manche können auch alleine zur Schule laufen. Der Unterricht beginnt damit, dass die Schüler und Schülerinnen ihre Jacken und Schuhe ausziehen und Hausschuhe anziehen. Für viele Schüler sind diese Aufgaben nicht einfach. Deshalb sind alle lebenspraktischen Anforderungen wie Essen (Frühstück und Mittagessen), Toilettengänge, An- und Ausziehen ein wichtiger Bestandteil in jedem Unterricht. Im Klassenzimmer angekommen treffen sich alle Schüler am Tisch oder im Kreis und es wird der bevorstehende Tag besprochen.Anhand von Bildsymbolen und/oder Ganzwörtern erarbeiten Marlena und Marc den Stundenplan, der Wochentage und Unterrichtsinhalte anzeigt. Die Beiden »lesen« ihn gerne auch ihren Klassenkameraden vor. Carmen, André und Felix schreiben den Stundenplan mit Datum auf und lesen ihn auch vor. Mathe und Deutsch findet meistens in kleinen Gruppen statt.
Carmen geht sehr gerne in den Leseunterricht, weil sie dort andere Schüler aus der Schule trifft und gemeinsam mit ihnen Leseaufgaben löst. Differenzierungsgruppen nennt man das. Das heißt, es wird versucht, die Schüler nach Leistungsstärke in Gruppen zu unterrichten. Diese Gruppen werden meistens in Mathe, Deutsch und im Themenunterricht gebildet, manchmal auch im Schwimm-unterricht.
Morgens werden meistens die Fächer unterrichtet, die viel Konzentration brauchen: Mathe, Deutsch oder Themenunterricht. Zurzeit beschäftigt sich die Klasse mit gesunder Ernährung. Es wird »gesund« gekocht, passend dazu werden Rezepte, auch Bildrezepte, hergestellt. Im Themenunterricht wird dann beispielsweise mit viel »echtem« Material besprochen, was gut für unseren Körper ist und was nicht.
Bewegung für die Konzentration
An den Nachmittagen können sich die Schüler an Arbeitsgemeinschaften (AG) anschließen. Es gibt eine Tanzgruppe, Taekwondo, einen Chor, Fußball oder eine Schattenspiel-AG. Wer an keiner AG teilnehmen möchte, kann in seiner Klasse bleiben und andere »schöne« Aufgaben machen. Regulärer Unterricht am Nachmittag kann auch Gestalten, Musik oder Schwimmen sein.Jeden Tag müssen die Schüler in der Freiarbeit gewisse Aufgaben erledigen, die sie beispielsweise im Unterricht nicht zu Ende gemacht haben.
Das ist oft nicht so schön, freie Zeit wäre ihnen lieber. Da kann man nämlich mit großen Fahrzeugen fahren und sich auf einer Hüpfburg austoben. Die Lehrerin hat mir erklärt, dass Bewegung zwischen den einzelnen Schulstunden sehr wichtig ist, damit sich die Kinder wieder besser konzentrieren können.
Ich finde eine Schulwoche in so einer Schule richtig gut. Es gefällt mir, dass dort mit weniger Druck und Stress gearbeitet wird und mehr auf den einzelnen Menschen eingegangen wird. In unseren Regelschulen steht Leistung immer im Vordergrund und nicht, wie es wenigstens ab und zu sein müsste, der einzelne Schüler. (ZmS)
Cedric Vorsatz, Hohensteinschule
Klasse 8