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Aktuell INTERVIEW

Die Stimme im Stadtbus

REUTLINGEN. Erst hört man einen Gong und dann eine Stimme: »Reutlingen Hauptbahnhof.« Jeder Reutlinger hat das schon mal im Bus gehört. Doch wer macht diese Ansagen? Es ist Elke Uphoff-Kuhlen. Sie macht die Ansagen nicht nur für Reutlingen, sondern für rund 200 Städte in ganz Deutschland. Einige Beispiele: Baden-Baden, Kiel, Leverkusen, Gießen, Osnabrück, Wismar, Bremerhaven, Konstanz und noch viele Städte und Landkreise mehr. Wir haben uns mit ihr getroffen und ihr einige Fragen gestellt.

ZmS: Wie sind Sie zu diesem Job gekommen, Frau Uphoff-Kuhlen?

Elke Uphoff-Kuhlen: Eigentlich wollte ich nicht Lehrerin werden, sondern schon als Kind zum Rundfunk. Daraus ist aber aus finanziellen Gründen nichts geworden. Für das Studium hätte ich in eine andere Stadt ziehen müssen und das war schwierig. Ich ging deshalb zur PH und konnte zu Hause wohnen bleiben. Ich hatte in meiner Ausbildung zur Lehrerin Sprechunterricht. Das heißt, ich habe bei einem Sprecherzieher Sprachtraining gehabt, weil ein Lehrer klar und deutlich sprechen können muss. Bald darauf kam ich hier nach Reutlingen und wurde neben meiner Lehrertätigkeit freie Mitarbeiterin bei einem lokalen Privatsender. Ich habe in Stuttgart Politiker interviewt und zwei Jahre lang jeden Sonntagabend eine Chansonsendung moderiert. Nach einem Probesprechen habe ich dann bei der Firma »Wandel & Goltermann«, die Lautsprechersysteme für Busse entwickelte, Ansagen für die unterschiedlichsten Buslinien gemacht.

»Nach vier Stunden wäre ich mit der Stimme beinahe abgestürzt«
Was ging Ihnen durch den Kopf, als man Sie gefragt hat?

Uphoff-Kuhlen: Als man mich gefragt hat, fand ich das ganz spannend. In manchen Städten war ich ja auch schon gewesen, zum Beispiel Bonn oder Kiel, die Ferienstadt meiner Kindheit. Meine Großeltern haben da gelebt. Da habe ich jeden Sommer meine Ferien verbracht. Daher kannte ich dann auch schon einige Haltestellen. Das war echt ziemlich interessant.

Gab es Aufträge, die Ihnen nicht so viel Spaß gemacht haben wie andere?

Uphoff-Kuhlen: Manche Aufträge fand ich ziemlich stressig. Da gab es auf einer Überlandlinie von Zwickau bis an die tschechische Grenze so merkwürdige Orts- und Straßennamen, dass ich richtig trainieren musste, um die richtig auszusprechen. Oft kommt da ja auch eine fremde Dialektfärbung vor und ich musste rätseln, wie das ausgesprochen wird. In manchen Städten war ich besonders gerne mit meinen Ansagen unterwegs. Reutlingen war natürlich eine Herausforderung. Da habe ich dann gedacht: »Um Gottes Willen, du lebst ja hier«, und ich war ja da noch als Lehrerin in der Schule tätig und wusste, dass viele meiner Schüler mit dem Bus fuhren (lacht). Aber Gott sei Dank hat sich niemand beschwert.

Was passiert, wenn eine neue Bushaltestelle oder -linie eingerichtet wird?

Uphoff-Kuhlen: Ja, da gibt es natürlich ein Problem. Das kommt öfter vor und ist auch in vielen Städten so gewesen. Das könnt Ihr Euch ja vorstellen, dass sich da die Linien auch manchmal verändern. Dann bin ich manchmal für nur fünf oder zehn Haltestellen ins Studio rübergefahren und habe diese neuen Haltestellen angesagt, die dann von den Technikern in die bestehende Ansagenliste eingesetzt wurden. Ich bin auch schon mal für eine einzige neue Haltestelle im Studio gewesen.

Und wie lang haben die Aufnahmen denn so gedauert?

Uphoff-Kuhlen: Das Kürzeste waren fünf Minuten, gerade wenn ich für eine schon bestehende Linie eine Veränderung ansagen musste. Die längste Aufnahme war wirklich furchtbar, da wäre ich nach vier Stunden mit der Stimme beinahe abgestürzt. Es gab unendlich viele Haltestellen – bestimmt 400, die unter Zeitdruck aufgenommen werden mussten. Ich habe dann immer mal wieder Pausen mit Atemübungen gemacht, wobei ich Unmengen von Wasser getrunken habe. Ja, das war die schlimmste Sitzung, an die ich mich erinnern kann.

Waren Sie aufgeregt bei den Aufnahmen? Immerhin würden sie ja Tausende Menschen täglich hören.

Uphoff-Kuhlen: Das ist ja wie bei vielen schwierigen Dingen. Irgendwann wird es zur Routine. Ich muss gestehen, die ersten Male war ich schon aufgeregt. Zum Glück hatte ich einen unheimlich netten Partner, diesen Techniker. Wir haben uns ganz toll verstanden, und er ist nie ungeduldig geworden. Er hatte auch viel Verständnis, wenn ich noch mal was wiederholen wollte. Und ich war schon sehr kritisch. Ihr versteht das sicher, denn wenn Ihr Euch überlegt, dass die Leute sich meine Ansagen während der ganzen Fahrt anhören müssen, dann sollten meine Ansagen wenigstens OK sein.

Wie war das genau mit der Aussprache?

Uphoff-Kuhlen: Gelegentlich mussten wir auch mal bei der Stadtverwaltung oder bei den Verkehrsbetrieben nachfragen, wie man eine bestimmte Haltestelle aussprechen muss. (lacht) Es ist auch schon vorgekommen, dass der Techniker und ich uns öfters nicht einigen konnten.

Haben Sie uns da ein Beispiel?

Uphoff-Kuhlen: Ja, zum Beispiel aus meiner Heimatstadt. Ich komme vom Niederrhein, da gibt es eine kleine Stadt die heißt Boisheim. Man spricht es aber aus wie »Boosheim«. Auch bei Duisburg sagen wir ja »Düsburg«. Und so gab es immer mal wieder Besonderheiten, je nachdem, wo der Bus halt fährt. Es ist auch schon mal vorgekommen, dass wir wegen der Aussprache Aufnahmen noch einmal wiederholen mussten.

»Meine Schüler kamen auf mich zu: ›Wir haben Sie im Bus gehört!‹«
Und wie lief das, wenn eine Stadt bei der Firma Aufnahmen bestellte?

Uphoff-Kuhlen: Wir mussten dann ein Probeband mit 10 bis 15 Haltestellen-Ansagen schicken, und die Verkehrsbetriebe konnten dann entscheiden, ob sie meine Stimme einkaufen wollten oder nicht. Gelegentlich habe ich auch Bahnhofsbeschallungen, U-Bahn-Stationen und Zuglinien besprochen.

Wurde Ihre Stimme auch schon mal von jemandem erkannt?

Uphoff-Kuhlen: Ja. Eine Freundin, die beruflich in Bonn zu tun hatte, rief mich an, weil sie dort mit dem Bus unterwegs war und mich erkannt hatte. Und meine Schüler kamen öfter auf mich zu und sagten: »Wir haben Sie im Bus gehört!« (ZmS)

Christian Lips und Daniel Uphoff, BZN-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9d

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