ZmS: Wie sind Sie zur Schulsozialarbeit gekommen?
Sabine Schuhmacher: Ich habe schon ganz verschiedene Berufe ausgeübt, ursprünglich habe ich eine Ausbildung zur Fachverkäuferin im Modebereich gemacht. Habe dann unter anderem auch ein Jahr als Sportanimateurin in Israel gearbeitet und war zwei Jahre Redakteurin beim Reutlinger Wochenblatt. Dort habe ich mich hauptsächlich für die sozialen Themen interessiert. Da ich sehr gerne Menschen helfe, denen es nicht gut geht, die Sorgen, Probleme oder Schwierigkeiten haben, begann ich mein Sozialpädagogik-Studium. Ich wollte an einer Schule arbeiten, da gerade Kinder und Jugendliche auf die Hilfe von Erwachsenen angewiesen sind. In Schulen kann man mit ganzen Klassen zusammenarbeiten und erreicht so mehr Kinder und Jugendliche als beispielsweise bei einer Tätigkeit beim Jugendamt, wo man immer nur mit einem Teil der SchülerInnen zu tun hat.
»Die Zukunft der Werkrealschule ist unsicher – somit auch meine Stelle als Sozialarbeiterin«Warum sind Sie von der Werkrealschule an das Gymnasium gewechselt?
Schuhmacher: Die Zukunft der Werkrealschule ist unsicher – somit auch meine Stelle als Sozialarbeiterin. Dann war es so, dass am Gymnasium eine Stelle frei war, und ich sehr gerne am BZN bleiben wollte. Ich kannte ja auch schon alles und fühle mich hier sehr wohl. Außerdem muss ich sagen, dass Jessy total etabliert ist und es sicherlich einen großen Aufstand der SchülerInnen geben würde, wenn sie weg wäre. Am Gymnasium reizt mich erst mal die Menge an SchülerInnen und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten, und ich finde es toll, dass es viele bereits bestehende Angebote (AGs, Mentorenprogramm, Aktionstage …) gibt.
Warum kommen Schüler, Eltern und Lehrer zu Ihnen?
Schuhmacher: Schüler kommen zu mir, wenn sie Rat und Unterstützung benötigen oder Fragen haben und sich alleine nicht mehr helfen können. Es gibt Themen, die möchten sie zu Hause oder bei Freunden nicht ansprechen. Manchmal geht es eben auch um Probleme im Elternhaus, Streit mit Freunden oder Ausgrenzung. Eltern und Lehrer kommen dann, wenn sie sich um ihre Kinder beziehungsweise Schüler Sorgen machen. Manche Jugendliche fallen auf, weil sie sich traurig zurückziehen, andere dagegen durch Aggressivität, Regelverletzung oder Selbstverletzung.
Mit welchen Methoden arbeiten Sie?
Schuhmacher: Da ich ja schon seit 13,5 Jahren Schulsozialarbeit mache, hatte ich viele Gelegenheiten, Fortbildungen zu besuchen. Daher ist mein Beratungsstil sicherlich ein Mix aus verschiedenen Stilen, vor allem geprägt durch Wertschätzung jedem gegenüber. Ein weiterer Grundsatz ist, dass nicht ich weiß, was gut für den anderen ist, sondern letztendlich jeder sein eigener Experte ist. Ich kann Kinder und Jugendliche nur dabei unterstützen, herauszufinden, was gut für sie ist und ihnen weiterhilft. Bei Konfliktbearbeitungen sind mir natürlich meine Zusatzausbildungen, wie beispielsweise die Mediationsausbildung oder die Ausbildung zur Mobbingberaterin, sehr dienlich.
Wo liegen die Grenzen der Schulsozialarbeit? Wann werden andere Personen mit einbezogen?
Schuhmacher: Ich bin ja zum Beispiel keine Psychologin, wenn jemand aber eine Therapie benötigt, helfe ich bei der Weitervermittlung und der Therapieplatzsuche. Manchmal wollen Kinder nicht mehr nach Hause, weil sie geschlagen werden. Dann benötigen wir die Unterstützung durch das Jugendamt, das bei den weiteren Schritten behilflich ist.
»Für Jugendliche ist es manchmal auch toll, eine gleichgeschlechtliche Vorbildfunktion zu erleben«Wäre es sinnvoll, auch einen männlichen Sozialarbeiter an der Schule zu haben?
Schuhmacher: Ich fände es gut, wenn an jeder Schule ein Mann und eine Frau arbeiten würden, da sich dann auch der Jugendliche aussuchen kann, an wen er sich wendet. Manchmal gibt es Kinder, denen entweder eine männliche oder eine weibliche Bezugsperson fehlt. Außerdem fällt es einigen Jugendlichen sicherlich leichter, zum Beispiel über das Thema Sexualität mit einem gleichgeschlechtlichen Gegenüber zu sprechen. Ein Mann macht sicherlich auch in manchen Situationen ganz andere Angebote als eine Frau. Vor allem ist es für Jugendliche manchmal auch toll, eine gleichgeschlechtliche Vorbildfunktion zu erleben.
Wie schätzen Sie Ihre Präsenz an der Schule ein? Wie wird Ihre Hilfe insbesondere von Schülern wahrgenommen?
Schuhmacher: Da ich erst seit ein paar Wochen am Gymnasium bin, kann ich natürlich noch nicht großartig über Fallzahlen sprechen. Ich kann nur so viel sagen, dass ich an der Werkrealschule in den letzten 13,5 Jahren sehr viel Schülerkontakte hatte und so zeichnet es sich bis jetzt auch am Gymnasium ab und ich denke auch, dass es so bleiben wird.
Wieso braucht es heutzutage überhaupt Sozialarbeiter an Schulen?
Schuhmacher: Früher wurde den Schülern und den Schülerinnen nur sehr wenig geholfen, sie mussten mit den Problemen irgendwie alleine klarkommen. Ich kenne keine Fallstudie, im Rahmen derer untersucht wurde, wer zum Beispiel als Erwachsener psychologische Unterstützung benötigte, weil er in der Schule gemobbt wurde oder wie viele sich früher beispielsweise wegen Mobbing oder anderen Problemen das Leben genommen haben. Es wurde allerdings festgestellt, dass benachteiligte Jugendliche dringend Unterstützung benötigen und auf Grundlage des SGB VIII §13 wurde inzwischen in nahezu allen Schularten Schulsozialarbeit eingeführt.
»Meinungsverschieden-heiten wird es immer geben, es kommt darauf an, wie man sie austrägt«Häufig wird das Sozialverhalten von Kinder und Jugendlichen kritisiert. Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit in dieser Hinsicht erreichen?
Schuhmacher: Ich finde den Leitsatz »Verständnisvolles Miteinander« vom Gymnasium sehr passend, denn ich persönlich kann das Sozialverhalten der Schüler natürlich nicht ändern, aber ich kann sie dabei unterstützen, Verständnis füreinander aufzubringen, niemanden auszugrenzen und freundlich, respektvoll und hilfsbereit miteinander umzugehen. Dazu gehört allerdings auch, sich ehrlich und offen zu begegnen und beispielsweise auch zu lernen »Ärger mitzuteilen, ohne dass es Ärger gibt« und auf Grundlage von Ich-Botschaften das störende Verhalten des anderen zu benennen, die eigenen Gefühle zu äußern und die Folgen des Verhaltens des anderen für einen selbst zu schildern, um abschließend mitzuteilen, was man sich hinsichtlich des benannten Verhaltens in Zukunft vom anderen wünscht und erwartet. Meinungsverschiedenheiten wird es immer geben, es kommt darauf an, wie man sie austrägt. Man sollte immer fair bleiben, sich nicht beleidigen und so weiter. Freundlich zueinander sein, meint allerdings auch nicht, immer zu allem »Ja und Amen« zu sagen. Es ist natürlich auch sehr wichtig zu lernen, die eigenen Grenzen den anderen aufzuzeigen und auch die Grenzen anderer anzuerkennen und zu respektieren.
Woran erkennen Sie, ob Sie gut gearbeitet haben?
Schuhmacher: Das merke ich beispielsweise daran, wenn Schüler und Schülerinnen immer wieder zu mir kommen und nach Hilfe und Unterstützung fragen und ihre Freunde und Freundinnen auf Empfehlung ebenfalls zu mir kommen und um Rat bitten. Außerdem freut es mich besonders, wenn ich Schülern begegne, denen es mal sehr schlecht ging und ich schon allein an ihrem Gesichtsausdruck und ihrer Körperhaltung erkenne, dass es ihnen inzwischen sehr viel besser geht.
Was sollte eine Schulsozialarbeiterin Ihrer Meinung nach auf jeden Fall können?
Schuhmacher: Eine Schulsozialarbeiterin sollte einen Beratungsstil entwickelt haben, der anderen Menschen dabei hilft, gute Lösungen für sich selbst zu finden. Außerdem ist meiner Meinung nach eine Ausbildung zur Mediatorin für Schule und Jugendhilfe und eine Ausbildung zur Fachberaterin für Mobbingprävention und -intervention unabdingbar. Zudem sollte man auf jeden Fall offen für Kooperationen sein.
»Ich finde die Bezahlung für Sozialpädagogen im Allgemeinen zu niedrig«Gibt es Dinge an Ihrem Job, die Ihnen nicht gefallen?
Schuhmacher: Ich finde die Bezahlung für Sozialpädagogen im Allgemeinen zu niedrig. Die Stellenumfänge an den Schulen sind außerdem insgesamt zu gering. Wie vorher bereits erwähnt, wäre es auch sehr hilfreich, wenn eine Schule auf Angebote einer weiblichen und einer männlichen Fachkraft zugreifen könnte.
Wenn Sie sich nochmal für einen Beruf entscheiden müssten, würden Sie sich erneut für die Sozialarbeit entscheiden?
Schuhmacher: Ja, auf jeden Fall. Ich habe ja bereits erwähnt, dass ich sehr gerne im Kontakt mit Kindern und Jugendlichen bin und es mir Freude macht, ihnen dabei zu helfen, das eine oder andere Problem anzugehen und vor allem gute Lösungen für sich selbst zu entwickeln und hilfreiche Wege zu beschreiten. Da ich in diesem Berufsfeld die beste Gelegenheit erhalte, möglichst vielen Jugendlichen Unterstützung anzubieten, würde ich mich sicherlich noch mal für diesen Beruf entscheiden. (ZmS)
Smilla Johann und Karla Jetter, BZN-Gymnasium, Reutlingen, Klasse 9