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»Als ich Schnee sah, dachte ich, die Engel kommen vom Himmel«

REUTLINGEN. Ich bin Kumbi, jetzt bin ich 16 Jahre alt, seit fünf Jahren lebe ich in Deutschland. Ich will euch von meinem Leben erzählen, wie es in Afrika war. Geboren bin ich in Kinshasa, der Hauptstadt des Kongos. Als ich drei Jahre alt war, hat meine Mutter mir erzählt, dass mein Vater nach Europa gegangen ist, weil er Schriftsteller ist und nicht mehr im Land bleiben konnte. Er sah für sich keine Zukunft mehr.

Ich habe meinen Vater nie gesehen und er mich auch nicht - erst als ich nach Deutschland kam und elf Jahre alt war. Mit vier Jahren kam ich in die Schule. Das war eine Privatschule, ich lernte dort französisch. Unsere Sprache »Lingala« durften wir dort nicht sprechen, sonst gab es richtig Ärger. Wer zu spät kam bekam Schläge. Als ich zehn Jahre alt war, bekam ich immer - wenn ich auch nur eine Minute zu spät kam - zehn Schläge, weil ich zehn Jahre alt war.

Nachts kam die Angst

Mein Vater schickte das Geld für die Schule aus Deutschland. Man musste das Geld für die Schule immer ein halbes Jahr im Voraus zahlen. Die meisten Kinder konnten keine Schule besuchen, weil sie viel zu arm waren.

Viele von ihnen halfen mit, die Familien zu ernähren, zum Beispiel verkauften sie Essen und Nahrungsmittel in der Stadt oder einfach auf der Straße.

Mein Unterricht in der Schule begann immer um 14 Uhr, weil am Vormittag eine andere Gruppe Unterricht hatte. Das wechselte immer nach einer Woche. Ich musste ganz lange und sehr weit laufen, um zu meiner Schule zu kommen. Ihr müsst euch vorstellen, ein Weg war so weit, wie von der Stadtmitte bis nach Metzingen, und zurücklaufen musste ich auch. Trotzdem war ich froh, in die Schule gehen zu können, und ich hatte viel Spaß mit meinen Freundinnen.

Ich bin in einer großen Familie aufgewachsen, Tanten, Onkel, Cousins, Cousinen, also jede Menge Kinder, ich war die drittälteste. Wir machten alles zusammen, nie war ich alleine und ich fühlte mich sehr geborgen und geliebt.

Es gibt aber nicht nur schöne Erinnerungen. Ich habe viele zerstörte Dörfer und Städte gesehen. Die Rebellen überfielen einfach die Menschen, zerstörten, plünderten, mordeten, verschleppten Leute. Wenn es Nacht wurde, kam die Angst, keiner verließ mehr das Haus. Das war sehr traurig, normalerweise sind unsere Türen offen und wir leben draußen. Während all der Jahre, die ich mit meiner Mutter im Kongo lebte, versuchte mein Vater die gültigen Papiere für eine Ausreise nach Deutschland für uns zu bekommen.

Als ich dann schließlich im Flugzeug nach Deutschland saß, war ich in zwei Teile zerrissen: Eine Hälfte von mir war sehr, sehr traurig, die andere war neugierig und gespannt auf den fremden Vater und das fremde Land.

Jetzt lebe ich schon seit fast fünf Jahren in Deutschland und besuche die neunte Klasse der Gutenbergschule. Hier in Deutschland gibt es auch nette Leute, die sind locker drauf, wie bei uns in Afrika. Aber manche sind unfreundlich zu mir, aber was soll's. Ich habe Freunde gefunden, denen ist die Hautfarbe egal. Hauptsache wir verstehen uns gut. Wir sind doch alle gleich, wir sind alle Menschen, oder?

Viele Menschen hier in Deutschland denken, in Afrika ist alles nur schrecklich, Hunger, Krieg und Armut - natürlich stimmt es, aber es gibt auch ein anderes Afrika. Wir gehen respektvoll mit den Menschen um. Viele weiße Menschen leben in Afrika und wir zeigen ihnen gegenüber Respekt.

Singen, Tanzen, Musik

Ich liebe mein Land über alles, trotz der Dinge, die ich erlebt habe. Bei uns lieben alle Singen, Tanzen, Musik ist überall, man spürt den Rhythmus. Das fehlt mir sehr in Deutschland, wenn ich darüber nachdenke. In Deutschland fehlt mir die Wärme und die Sonne. Als ich das erste Mal Schnee gesehen habe, rief ich meine Mama: »Mama komm schnell, die Engel kommen vom Himmel.«

Ich bin mit meinem Leben in Deutschland nicht unzufrieden, meine Schule möchte ich fertig machen und hoffe, einen guten Ausbildungsplatz zu bekommen. Mein größter Wunsch ist, einmal meine Familie und Freunde in Afrika besuchen zu können. Ich träume auch davon, einen wunderbaren Mann zu finden, mit dem ich Kinder haben möchte und in Frieden leben kann. Ich liebe Kinder und würde alles für sie tun. Wo ich einmal leben möchte? Vielleicht in einem anderen Land - mal sehen, was das Leben mit mir vor hat. (ZmS)



Kumbi Mayomana, Gutenbergschule Reutlingen, Klasse 9 a