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Aktuell INTERVIEW

Die Poesie des Prinzen Pi

STUTTGART. Prinz Pi war als »Rebell mit Band« auf Tour und legte auch im LKA Longhorn in Stuttgart einen Halt ein. ZmS-Reporter Steffen Scheu vom Graf-Eberhard-Gymnasium Bad Urach, Klasse 10, und GEA-Redakteurin Marion Schrade sprachen mit dem etwas anderen Rapper.

Prolliges Gelaber unter der Gürtellinie ist ihm fremd: Prinz Pi - hier beim Konzert in Stuttgart am 24. November - ist ein Rapper, der mit Sprachwitz und Intelligenz glänzt.  FOTO: SCHRADE
Prolliges Gelaber unter der Gürtellinie ist ihm fremd: Prinz Pi - hier beim Konzert in Stuttgart am 24. November - ist ein Rapper, der mit Sprachwitz und Intelligenz glänzt. FOTO: SCHRADE
Prolliges Gelaber unter der Gürtellinie ist ihm fremd: Prinz Pi - hier beim Konzert in Stuttgart am 24. November - ist ein Rapper, der mit Sprachwitz und Intelligenz glänzt. FOTO: SCHRADE
ZmS: Wie bist Du zum Rap gekommen und warum Rap?

Prinz Pi: Ja, wie bin ich da hingekommen - Durch falsche Freunde (lacht) - nein, Spaß, Hip-Hop war schon die Musik, die ich gehört habe, als ich jung war. Das war auch die Musik, die damals groß wurde - und die Musik, die mir am besten gefällt. Für mich ist Hip-Hop die richtige Stilrichtung, weil sie die textlastigste ist. Sie hat wesentlich mehr Volumen an Text als zum Beispiel Rockmusik. Ich weiß, dass die meisten meiner Kollegen da nicht so viel daraus machen. Aber wenn man ernsthafte Themen in Musik ausdrücken möchte und dazu für den Textkörper ein gewisses Volumen braucht, dann findet man das im Hip-Hop am ehesten.

Was hast Du in nächster Zeit geplant? Und wäre eine erneute Zusammenarbeit mit Casper denkbar?

Prinz Pi: Mhh, weiß ich nicht. Aber ich mache gerade mein neues Album fertig, das heißt »Kompass ohne Norden« und da habe ich eigentlich keine Gäste drauf.

»Ich möchte den jungen Leuten etwas erzählen, das sie anregt«
Wie stehst du zu »Kollegen« wie Casper, Cro oder Max Herre?

Prinz Pi: Mir geht's da so ähnlich wie mit Actionfilmen: Wenn's gut gemacht ist, schaue oder höre ich mir das gerne an. Aber es entspricht nicht meiner eigenen Lebenswirklichkeit. Cros Musik ist für mich gut gemachte Popmusik. Die Firma, die seine Musik produziert, sitzt bei uns mit im Büro, das sind Freunde von uns. Ich freue mich sehr über ihren Erfolg. Casper macht sehr persönliche Musik, fast eine Art Rockmusik, etwa so wie Coldplay. Er transportiert Sachen aus der Musik, die er persönlich gerne hört, in die Musik, die er selbst macht. Max Herre ist im Vergleich zu Cro und Casper zunächst mal ein viel klarerer Hip-Hop-Künstler. Außerdem ist er, finde ich, jemand, der sich Begriffe aus Subkulturen ausleiht, um damit Bilder in seiner Musik zu malen. Das ist etwa so, wie wenn sich jemand ein Che Guevara-T-Shirt anzieht, um zu zeigen, dass er ein Rebell ist - aber in Wirklichkeit ist er kein Rebell, er trägt eben nur das T-Shirt. Das ist auch das, was mir bei Max Herre nicht gefällt. Er nutzt bestimmte Begriffe, aber lebt das, was dahinter steckt, nicht aus. Für mich ist es schlimmer, wenn jemand so tut, als sei er ein Intellektueller, als wenn jemand, der grundsätzlich ungebildet ist, das auch gar nicht verhehlt und dann halt seine falsche Grammatik als Gangsterrapper behält. Das ist eben jemand, der sich nicht versteckt, aber auch gar nicht so tun möchte, als wäre er schlau.

An welche Zielgruppe richtet sich Deine Musik und was willst Du damit erreichen?

Prinz Pi: Bei den alten Römern hatte jeder Bürger den Anspruch, etwas für seinen Staat zu machen, dem Volk etwas Gutes zu tun. Das möchte ich auch. Ich möchte den jungen Leuten etwas erzählen, das sie anregt. Ich will mich da nicht wie ein Lehrer hinstellen und sagen: Das ist so und so, Du musst mir jetzt zuhören. Ich will es aber auch nicht so machen wie ein Politiker, der überhaupt gar keinen Einfluss hat auf junge Leute, weil er so weit weg ist in seiner Art und Weise, wie er redet und denkt. Ich glaube, dass Rockstars und Schauspieler die einzigen Leute sind, für die sich junge Leute überhaupt interessieren. Die meisten Schauspieler und Sportler glänzen in der Regel aber nicht durch ihre Universitätsabschlüsse und die großen Gedanken, die sie veröffentlichen, sondern dadurch, dass sie gut aussehen oder den Ball gut irgendwo hin treten können. Aber gerade die neuen Poeten, wenn sie denn solche sind, die können ein paar frische Gedanken da reinbringen. Das ist das, was ich möchte - sei es über so ewige Themen wie die Liebe, seien es politische Ansätze. Probleme eben, die man den Leuten ins Bewusstsein rücken muss. Und wo die Jugendlichen nachher sagen: »Das ist eigentlich echt interessant, und ich versteh es, krasse Sache.« Ich glaube, dass das mein Auftrag ist. Auf meinem neuen Album geht es darum, seinen Platz zu finden in der Welt. Ich denke, das ist ein Problem, das jeder junge Mensch hat.

Was oder wer inspiriert Dich beim Schreiben von Texten wie »Laura« oder »Du bist«?

Prinz Pi: Laura ist meine Ex-Freundin, die sich umgebracht hat. Das ist also etwas, das in meinem Leben passiert ist. Manchmal sind es aber auch Sachen, die ich lese oder so.

Wann und wie schreibst Du Deine Texte? Hast Du einen Ort, an dem Du besonders gut schreiben kannst?

Prinz Pi: So einen Ort habe ich auf jeden Fall: Das Studio, weil das so ein von der Welt abgeschotteter Raum ist. Du gehst rein, machst die erste Tür zu, die zweite Tür zu, die dritte Tür zu und dann hast du den Rest ausgeschlossen. Da sind die Handys aus, da gibt es kein Internet. Sondern einfach nur die Musik. So wie ein Kloster für einen Mönch, in dem ich versinken und meditieren kann. Bei manchen Songs braucht es ein bisschen, bis das Thema gereift ist, bis man darüber sprechen kann. Andere Sachen erlebt man am Vormittag und schreibt sie am Abend auf. Aber bei den meisten Themen brauche ich sehr lange, um sie in die passenden Worte fassen zu können.

Wie bist Du zu dem Namen Prinz Pi gekommen und was bedeutet er?

Prinz Pi: Nun ja, Namen haben oftmals so eine lächerliche Entstehungsgeschichte, bei mir ist das auch so. Ich hatte Altgriechisch auf der Schule und ich habe auch Klavier gespielt. Kurz bevor ich Abi geschrieben habe, hatte ich ein Buch gelesen, das heißt »Gödel, Escher und Bach«. Über den Mathematiker Gödel, über den Künstler Escher und seine grafische Kunst. Und Bach, den Komponisten mit seinen tollen Fugen, der auch sehr mathematisch durchdrungene Musik gemacht hat. Die Zahl Pi ist eine besondere, faszinierende Zahl. Und ich finde, Mathematik und Musik haben generell viele Parallelen.

Viele verbinden Rap mit diesem Gangster-Image und nicht-jugendfreien Texten. Ist das so?

Prinz Pi: Ja das ist schon so. Das Klischee vom Rapper ist halt der Kapuzenpullover-tragende-Prolet, der sein halbkriminelles Dasein glorifiziert. Das bin ich natürlich nicht, will ich auch nicht sein. Aber das wollen natürlich die meisten Rapper sein.

Hast Du noch Lampenfieber vor einem Auftritt?

Prinz Pi: Ne, ich hatte noch nie Lampenfieber. Ich hatte auch noch nie Probleme, vor Leuten zu sprechen. Ich bin bei so etwas, glaube ich, einfach zu frech.

In Songs wie »Krieg@home« und »Drei Kreuze für Deutschland« geht es immer wieder um das Thema Krieg und andere politische Themen. Hat es einen Grund, warum Du das in der Musik ansprichst?

Prinz Pi: Wir sind eine Generation, die ohne Krieg aufgewachsen ist - zumindest in Europa, in unserem beschränkten Teil von Europa. Ein paar hundert Kilometer weiter in Jugoslawien zum Beispiel, das ja direkt vor unserer Haustüre liegt, sah das ja vor ein paar Jahren schon ganz anderes aus. Und ich glaube, dass dieser Krieg, der da ja überall geführt wird, früher oder später mal nach Hause kommt. Oftmals sind das ja Kriege oder Konflikte, die geführt werden, um unser heiles Leben hier zu schützen. Zum Beispiel die Piratenkonflikte, die von Somalia ausgehen: Dort gab es ja den Sonderbeschluss, das man Söldner einsetzen darf, um deutsche Schiffe zu schützen. Solche Dinge thematisieren meiner Meinung nach zu wenig Künstler. Es gibt viele Leute zwischen meinem und deinem Alter, die bei der Armee sind - also hier im Süden nicht so viele, aber in Norddeutschland gibt es sehr viele Armeefamilien - und da wird auch mal der ein oder andere verletzt oder stirbt sogar.

»Das Klischee vom Rapper: Prolet im Kapuzenpulli«
Wie ist das für Dich, als Rapper mit einer Band im Hintergrund aufzutreten? Die »typischen« Rapper arbeiten ja meist mit Beats, die vom Computer kommen ...

Prinz Pi: Das hat den Vorteil, dass, wenn Du selber mehr Energie gibst bei einem Song, die Band Dir nachfolgt. Und wenn Du leiser wirst oder langsamer, dann wird sie das auch. Das ist ein sehr dynamisches Spiel, das mit dem Computer gar nicht geht.

Hast Du schon einen Plan, was Du machen willst, wenn Du mal nicht mehr rappst?

Prinz Pi: Ich hab mein Diplom in Kommunikationsdesign gemacht und mit meiner Doktorarbeit angefangen. Das Thema ist die Veränderung der Präzision in der Kommunikation. Es geht um die immer krassere Ausdifferenzierung von Kommunikationsmedien. Alles ist superschnell und komfortabel, dadurch wird's aber auch immer komplizierter. Früher war man sehr präzise, wenn man sich verabreden wollte. Da hat man in einem Brief geschrieben: Wir treffen uns heute in einem Jahr in dem und dem Restaurant zum Mittagessen, und dann hat das geklappt. Heute ist es kaum mehr möglich, zu sagen: Wollen wir uns in einer halben Stunde treffen? Da heißt es dann, hm, ja, ich ruf Dich nochmal an. (ZmS)