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Erst Kampf im Oval, dann Party

STUTTGART. Samstagabend. Eine Halle in Stuttgart. Plötzlich eine Schar von Frauen. Tough, das Pokerface aufgesetzt, sie tragen auffällige Kleidung und bunte, beklebte Helme. Und natürlich Rollschuhe. Ein paar Männer und eine Frau in schwarz-weiß gestreiften T-Shirts. Die »Reffs« (Schiedsrichter). Wir sind bei einem »Bout« - einem Wettkampf - der »Stuttgart Valley Rollergirlz« (SVRG).

Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, war ich genauso verblüfft, wie Sie es wahrscheinlich auch wären. Doch dann hat mich diese außergewöhnliche Sportart fasziniert und begeistert. Die »Stuttgart Valley Rollergirlz« ist der erste von insgesamt acht Roller-Derby-Vereinen in Deutschland. Er besteht aus lauter Frauen ab 18 Jahren, die in verschiedene Stufen eingeteilt sind. Die »Newbies« (Anfänger), die »Rookies« (Fortgeschrittenen) und die »All Stars« (1. Mannschaft).

Diese Mannschaften trainieren viermal in der Woche. Mittwochs die »Newbies«, freitags und sonntags die »Rookies«, dienstags sind alle dran. Erst wärmen sich die Frauen 20 bis 30 Minuten auf, danach machen sie diverse Übungen, wie zum Beispiel Fahren mit Richtungswechsel, eingebaute Stopps und »eine Runde alles geben«.

Hartes Training

Natürlich darf auch das Kraft- und Ausdauertraining nicht zu kurz kommen. Doch dieses harte Training macht sich bezahlt. Bei sogenannten Bouts treten die SVRG gegen Mannschaften aus ganz Europa an. Dabei spielen immer 14 Frauen, die sich abwechseln. Ein Bout dauert zwei Mal eine halbe Stunde. Auf der "Track" (Bahn) befindet sich ein Pulk von Spielerinnen aus beiden Mannschaften - die "Blocker.

Ein paar Meter hinter ihnen steht aus jeder Mannschaft eine »Jammerin« (Punktesammlerin). Während die »Blocker« langsam losfahren, müssen die »Jammerinnen« versuchen, sich mithilfe ihrer »Blockerinnen« durch den Pulk zu drängen. Die gegnerischen Spielerinnen versuchen dies zu verhindern und ihre eigene »Jammerin« durchzulassen. Hat eine von beiden sich vor die »Blocker« gearbeitet, ist die »Lead Jammerin« und es geht ans Punktesammeln. Sie muss in einer bestimmten Zeit so viele Runden wie möglich fahren. Ist auch die generische »Jammerin« vorn, darf auch sie Punkte sammeln. Die »Lead Jammerin« darf den »Jam« (Durchgang) per Handzeichen beenden, wenn sie es für nötig hält. Bricht sie den »Jam« nicht ab, dauert er zwei Minuten. Die Mannschaft, die am Ende die meisten Punkte gesammelt hat, hat gewonnen.

Ich habe mich mit »Silicon Sally« (Stefanie Bardos) von den »Rollergirlz« unterhalten. Als Erstes interessiert mich, wie man ein Rollergirl werden kann. Ich erfahre, dass zweimal im Jahr sogenannte »Recruiting Days« (Tage der offenen Tür) stattfinden. Danach darf man vier Wochen lang ins »Rollergirlz«-Leben reinschnuppern. Entschließt man sich dann, Mitglied zu werden (man zahlt 20 Euro im Monat), ist man ein halbes Jahr lang ein »Newbie«.

Viele Anfragen

Nach dieser Zeit wird ein Test gemacht. Dieser besteht aus einem theoretischen Teil, in dem man 40 Fragen beantworten muss und einem praktischen Teil, in dem man die Grundvoraussetzungen erfüllen muss wie Springen, Blocks, Stopps und so weiter. Besteht man diesen Test, ist man »Rookie«. Ab diesem Zeitpunkt darf man zum Spiel eingesetzt werden. In letzter Zeit gibt es sehr viele Anfragen.

Für nächstes Jahr sind vier Auswärtsspiele geplant. Diese finden entweder in Deutschland oder im Ausland statt. Wer vielleicht denkt, dass jedes Girl am liebsten einmal »Jammerin« ist, hat sich geirrt. Zu meiner Überraschung ist diese Position sogar die unbeliebteste, schließlich hat man die größte Verantwortung. Letztendlich entscheiden die »Line-Up Manager«, wer auf welcher Position spielt.

Im Training muss jeder alles können, aber im Spiel ist eine kleine, zierliche Person wahrscheinlich geeigneter als »Jammer«, während stabilere Personen eher gute »Blocker« sind. Was mir besonders auffällt, ist, dass die Roller Derby Girls alle sehr kreativ sind. Jede Frau hat ihren eigenen Spielernamen, bei dem sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen kann. Aber er muss dem »Code of Conduct« (Verhaltenskodex) entsprechen. Darin sind alle Regeln aufgeführt. Der Name darf nicht anrüchig oder rassistisch sein. Und er darf nur einmal in der ganzen Roller-Derby-Welt vorkommen.

Blitzkrieg Baby, Milly Vandally

Es ist natürlich auch etwas ungeschickt, wenn die Namen innerhalb des Vereins ähnlich klingen. Ein paar Spielernamen sind zum Beispiel »Evil-Lynn«, »Blitzkrieg Baby«, »Vegas« oder »Milly Vandally«. Aber nicht nur in den Namen zeigen die sportbegeisterten Frauen ihre Kreativität. Seid Kurzem stehen die Bouts unter Mottos, zu denen sich die Spielerinnen passend anziehen.

Zur Ausrüstung. Die »Rollergirlz« haben spezielle Derby Skates aus Leder. Diese gibt es nur in Amerika und man muss sie für mindestens 160 Euro bestellen. Aber das rentiert sich, denn sie sind von guter und strapazierbarer Qualität. So gibt es nämlich, trotz des heftigen Stoßens und Schubsens keine ernsthaften Verletzungen. Diese passieren, wenn überhaupt im Training, aber auch dort hat, sich »Silicon Sally« noch so gut wie nie schlimmer verletzt.

Wieso diese Sportart? Was ist das Besondere daran? Darauf bekomme ich nicht nur eine lustige Antwort, sondern auch ein Schmunzeln. »Es ist einfach eine Sammelstelle für alle. Jeder, der Volleyball langweilig oder ein Fitnessstudio öde findet, kommt zu uns.« Die Rollergirlz sind alle keine wirklich »normalen« Typen. »Wir passen eben nirgendwo so richtig rein. Doch bei dieser Sportart stimmt das Gesamtpaket.«

Unbedingt zum nächsten Bout

Es ist eine ernst zu nehmende und anstrengende Sportart. Es ist die Kombination aus Teamspiel und Strategie. Man lernt immer mehr dazu und wird vor neue Herausforderungen gestellt. »Und obwohl wir im Kampf Gegner sind, fallen sich nach dem Schlusspfiff alle in die Arme und nach jedem Spiel machen wir eine große Party«, sagen die Mädchen. Nach dem Gespräch beschließe ich, das nächste Spiel der SVRG zu besuchen. Denn so etwas darf man auf gar keinen Fall verpassen. (ZmS)

www.rollergirlz.de www.gea.de/zms

Fine Heuser, Friedrich-List-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9 b