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Aktuell Justiz

»Des isch halt verboten«

REUTLINGEN. »Zeitung macht Schule« öffnet Türen. Für ZmS-Reporter hat der Reutlinger General-Anzeiger ein Treffen mit dem Reutlinger Jugendrichter Sierk Hamann im Amtsgericht möglich gemacht. Der Jurist kommt nicht in seiner schwarzen Amtsrobe, sondern in stinknormaler Alltagskleidung. Alle Klischees, dass Richter spießig und hochnäsig seien, treffen auf ihn nicht zu.

Gemeinsam mit ihm gehen wir in den kleinen Gerichtssaal. Hier erzählt Sierk Hamann von seinen Fällen, den Ablauf im Gericht und geht auf unsere Fragen ein. Er berichtet, was für Erfahrungen er als Jugendrichter schon gemacht hat. Für ihn sei es schwierig, in Fällen, in denen es um Gewalt gegen Kinder geht, nur nach den Buchstaben des Gesetzes zu handeln. Oft erschüttere ihn das dann sehr, schließlich sei er ja auch Vater.

»Wir wollen erziehen und nicht bestrafen«
Hamann berichtet, dass der Alltag eines Richters nicht mit den Shows aus dem Fernsehen zu vergleichen sei. So gibt's den Hammer, mit dem der Vorsitzende zur Ruhe mahnt, eben nur in der Glotze und nicht im echten Gerichtssaal. Geschätzte 600 Fälle (Hamann: »gefühlte tausend«) im Jahr gehen über seinen Tisch, nur ein Teil davon wird mit einem Urteil abgeschlossen.

Offen und ehrlich gesteht Hamann, dass er lieber den hundertsten Mofadiebstahl verhandle, als einen Mord. »Wir wollen erziehen und nicht bestrafen«, sagt der Jurist immer und immer wieder. Das hat er von Anfang an klar gemacht. Sozialstunden, Geldstrafen oder Ausgangssperren sind Beispiele für Strafen, die Jugendliche häufig aufgebrummt bekommen.

Kaum jemandem ist aufgefallen, dass der Staatsanwalt immer am Fenster sitzt, der Angeklagte gegenüber. Warum das so ist, ist schnell klar: Der Angeklagte könnte aus dem Fenster springen. Was in Reutlingen auch schon mal vorkam: Jemand sprang aus dem Fenster - und landete auf einem Polizeiauto. »Dann hatte er auch noch Sachbeschädigung am Hals«, meint Hamann und grinst. Auf die Frage, warum man das nicht darf, gibt er eine ganz einfache Antwort: »Des isch halt verboten!« Kurz und präzise.

Beim Rundgang durch das Gericht nehmen auch wir ZMS-Teilnehmer einmal dort Platz, wo Sierk Hamann normalerweise sitzt. »Da fühlt man sich schon wie der Boss.«

In der Vorführzelle im Gerichts-Keller kommt schnell Ernüchterung auf. Eine Holzliege und eine Toilette ohne Deckel. Mehr nicht. Ein kleines Fenster aus Panzerglas. Die Heizung ist vergittert, weil sie jemand schon mal rausgerissen hat. Ein erschütternder Eindruck. Doch die Zelle ist auch nur für maximal einen Tag vorgesehen.

Insgesamt ist mir Sierk Hamann freundlich begegnet und seine offene, lockere Art macht ihn sympathisch. Zum Abschluss gab er mir noch einen Tipp: »Um Richter zu werden, sollte man sich auf jeden Fall für die Fächer Gemeinschaftskunde und Deutsch interessieren.« (ZmS)

Laura Braun, Wildermuth Gymnasium Tübingen, Klasse 9 g