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Die Kundschaft hat sich geändert

REUTLINGEN/TÜBINGEN. Längst trifft man in Naturkostläden nicht mehr nur auf Birkenstock und Wollpullover tragende Öko-Freaks. Man wird nicht mehr mit milden Blicken bedacht, und es dringen keine sanften Stimmen mehr an das Ohr, sobald man aus purer Neugier einen solchen Laden betritt. Zwar registriert man deutlich den intensiven Duft, der nur diesen Läden eigen ist, die Einrichtung ist allerdings sehr ansprechend.

In das Raster der »Wir-essen-nur-das-was-gesund-ist-Alternativis« von damals passen Läden und Kundschaft schon lange nicht mehr: »Oft wird mit der Geburt der Kinder ein neues Ernährungsbewusstsein geschaffen, das die Eltern dann in die Naturkostläden kommen lässt«, weiß Sabine Veil, die zusammen mit ihrem Mann die beiden Bio-Supermärkte in Reutlingen und Nürtingen betreibt. Auf insgesamt rund 300 Quadratmetern Verkaufsfläche wird ein vielfältiges Sortiment angeboten, das neben Lebensmitteln auch Kosmetik, Tiernahrung und Drogerieprodukte umfasst.

Von Obst bis Kosmetik

Das Ehepaar Veil war früher in der EDV-Branche tätig. Dann kam der Wunsch nach mehr, und sie gründeten 1996 die Bio-Welt in Reutlingen. Besondere Beachtung finden in ihren Geschäften die Preise: Vom gleichen Produkt werden dem Kunden verschiedene preiswerte aber auch teurere, hochwertige Ausführungen bis hin zur Feinkost angeboten. Dabei wird darauf geachtet, dass die Lebensmittel nur in Ausnahmefällen unter ihrem tatsächlichen Wert verkauft werden. Denn das ist in normalen Supermärkten doch relativ häufig der Fall.

Auch in den kleineren Naturkostläden wie dem »Naturladen« in Pfullingen, der tatsächlich aus der Umweltbewegung entstanden ist, richtet sich das Angebot nach der Nachfrage. Doch, so betont Regina Schell, Besitzerin des Ladens: »Wir wollen mit unseren Produkten keine Art der Ausbeutung unterstützen. Weder an Menschen, Tieren noch an der Erde.«

Beide Läden sind freiwillig Mitglied im BNN (Bundesverband Naturkost Naturwaren) und müssen sich an zusätzliche Regeln halten. Alle Produkte müssen kontrolliert biologisch sein und wenn dies, wie beim Salz nicht möglich ist, entsprechend gekennzeichnet sein. Obst, Gemüse sowie Trockenprodukte, Milch und Käse werden täglich von regionalen Großhändlern geliefert. Diese beziehen ihre Ware von Bio-Bauern. Denn das Motto lautet: »Regional ist erste Wahl«.

»Der Marktladen« in Tübingen bezieht viel Gemüse und Obst direkt vom Bauern und legt großen Wert auf regionale Lieferanten. Der Laden ist seit jeher auf Frische spezialisiert. Früher war es ein kleines Geschäft, in dem der Trockenanteil nur einen kleinen Raum beanspruchte, doch seit dem Umzug bekommt man auch eine große Auswahl an Trockenprodukten sowie Kosmetik. Das Angebot an Käse, Wurst, Obst und Gemüse ist aber nach wie vor Schwerpunkt. Der Standortwechsel hat laut Michael Schneider, Besitzer des Ladens, einen großen Zulauf bewirkt.

Die BSE-Krise habe viele Menschen zwar kurzzeitig dazu gebracht, sich zum Fleischkauf in die Bio-Läden zu trauen, doch sobald das Thema wieder aus den Medien verschwunden war, blieb ein Großteil der neu gewonnenen Kunden wieder aus, so die Besitzer der Naturkostläden. Obwohl das Sortiment laut Regina Schell früher vollwertiger war, ist es heutzutage ökologischer. Dies bedeutet aber keinesfalls eine Verwässerung früherer Ideale, denn die Standpunkte haben sich kaum verändert. Die Kontrolle der Bioprodukte ist seit 1991 per Gesetz in der EG-Öko-Verordnung europaweit geregelt. Michael Schneider: »Das ist auf jeden Fall sinnvoll, denn jetzt gibt es endlich einen internationalen Mindeststandard.«

Diese Verordnung hat auch einen Trend in die Bio-Szene getragen, der in den konventionellen Betrieben schon lange Einzug gehalten hat: Es wird wohl bald noch viel mehr Bio-Discounter geben, die sich nur nach den Mindeststandards richten und so die Preise drücken können. Dabei gerät die Einkaufsfreude, auf die die Mitarbeiter des Marktladens großen Wert legen, in den Hintergrund, denn im Discounter muss es vor allem billig sein und schnell gehen.

Gegenüber Gentechnik vertritt die gesamte Szene eine deutliche Meinung: Unterstützung der Gentechnik komme nicht in Frage, da es für den Menschen nur schädlich sein könne. Sabine Veil: »Natürlich gibt es auf den Feldern das Problem der Vermischung, aber wir versuchen, diese Möglichkeit auszuschließen.« Darauf haben die Läden jedoch keinen Einfluss, sie müssen sich auf die Zertifizierungen der Bauern und Großhändler verlassen können. Aus diesem Grund wird der Zusammenschluss von Bauern auf der Alb begrüßt, die das Ziel haben, eine größere Fläche mit unverändertem Saatgut zu bewirtschaften.

Michael Schneider sieht in der Position gegenüber Gentechnik eine Möglichkeit zur Profilierung der Naturkostszene, fragt sich allerdings, wie man diese ganze Maschinerie, die in Sachen Gentechnik schon am Laufen ist noch stoppen will. (ZmS)



Hannah Glonnegger, Freie Waldorfschule auf der Alb, Klasse 11