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Der ganze Körper als Zielscheibe

REUTLINGEN. Ein Unfall veränderte ihr Leben. Als 15-Jährige wollte Esther Weber-Kranz zusammen mit Freunden in eine etwa drei Kilometer entfernte Kneipe gehen. Kurz bevor sie loszogen, warnte sie ihre Mutter noch, nicht mit jemandem heimzufahren, der Alkohol getrunken hatte. Esther Weber-Kranz fuhr bei älteren Freunden mit. Weil die in der Kneipe Bier tranken, war ausgeschlossen, mit diesen Leuten zurück zu fahren. Also hielten Esther Weber-Kranz und ihre Freundin Ausschau nach anderen Bekannten, die keinen Alkohol tranken.

Als sie später mit diesen den Heimweg antraten, fuhr der Fahrer zu schnell in eine Linkskurve hinein. Dabei überschlug sich das Auto und Esther Weber-Kranz erlitt einen Halswirbelbruch. In einer Spezialklinik in Heidelberg lag sie dann neben Kindern und Jugendlichen, die sich alle im Rollstuhl fortbewegten. Ab diesem Zeitpunkt wusste sie, dass sie nun auch auf den Rollstuhl angewiesen sein würde.

Mit 17 durfte sie vorzeitig ihren Führerschein machen. Jedes Mal, wenn sie ins Auto einstieg, überkam sie ein komisches Gefühl. Doch diese Angst überwand sie schon nach kurzer Zeit. Auch die Leute gehen ganz normal mit ihr um, denn sie ist in ihrem Wesen wie zuvor auch, nur mit Rollstuhl. »Behinderte werden eigentlich nur behindert, weil sie die Umgebung einschränkt«, sagt sie.

Sportlerin des Jahres

Nach ihrem Unfall probierte sie einige Sportarten aus, darunter Schwimmen und Tennis. In einem Tenniscenter lernte sie eine Sportstudentin kennen, die sie zum Fechten brachte. Nach dem Abitur begann sie ein Studium an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg. Doch nach dreieinhalb Jahren brach sie es ab, da sie für ihre Familie und ihren Sport mehr Zeit brauchte.

Als Fechterin ist die heute 35-Jährige sehr erfolgreich und bekam einige Preise im Behindertensport. Bei den Paralympics 1992 gewann sie eine Goldmedaille. Außerdem wurde sie Sportlerin des Jahres 1992 in Freiburg. In dem Jahr erhielt sie auch die Fair-Play-Trophäe. Zu dieser Trophäe kam es, als sie bei einem Fechtkampf zwei Punkte mehr bekam, als sie normalerweise bekommen sollte. Sie merkte das sehr schnell und regelte die Sache, indem sie ihre Gegenerin ohne Gegenwehr zwei Treffer erzielen ließ. Über die Fair-play-Trophäe freute sich Esther Weber-Kranz besonders, denn sie war die erste behinderte Sportlerin, die diese Auszeichnung bekam.

Kugelsichere Jacke

Der Degen und das Florett sind die »Waffen« die sie beim Fechten einsetzt. Wenn man mit dem Degen kämpft, ist der ganze Körper Zielscheibe, beim Florett zielt man nur auf die Fechtjacke. Der Degen ist deshalb die Lieblingswaffe von Esther Weber-Kranz. Die Jacke und Hose die man beim Fechten trägt, sind aus kugelsicherem Material. Fechten ist sehr geeignet für die Rollstuhlfahrerin, denn man kann auch im Trainingslager mit Nichtbehinderten kämpfen. Fechten ist eine Sportart die man lernen und trainieren kann, sagt Esther Weber-Kranz. Es kommt dabei nicht so sehr auf die Kondition sondern auf die Technik an.

Esther Weber-Kranz heiratete 1993 den Sportjournalisten Holger Kranz, mit dem sie ein Spielmobil betreibt. Sie ist Mutter von zwei Kindern im Alter von fünf und zehn Jahren. Zu ihren Hobbys gehören Tanzen zu lateinamerikanischer Musik und Reiten, was sie aber nicht oft ausüben kann, weil sie kein Pferd hat. Wenn sie Zeit hat, liest sie in der Bibel, die ihr Kraft und Hilfe im Alltag gibt.

Zur Zeit ist sie auf Wohnungssuche. Das ist nicht so einfach, weil sie mit dem Rollstuhl viel Platz braucht. Auf die Frage, wie sie ihre Kinder erzieht, antwortete Esther Weber-Kranz, dass sie mit ihren Kindern ganz normal umgeht. Sie müssen nur ein bisschen Rücksicht nehmen und können zum Beispiel keine Eisenbahn durchs Wohnzimmer bauen.



Yvonne Baisch, Christina Gauggel, Tanja Friedrich, Beatrice Köpp, Annika Klett und Anna Lehmann, Realschule Gammertingen, Klasse 8b