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Aktuell Leserbrief

»Ziehen Sie die notwendigen Konsequenzen«

Offener Brief zum Erhalt der Drogenberatungsstelle Reutlingen in voller Personalstärke und ihrer Präventionsarbeit

Sehr geehrter Oberbürgermeister Thomas Keck, sehr geehrter Landrat Dr. Ulrich Fiedler, sehr geehrte Gemeinderäte, Kreisräte und Verantwortliche im Land, Ihren Reden entnehmen wir, die Jugend sei die Zukunft. Das ist logisch und dem stimmen wir zu. Jetzt fragen wir: Was ist Ihnen die Jugend wert?

Unsere Beobachtungen sind folgende: 2024 werden die »Social Clubs« gegründet werden, die Vereine zum legalen Anbau von Cannabis. Dadurch werden wir in Baden-Württemberg, in Reutlingen, auch in Buttenhausen und Upfingen, mehr Cannabis im Umlauf haben als je zuvor. Über Für und Wider kann man sich trefflich streiten, aber eins ist klar: Das geht uns alle an. Eltern, Lehrer, die Jugendlichen und die Politiker. Auch der Dealer wird seine veränderte Marktsituation planen. Und da tun wir gut daran, am Tag X informiert und vorbereitet zu sein.

Was ist Ihnen die Jugend wert? Es gibt bislang kein Programm auf Bundesebene, das Jugendliche darauf vorbereiten würde; aus den Bildungsplänen für Biologie an Gymnasien in Baden-Württemberg wurde die Suchtprävention getilgt, und nun steht auch die Präventionsarbeit der Drogenberatungsstelle Reutlingen vor dem Aus.

Am 8. November war den Reutlinger Zeitungen zu entnehmen, dass hier eine Vollzeitstelle gestrichen werden muss, von 5,5 auf 4,5 Stellen. Warum? Die Drogenberatung kann kaum eigenes Geld erwirtschaften. Sie wird getragen vom größten Akteur in der Suchthilfe hierzulande, dem Baden-Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation (bwlv). Dieser finanziert sich vorwiegend aus Mitteln des Landes, der Landkreise, der Städte. Das Land hat seinen Anteil seit 1998 nicht erhöht. Dieser liegt also nach wie vor bei 17.900 Euro pro Vollzeitstelle und Jahr.

In Tübingen werden keine Stellen abgebaut. Warum nicht? Der Kreis Tübingen finanziert seine Drogenberatungsstelle besser. Diese prekäre Reutlinger Lage trifft uns besonders hart, weil die Drogenszene im Kreis Reutlingen insgesamt gewachsen ist, weil seit den Corona-Lockdowns viele Schülerinnen und Schüler mit psychischen Problemen kämpfen. Mit Essstörungen, Angststörungen und depressiven Verstimmungen wenden sie sich an die Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter. Und 50 bis 90 Prozent der behandlungsbedürftigen Cannabis-Abhängigen haben eine ihrer Sucht vorausgehende psychische Diagnose. Das ist kein gutes Gemisch. Uns macht das große Sorgen. Wir appellieren an Sie, ziehen Sie die dringend notwendigen Konsequenzen aus den Fakten und erhalten Sie mit vereinten Kräften unsere Suchthilfe- und Drogenberatungsstellen.

 

Thomas Kuchelmeister, Vorsitzender Gesamtelternbeirat Reutlinger Schulen, Sabine Schuhmacher, Stadtsprecherin Schulsozialarbeit Reutlingen, der Vorstand der Gesamt-Schülermitverantwortung (SMV) Reutlingen, Suchtpräventionslehrkräfte der Reutlinger Schulen