Das Hospiz selber hat eine sehr warme und freundliche Ausstrahlung. Nie würde ich diesen Ort mit dem Tod in Verbindung bringen, denn es erinnert mich mehr an ein Hotel als an einen Ort zum Sterben. Beim Betreten der Küche und Wohnecke begegne ich den ersten Gästen - so werden die Patienten hier genannt - die gerade beim Kaffee um den Tisch versammelt sitzen. Ein fröhlicher, kleiner Kaffeekranz.
Ein unerwartetes Lachen
Die Gäste, einige Angehörige und eine Angestellte sind in ein Gespräch vertieft, aus dem, für mich plötzlich und völlig unerwartet, Lachen erklingt. Seltsam an einem Ort, den ich zunächst einmal mit Trauer und Leid in Verbindung bringe.
Umso schwerer fällt es mir, mir vorzustellen, dass diese Menschen todkrank sind und bald sterben werden. Nach dem Kaffetrinken legen sich einige Gäste zum Ausruhen hin oder setzen sich in einen Sessel, um Radio zu hören. Ich hingegen begebe mich in das Stationszimmer. Dort bereiten die Fachpflegekräfte die regelmäßige Medikamentenausgabe vor.
Bei der Medikamentengabe wird genau darauf geachtet, dass die Gäste regelmäßig und pünktlich ihre Medizin einnehmen. Dies dient dazu, den Menschen größtmöglichste Schmerzfreiheit zu gewährleisten, um ihnen während des Krankheitsprozesses und auch beim Sterben ein würdiges Dasein zu ermöglichen.
Liebevoller Umgang
Durch Gespräche mit den Mitarbeitern erfahre ich, dass die Gäste sehr unterschiedlich mit ihrem baldigen Tod umgehen. Manche gehen ganz bewusst mit ihrer zunehmenden Schwäche und dem Ende ihres Lebens um und akzeptieren diese Lebenssituation. Andere wiederum vergessen ihre Krankheit und hoffen auf Genesung - bis zum letzten Atemzug. Auch gibt es Gäste, die ihre tödliche Krankheit verdrängen und sich nicht mit ihrem Tod auseinander setzen wollen. Aber gerade deswegen darf jeder Gast im Eninger Hospiz Veronika seinen individuellen Sterbeweg gehen.
Nach dem Abendessen - die Gäste wählen selbst, ob sie essen wollen oder nicht - machen sie sich für die Nacht fertig. Einige tun dies noch selbstständig, bei anderen müssen die Pflegekräfte zur Hilfe kommen.
Am Ende der Schicht gehe ich. Mein Eindruck ist, dass man mit den Gästen sehr liebevoll, würdevoll und mit Respekt umgeht. Aber es bleiben gemischte Gefühle zurück: die Freundlichkeit die mir sowohl von den Gästen als auch von den Mitarbeitern entgegengebracht wurde, aber auch die Trauer, die der Gedanke an den baldigen Tod dieser Menschen in mir hervorruft.
Doch dieser Ort ist wirklich ein guter Platz zum Sterben, davon bin ich nun überzeugt. Auch ist mir nun die Angst genommen, einen solchen Ort zu besuchen. Man kann dort in aller Würde und auch mit Freude seine letzten Tage erleben. (ZmS)
Niklas Heinemann, Freie Waldorfschule auf der Alb, Engstingen, Klasse 11