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Aktuell Soziales

Am besten erst gar nicht anfangen

REUTLINGEN. Abrutschen, Konsum, Sucht, Entzug. Bei diesen Worten kommt einem direkt eines in den Sinn: Drogen. Wir wollen uns den Weg in die Abhängigkeit und wieder heraus genauer anschauen und haben die Sucht- und Drogenberatungsstelle des baden-württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation (bwlv) in Tübingen besucht.

Ist Kiffen cool? Kiffen ist ganz häufig der Einstieg in eine Drogen-Karriere, sagen Fachleute und Konsumenten.  FOTO: DPA
In Gomaringen gibt es nicht viele Plätze, an denen öffentlich Cannabis geraucht werden darf. Genau genommen fast gar keine. FOTO: DPA
In Gomaringen gibt es nicht viele Plätze, an denen öffentlich Cannabis geraucht werden darf. Genau genommen fast gar keine. FOTO: DPA
Wir fahren zu einem unscheinbaren Gebäude im Westen von Tübingen, wo uns Sybille Kohler empfängt und in ihr Büro führt. Sie ist Diplom-Pädagogin und berät Menschen bei Drogenmissbrauch, unterstützt sie in Gerichtsverhandlungen, führt beratende und therapeutische Gespräche und eröffnet Wege und Möglichkeiten aus der Abhängigkeit herauszukommen.

Uns interessiert, wie man – wenn man nicht wie wir nur zum Interview kommt – sich hier anmeldet. »Meistens werden die Jugendlichen vom Gericht hergeschickt oder es rufen Angehörige an und bitten um Hilfe. Die Anrufe werden von unserer Sekretärin entgegengenommen, diese füllt dann einen Anmeldebogen aus. Alle diese Bögen werden dann am Ende der Woche gemeinsam im Team besprochen«, sagt die Drogenberaterin. Leider, so bedauert Sybille Kohler, kommen die Betroffenen nur selten freiwillig.

Die Beraterin

Für die erfahrene Psychotherapeutin ist die Frage nach der Einstiegsdroge nicht mit den illegalen Drogen zu beantworten. Viel mehr seien Alkohol und Nikotin, von Jugendlichen oft schon mit etwa 14 Jahren konsumiert, öfters der Beginn einer solchen »Karriere«. Diese legalen Drogen werden oft unterschätzt und senken die Hemmschwelle, zu illegalen Betäubungsmitteln zu greifen, extrem.

Dies treffe vor allem auf das Rauchen zu, da die Umstellung zum Konsum von Marihuana nur ein kleiner Schritt sei. Jedoch müsse es nicht sein, »dass später automatisch gefährlichere Drogen genommen werden«, sagt Sybille Kohler. Es gibt auch Leute, die bleiben einfach nur Kiffer. »So eine Sucht komme auch nicht plötzlich«, sagt die Diplom-Pädagogin. Zu Beginn aus Neugier vielleicht ab und zu mal am Joint ziehen, um »dazuzugehören«, dann jedes Wochenende, irgendwann jeden Tag bis hin zur Abhängigkeit. Gründe seien auch, aber nicht immer, schulische oder familiäre Probleme.

Auch Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl, Unsicherheit, Versagensangst oder der Angst, in der Gruppe nicht akzeptiert zu werden, seien eher gefährdet. Mit den Drogen kann man sich je nach Sorte »runterbringen oder aufputschen«, erklärt Sybille Kohler. Bei härteren Drogen, wie zum Beispiel Kokain, falle man beim Nachlassen der Wirkung in ein »Loch«. Dem wollen die Süchtigen dann mit dem erneuten Konsum der Droge entgegenwirken.

Der Polizist

Auch die Polizei kämpft gegen den Missbrauch von Drogen an, jedoch auf andere Weise, wie uns Andreas Keinath von der Schutzpolizei Ludwigsburg, der Onkel einer Mitschülerin, erklärt. Dabei sei nicht der Konsum, wohl aber der Besitz von Betäubungsmitteln strafbar: Wer einen Joint in der Hand hält, besitzt ihn auch. Das wird dann mit Geldstrafen sowie einem Vermerk im polizeilichen Register geahndet.

Andreas Keinath hat oft direkten Kontakt zu den Beteiligten und meint »Die Augen lügen nie! Wenn jemand mit riesigen Pupillen vor mir sitzt und behauptet, nichts genommen zu haben, ist die Sache klar«, spricht er aus Erfahrung. Schockierend ist, dass die meisten Konsumenten die Inhaltsstoffe der Rauschmittel nicht genau kennen und auch auf diese Weise ein erhebliches Gesundheitsrisiko eingehen.

Eine bedeutende Rolle spielt nach Therapien das soziale Umfeld, das dann dringend verändert werden sollte, da Betroffene sonst schnell wieder zu alten Mustern zurückkehren und die Rückfallgefahr hoch ist.

Gerade in diesen Punkten sollen Gespräche wie die, die Sibylle Kohler führt, den Menschen die Augen öffnen und sie langsam vom Konsum wegleiten. Dabei wird das persönliche Ziel der Betroffenen vom Reduzieren der Drogenmenge möglichst auf das vollständige Aufhören verlagert, dem »Clean«-Sein.

Der Konsument

Am Ende unseres Besuchs bei der Beratungsstelle des Baden-Württembergischen Landesverbands für Prävention und Rehabilitation hatten wir die Möglichkeit mit einem jungen Mann zu sprechen, der seit dem Alter von 13 Jahren regelmäßig Marihuana konsumiert. Dieses Gespräch hat uns sehr geholfen, die vielen Informationen, die wir in unseren Gesprächen mit den Fachleuten erhalten haben, in reale Erkenntnisse umzuwandeln.

Harry (Name geändert) macht auf uns einen normalen und sympathischen Eindruck und spricht mit uns offen über seine Abhängigkeit, darüber, warum er hierher kommt und wie es bei ihm angefangen hat. Auch er meint, dass vor allem das soziale Umfeld einen großen Teil zum Einstieg in den Drogenkonsum beiträgt. Er erzählt uns, dass das »Kiffen« für ihn eine Routine ist, mit einer Selbstsicherheit und aber auch Bodenständigkeit, die uns persönlich beeindruckt.

Uns rät er, gar nicht erst mit dem Konsum von Betäubungsmitteln zu beginnen. »Dann wollt ihr es vielleicht nur einmal probieren, und am Ende schmeckt es euch noch«, warnt er, »man sollte sich einfach nicht mit den falschen Leuten einlassen, sondern einfach sein eigenes Ding machen.« (ZmS)

Nelly Ludwig, Carolin Hölz und Zoé Klaiber, BZN-Gymnasium, Klasse 9a