Für meinen ersten Versuch bekam ich einen sogenannten Recurve-Bogen, der durch ein zusätzliches Visier das Zielen erleichtert. Der Bogen benötigte etwa elf Kilogramm Zugkraft, um die Sehne zu spannen. Das war am Anfang gar nicht so einfach, doch bereits die ersten Versuche machten mir großen Spaß. Heute benutze ich einen Bogen, den ich mit etwa 14 Kilogramm ziehen muss. Nach diesem Abend wollte ich regelmäßig zum Training gehen, und nach einiger Zeit wurde ich auch zum Talentzentrum eingeladen. Das ist eine Gruppe innerhalb des Schützenvereins, die drei Stunden pro Woche zusätzlich trainiert.
Das Bogenschießen machte mir viel Spaß. Außerdem half es mir, mich besser zu konzentrieren. Durch das Training wurde meine Körperhaltung besser und mein Rücken gerade. Auch der Zusammenhalt der einzelnen Schützen und die gemeinsame Teilnahme an Turnieren waren tolle Erfahrungen. Weil ich in den Sommerferien umgezogen bin, habe ich noch keinen neuen Verein. Mein damaliger Trainer Otto W. Utz war und ist ein großes Vorbild für mich, mit ihm habe ich ein Interview geführt.
ZmS: Alle Welt spricht vom Fußball. Wie und warum kamst Du zum Bogenschießen?
Otto W. Utz: Ich hatte die Möglichkeit, nach einem Unfall in der Rehaklinik verschiedene Sportarten auszuprobieren, unter anderem auch Bogenschießen. Es hatte mir damals schon viel Spaß gemacht. Richtig hängen geblieben bin ich beim Bogenschießen, nachdem ich bei einem Schnupperschießen der Crailsheimer Sportschützen mitgemacht habe. Außerdem wollte ich unbedingt einen Sport machen, den ich im Rollstuhl alleine ausüben kann.
Hast Du die Ratschläge und Tipps Deiner Trainer immer beachtet und umgesetzt?
Utz: Was das Techniktraining betrifft: ganz klar! Jedoch musste ich selbstverständlich in Sachen Sitzhaltung – das ist wie bei Dir der richtige Stand – selbst klarkommen. Da kann man sich nur Tipps anhören. Was das Beste für mich war, musste ich selbst entscheiden.
Was war Dein größter Erfolg?
Utz: Vizeweltmeister mit der Mannschaft.
Was war Dein größter Misserfolg?
Utz: Bei einem Weltcupturnier in England habe ich mir mit dem letzten Pfeil die Teilnahme an den paralympischen Sommerspielen versaut.
Der erste Schuss: Welche Bedeutung hat er in einem Turnier?
Utz: Ich denke, das kommt auf den jeweiligen Schützen an. Bei den meisten ist er aber sehr wichtig. Wenn es ein guter Treffer ist, kommen die meisten Schützen schneller und besser in das Turnier hinein. Bei einigen anderen ist es dann aber auch so, dass sie, wenn der erste Schuss nicht passt, Probleme haben, ins Turnier rein zu finden. Dann gibt es noch die Schützen, denen das komplett egal ist, die finden immer ins Turnier rein.
Was war Dein beeindruckendes Turniererlebnis?
Utz: Oh je, da gibt es sehr sehr viele, aber an eines denke ich immer wieder zurück. Es war bei einer deutschen Meisterschaft (der Nichtbehinderten): Ich schoss an dem Tag richtig gut. Aber bei einer Passe hatte ich, warum auch immer, nur fünf statt der vorgesehenen sechs Pfeile geschossen. Mein Scheibenpartner, der mir immer die Pfeile mitgebracht hatte, kam zurück und fragte, ob ich nur fünf Pfeile geschossen hatte. Aber ich solle mir keine Sorgen machen, meinte er, ich habe dir eine Sieben geschrieben! Durch diese faire Handlung kam ich sogar noch ins Finale.
»Ich bin als Trainer sehr stolz, wenn meine Schützlinge einen guten Platz erreichen«Welche Preise hast Du schon gewonnen?
Utz: Ich war mehrmals Bezirks-, Landes- und Deutscher Meister. Fast immer im Einzel unter den ersten Zehn und mehrmals auf dem Treppchen mit der Mannschaft bei Europa- und Weltmeisterschaften.
Wie viel Zeit, in Lebensjahren, hast Du mit Bogenschießen verbracht?
Utz: Fast 30 Jahre.
Kann man vom Bogenschießen leben oder wie verdienst Du Dein Geld?
Utz: In Deutschland eher nicht! In Amerika ist dies möglich. Ich verdiene mein Geld mit Arbeiten wie jeder andere auch.
Nimmst Du noch selbst Unterricht? Was reizt Dich an der Aufgabe als Trainer?
Utz: Zurzeit nicht! Ich finde es einfach toll, meine Erfahrung an andere weiter zu geben. Außerdem macht es mir Spaß, anderen Schützen so weiter zu helfen, dass sie nach vorne kommen. Und bin dann als Trainer sehr stolz, wenn meine Schützlinge, egal welchen Alters, bei einem Turnier einen guten Platz erreicht haben. Das ist dann fast immer so, als wenn ich das selbst gewesen wäre.
Für die offenen Antworten im Interview bedanke ich mich sehr herzlich. (ZmS)
Alexander Forster, GWRS Würtingen, Klasse 9