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Aktuell INTERVIEW

Anlaufstelle in der Krise

REUTLINGEN. Jeder hat sich bestimmt schon gefragt: »Wer sind diese Menschen, die auf der Straße sitzen? Was ist passiert, dass sie jetzt in solch einer Situation sind und wer unterstützt sie?« Das haben wir uns auch gefragt und haben dem Tagestreff der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Reutlingen, die den bedürftigen Menschen beisteht, einen Besuch abgestattet. Die Sozialarbeiterin Dorothea Staiger hat unsere Fragen beantwortet.

ZmS: Was bietet die AWO den Bedürftigen an?

Dorothea Staiger: Die AWO bietet alle Hilfeeinrichtungen und Dienste für die Menschen in Wohnungsnot für den ganzen Landkreis Reutlingen an. Das geht von der Übernachtungsstelle und Fachberatungsstelle über die Aufnahmehäuser bis zur Betreuung, wenn wieder eine Wohnung gefunden ist. Zu diesen Diensten gehört auch der Tagestreff. Hier bekommen die Leute neben Verpflegung auch Rat von Fachleuten und verschiedene Angebote, auch im Freizeitbereich wie beispielsweise Tischkicker, Dart, Brettspiele und manchmal auch eine Wanderung oder einen Ausflug. Einmal im Monat kommt sogar ein Friseur, der den Besuchern kostenlos die Haare schneidet.

Wie kann der Tagesablauf eines Ihrer Klienten aussehen?

Staiger: Die AWO hat in der Glaserstraße ein Gebäude, wo man übernachten kann. Um 6 Uhr wird man geweckt und um 8 Uhr ist Frühstück. Am Nachmittag kann man zum Tagestreff in die Aulberstraße kommen und dort seine Wäsche waschen, duschen oder den Computer benutzen, um vielleicht Bewerbungen zu schreiben oder Wohnungsanzeigen zu suchen – und um einen Kaffee zu trinken. Das Haus ist dort von 13 bis 18 Uhr geöffnet.

Ist das Haus auch für Kinder geeignet?

Staiger: Nein, für Familien mit Kindern ist das Jugendamt zuständig.

Warum werden Menschen obdachlos?

Staiger: Da gibt es viele Gründe, oft haben die Menschen Probleme wie Arbeitslosigkeit und eine schwere Vergangenheit, mangelnde Schulbildung oder Schulden und verlieren deshalb ihre Wohnung. Auch Sucht und psychische Probleme spielen eine Rolle. Und wenn sich die Probleme häufen, braucht man einfach die Hilfe von Fachleuten.

Haben die Bedürftigen auch Kontakt zu ihrer Familie, wo sie theoretisch unterkommen könnten?

Staiger: Oft besteht der Kontakt, aber jeder hat sein eigenes Leben und seine eigenen Probleme.

Wie finanzieren Sie sich?

Staiger: Der Tagestreff ist ein Angebot sowohl für Wohnungslose als auch andere Menschen, die einsam sind und ein kleines Einkommen haben. Ein bestimmter Anteil der Kosten für Personal und Sachaufwendungen wird vom Landkreis Reutlingen finanziert, wobei der wichtige Einsatz von ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen die Kosten sehr in Grenzen halten hilft. Die AWO muss aber einen erheblichen Betrag aus Spendengeldern selbst tragen.

Was sagen Sie zu Vorurteilen gegenüber Obdachlosen?

Staiger: Ich denke, dass die meisten Menschen einfach Angst vor der Situation haben, selber obdachlos zu werden und lieber von der ganzen Sache Abstand halten. (ZmS)

Binet Idris und Miriam Hayat, BZN Gymnasium, Reutlingen, Klasse 9 d