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Aktuell Geschichte

Ein fast normales Leben

GOMADINGEN-GRAFENECK. In Grafeneck begann 1940 die Aktion T4: Die nationalsozialistische Regierung beschlagnahmte das Schloss Grafeneck. Im Auftrag der Regierung wurden Menschen mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen ermordet. Letztes Jahr wurde mit der Spur der Erinnerung an die 10 654 Opfer erinnert. 1946/47 wurde Grafeneck an die Samariterstiftung zurückgegeben, die erneut eine Behinderteneinrichtung errichtete. 1965 wurde das Tötungsgebäude abgerissen. 1989/1990 wurde die Gedenkstätte Grafeneck erbaut. 112 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen leben heute dort.

Einer von diesen Menschen ist der 51-jährige Dieter. Er lebt seit 1998 in Grafeneck. Wir sprachen mit Emma Kaul, Dieters Mutter, die uns viel über ihn berichten konnte. Als er 13 Monate alt war, verursachte die gesetzlich vorgeschriebene Pockenimpfung eine Hirnhautentzündung, die auch sein Sprachzentrum beschädigte. Bis heute kann er nicht sprechen. Dieter lebte bis zu seinem achten Lebensjahr bei seinen Eltern, dann wurde er in ein Pflegeheim für Behinderte gebracht. Die schlechte Pflege und die Tatsache, dass er dort geschlagen wurde, veranlasste Emma Kaul dazu, ihn in Grafeneck unterzubringen.

Zwölf Jahre führte Emma Kaul einen Gerichtprozess gegen die BRD, da diese ihrer Ansicht nach an der Erkrankung ihres Sohnes durch die gesetzliche Impfung Schuld war. Die Gerichte entschieden, dass die BRD verpflichtet ist, den Unterhalt von Dieter zu bezahlen.

Dieter wohnt in einer überschaubaren Wohngruppe. Zu allen Tages- und Nachtzeiten sind Betreuer anwesend, die auf die Behinderten aufpassen, für sie kochen und sie pflegen. Es wird im Schichtbetrieb gearbeitet, da es ein sehr harter Job ist, der einem viel abverlangt. Die Pfleger müssen mit den unterschiedlichsten Behinderungen umgehen können. Arbeiten kann Dieter in einer Werkstatt in Münsingen - eine Werkstatt für behinderte Menschen mit 72 Arbeitsplätzen, außerdem gibt es in Grafeneck eine Landwirtschaft mit zwölf Arbeitsplätzen.

Bei der Arbeit geht es nicht in erster Linie ums Geldverdienen: Arbeit ist auch ein Stück Therapie für die Behinderten. Auch das Reiten ist eine gute Ergänzung des Alltags. Die Samariterstiftung versucht, den Bewohnern von Grafeneck ein gutes Leben zu ermöglichen und sie in einen fast normalen Alltag einzubinden. (ZmS)

Mareike Meng und Madeleine Lang, Graf-Eberhard-Gymnasium, Bad Urach, Klasse 9 c